Kinder- und Jugendarbeit

Kulturelle Jugendbildung in europäische jugendpolitische Strategien einbeziehen

Die Bundesjugendpolitik sollte kulturelle Jugendbildung durch die European Youth Work Agenda als jugendpolitisch-relevantes Feld in ganz Europa verankern, heißt es in einer Stellungnahme des Vorstandes der Bundesvereinigung Kulturelle Kinder- und Jugendbildung (BKJ).

30.06.2020

Die kulturelle Jugendbildung setzt in allen Ländern Europas direkt und motivierend an den Interessen und unterschiedlichen Lebenslagen der jungen Menschen an. Sie ist europaweit allerdings wenig konturiert und wird häufig der Kultur- oder Bildungspolitik zugeschrieben. Im Rahmen der deutschen EU-Ratspräsidentschaft wird das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) anstoßen, dass die EU-Mitgliedsstaaten eine European Youth Work Agenda in 2020 beschließen und in den Folgejahren umsetzen. Die kulturelle Jugendbildung muss hierbei als jugendpolitisch relevantes Feld verstärkt in die europäischen jugendpolitischen Strategien einbezogen werden. Wer kulturelle Jugendbildung politisch stärkt, erreicht junge Zielgruppen – auch europaweit.

„Gemeinsam. Europa wieder stark machen.“ – Auch jugendpolitisch.

Unter das Motto „Gemeinsam. Europa wieder stark machen.“ hat die Bundesregierung die Ziele ihrer in der 2. Jahreshälfte 2020 anstehenden Präsidentschaft im Rat der Europäischen Union gestellt. Dieses Motto soll ein deutliches Signal für jetzt dringend notwendige politische Initiativen der kommenden Jahre auf europäischer Ebene sein.

Im Bereich der Jugendpolitik wird das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) im Rahmen der Präsidentschaft die Initiative für eine European Youth Work Agenda ergreifen. Ein Entwurf dazu soll bis Ende 2020 von den in den für Jugendfragen zuständigen Minister(inne)n der EU-Mitgliedsstaaten diskutiert und  beschlossen und in den darauffolgenden Jahren umgesetzt werden. Das BMFSFJ hat mit der Agenda die Möglichkeit, aktiv darauf hinzuwirken, dass diese Ministerien das Feld der kulturellen Jugendbildung deutlich als jugendpolitisch relevanten Bereich wahrnehmen und es verstärkt in ihre nationalen und europäischen jugendpolitischen Strategien einbeziehen.

Dieses Feld ist europaweit nicht leicht zu konturieren und wird häufig eher der Kultur- oder Bildungspolitik  zugeschrieben. Mit ihren vielfältigen Arbeits-, Angebots- und Organisationsformen setzt die kulturelle Jugendbildung in allen Ländern Europas direkt und motivierend an den Interessen und unterschiedlichen Lebenslagen der jungen Menschen an. Sie erreicht dadurch junge Zielgruppen, die sich durch andere Formen der Jugendarbeit und Jugendbildung nicht angesprochen fühlen.

Der Dachverband der Kulturellen Bildung in Deutschland fordert, kulturelle Jugendbildung in der Jugendpolitik in Europa zu verankern.

Denn:

1. Kulturelle Jugendbildung ist jugendpolitisch national und auf europäischer Ebene aktiv.
Der europäische Begriff Youth Work ist im deutschen Kontext nicht mit seiner wortwörtlichen Übersetzung Jugendarbeit im Sinne von §11 SGB VIII gleichzusetzen. In der ausdifferenzierten deutschen Kinder- und Jugendhilfelandschaft sind es offene Kinder- und Jugendarbeit, europäische und internationale Jugendarbeit, kommunale Jugendarbeit, Jugendverbandsarbeit, Jugendbildungsarbeit sowie Jugendsozialarbeit inklusive Schulsozialarbeit und Jugendberufshilfe. (1)

Die kulturelle Jugendbildung findet in diesen Zusammenhängen in den verschiedensten Dokumenten auf europäischer Ebene keine explizite Erwähnung und dementsprechend in einigen EU-Mitgliedsstaaten auch weniger politische Beachtung. So sind z.B. in der aktuellen europäischen Jugendstrategie von 2019 bis 2027 (2) keine expliziten Bezüge zur kulturellen Jugendbildung zu finden. Dies widerspricht der Tatsache, dass sich dieser Bereich unter den drei Überschriften der Strategie „Beteiligung – Begegnung – Befähigung“ aktiv in die jugendpolitischen Entwicklungen auf nationaler und europäischen Ebene einbringt.

2. Akteure der kulturellen Jugendbildung ermöglichen es jungen Menschen mit grenzüberschreitenden Begegnungserfahrungen eine reflektierte Haltung zu Europa zu entwickeln.
Durch die Nutzung der u.a. zur Umsetzung der EU-Jugendstrategie gedachten Förderprogramme Erasmus+ Jugend in Aktion (E+JiA) und Europäisches Solidaritätskorps (ESK) ermöglichen Akteure der kulturellen Jugendbildung es vielen jungen Menschen, durch grenzüberschreitende Begegnungserfahrungen mit nicht-formalen künstlerischen Ausdrucksformen eine reflektierte Haltung zu Europa zu entwickeln, diese in Aufführungen und Präsentationen vor Publikum deutlich zum Ausdruck zu bringen und dadurch motivierende europäische Lebenserfahrungen zu sammeln und weiterzugeben.

3. Europäische jugendpolitische Förderinstrumente sind wichtig für kulturelle Jugendbildung.
Die Möglichkeit der aktiven Nutzung der europäischen jugendpolitischen Förderinstrumente Erasmus+ JiA und ESK ist für die Akteure der kulturellen Jugendbildung besonders wichtig. Zu den EU-Förderprogrammen im Bildungs- und Kulturbereich haben sie praktisch keinen Zugang, da diese einerseits auf die Einrichtungen der formalen Bildung und andererseits v. a. auf große europaweite künstlerische Kooperationen und Events ausgerichtet sind.

Umso wichtiger ist es, dass die zu beschließende European Youth Work Agenda den Akteuren der kulturellen Jugendbildung europaweit die Möglichkeit bietet, noch deutlich intensiver fachlich und strategisch vernetzt über die Grenzen hinweg zusammenzuarbeiten.

Die kulturelle Jugendbildung ist bereit, bei der Umsetzung einer European Youth Work Agenda eine aktive Rolle zu übernehmen!

Die Organisationsformen und -strukturen der außerschulischen kulturellen Jugendbildung sind in jedem Land Europas sehr unterschiedlich. Und trotzdem: mit neuem Rückenwind durch den Umsetzungsprozess einer European Youth Work Agenda können und wollen die 56 landes- und bundesweiten Fachorganisationen und Verbände aus allen Kunst- und Kultursparten – sowie die BKJ als Dachverband selbst – eine aktive und gestaltende Rolle bei der europaweiten jugendpolitischen Vernetzung, beim fachlichen Austausch, beim voneinander Lernen und bei der strategischen Zusammenarbeit mit ihren vielen europäischen Partnern einnehmen.

Die Maisons des Jeunes et de la Culture (MJC) in Frankreich (Jugend- und Kulturhäuser), die Kinder- und Jugendtheater in allen Ländern Europas, die Dom Kultury (Kulturhäuser) in Polen, die Jugendzentren mit kulturellem Schwerpunkt in vielen Ländern, die Jugendkunstschulen in Deutschland, die Musikschulen und Bibliotheken sowie die Jugendzirkusse in vielen Ländern und unzählige andere Formen kulturpädagogischer Einrichtungen erreichen täglich eine große Zahl junger Menschen in der gesamten Europäischen Union.

Sie sind interessiert und motiviert, auch zukünftig unter europäischer Perspektive im Rahmen der Umsetzung der European Youth Work Agenda zusammenzuarbeiten, das Wissen ihrer haupt- und ehrenamtlichen Fachkräfte miteinander zu teilen und jungen Menschen die komplexen Gebilde von Europa als gemeinschaftlicher Lebenswelt und von Europa als politisch zu gestaltender Union auf partizipative und kreative Weise in künstlerischen Prozessen nahe zu bringen.

__

(1) Die European Youth Work Agenda für qualitativ hochwertige Youth Work – in Europa und in Deutschland, Positionspapier der Arbeitsgemeinschaft für Jugendhilfe (AGJ), Berlin, 5./6.032020.

(2) https://ec.europa.eu/youth/policy/youth-strategy_de

__

Stellungnahme der Bundesvereinigung Kulturelle Kinder- und Jugendbildung (BKJ): Kulturelle Jugendbildung in europäische jugendpolitische Strategien einbeziehen (PDF, 70 KB)

__

Quelle: Bundesvereinigung Kulturelle Kinder- und Jugendbildung (BKJ)

Redaktion: BKJ Redaktion

Back to Top