Kinder- und Jugendarbeit
IJAB: Perspektiven der jugendpolitischen Zusammenarbeit nach dem Brexit
Die Mitgliederversammlung von IJAB diskutierte am 14. Dezember 2016 die Konsequenzen des Brexit für die jugendpolitischen Beziehungen zwischen Deutschland und dem Vereinigten Königreich. Wie ist der aktuelle Stand der Zusammenarbeit? Müssen weichen für die Zukunft neu gestellt werden?
21.12.2016
Am 14. Dezember 2016 wagte die IJAB-Mitgliederversammlung einen Blick in die Zukunft: Welche Konsequenzen hat das britische Referendum vom 23. Juni 2016 für den EU-Austritt auf die jugendpolitische Zusammenarbeit mit dem Vereinigten Königreich? Gilt es bereits jetzt die Weichen für die Zukunft zu stellen? Wie ist der aktuelle Stand der Zusammenarbeit, wie gestalten sich die aktuellen jugendpolitischen Beziehungen zu Großbritannien? Inputs zum Thema lieferten Ute Pätzig, Direktorin von UK-German Connection, und Jim Sweeney, Geschäftsführer von YouthLink Scottland und Mitglied des International Youth Policy Dialogue-Netzwerk, indem auch IJAB aktiv ist.
Austausch zwischen Deutschland und UK
UK-German Connection fungiert als Koordinierungsstelle für deutsch-britische Beziehungen im Schul- und Jugendbereich. Die bilaterale Regierungsinitiative zur Förderung der Kontakte und des Verständnisses zwischen jungen Menschen aus Deutschland und dem Vereinigten Königreich wurde anlässlich des Staatsbesuchs von Königin Elisabeth II. in Deutschland im November 2004 ins Leben gerufen und wird von beiden Regierungen, British Council und Pädagogischer Austauschdienst getragen.
Gleich zum Einstieg ihres Vortrags in der IJAB-Mitgliederversammlung stellte Ute Pätzig klar, dass auch sie nur spekulieren könne, wohin die Reise nach der Brexit-Entscheidung für den bilateralen Austausch zwischen Deutschland und dem Vereinigtem Königreich gehen wird. Sie gehe aber nicht davon aus, dass sich in der bisherigen Zusammenarbeit der UK-German Connection etwas ändern wird. Die IJAB-Mitglieder verdeutlichten hier, dass von Seiten deutscher Jugendlicher nach wie vor ein großes Interesse an einem Austausch mit Großbritannien bestehe. Seien doch die Zahlen in den letzten Jahren recht konstant geblieben. Allerdings habe man allgemein den Eindruck, dass das Interesse britischer Organisationen für einen Austausch nach Deutschland geringer sei als umgekehrt.
Die Frage der Mitglieder an Frau Pätzig lautete hier: Woran liegt das? Wie ist die Sicht auf Deutschland in Großbritannien, hat sich seit dem Brexit-Votum etwas verändert? Nein, so Ute Pätzig, sie würde nicht sagen, dass es eine Tendenz zu einem negativen Deutschlandbild in Großbritannien gebe. Vor allem die Fußball-WM 2006 und auch Bundeskanzlerin Angela Merkel hätten für eine positive Sicht auf Deutschland gesorgt. Nach dem 23. Juni 2016 habe sich Großbritannien aber ganz sicher verändert, so gab es Übergriffe auch auf Deutsche, denen aber viele positive Gegenreaktionen gegenüber stünden. Es liege einfach an der Sprache, dass so viel mehr deutsche Jugendliche ein Interesse an Großbritannien zeigen, als britische Jugendliche eine Interesse an Deutschland. Englisch als Fremdsprache liege bei den Deutschen nun mal hoch im Kurs, schätzte Pätzig ein.
Interesse für britische Jugendliche - trotz Brexit
Eine Aussage die bei den Mitgliedern die Frage aufwarf, was wir hier in Deutschland tun können, um für junge Britinnen und Briten attraktiver zu werden. Wie und mit welchen Themen abseits von Sprache können wir das Interesse aneinander steigern? Um eine Antwort wurde Jim Sweeney, Geschäftsführer von YouthLink Scottland, gebeten, der per Videokonferenz aus Schottland der Mitgliederversammlung zugeschaltet war: Was können die Träger der Internationalen Jugendarbeit in Deutschland tun, damit jungen Briten - trotz Brexit - ihr Interesse an Europa erhalten bleibt?
Sweeney machte deutlich, dass Schottland in den letzten Jahren sehr von EU-Programmen für den Jugendaustausch profitiert habe. Er zeigte sich enttäuscht über den Brexit und merkte an, dass es jetzt noch zu früh sei, um über Auswirkungen auf die Jugendpolitik zu reden. Die Britische Regierung hätte mittlerweile einige Aussagen gemacht, diese beträfen aber hauptsächlich die Themen Fremdenfeindlichkeit und Rassismus. Es werde befürchtet, dass diese nach dem Ausstiegsvotum zunehmen werden. Im Schottland haben die meisten Menschen für den Verbleib in der EU gestimmt, in England war dies nur in London der Fall – so Sweeney.
Gerade bei den jungen Menschen sei die Wahlbeteiligung mit 64 % sehr hoch gewesen. Von ihnen hätten 71% für den Verbleib und gegen den Brexit gestimmt. Das Problem sei nun, dass die jungen Menschen sich entrechtet fühlten – ein sehr starkes Gefühl, vor allem in Schottland. Aus diesem Grund sei es nun die wichtige Aufgabe von Jugendarbeiterinnen und Jugendarbeitern im Vereinigten Königreich, junge Menschen weiterhin für Demokratie zu begeistern. Keine leichte Aufgabe …
Situation der Jugendarbeit in UK
An diesem Punkt kam die Frage nach der aktuellen Situation der Jugendarbeit in Großbritannien auf. Sweeney informierte über starke finanzielle Kürzungen im Jugendbereich, allerdings sei die Lage Schottland nicht ganz so schlimm wie beispielsweise in England oder Wales. In Schottland habe die Regierung die Bedeutung des dritten, gemeinnützigen Sektors erkannt und die Mittel nicht komplett gestrichen. Vielmehr habe sie neue, kreative Finanzierungsquellen aufgetan: So koordiniert YouthLink Scotland zum Beispiel für die Schottische Regierung das „CashBack for Communities“ Programm, das den Kommunen Erträge aus Straftaten zur Verfügung stellt, die damit Angebote für Jugendliche schaffen sollen.
Kontrovers diskutiert wurde im Anschluss an die Videokonferenz, mit welcher Haltung die deutsche Trägerlandschaft auf den Brexit reagieren solle. Zum einen müsste das Interesse der jungen Menschen in Großbritannien, die schließlich für den Verbleib in der EU gestimmt hätten, als Anknüpfungspunkt reichen und als Handlungsauftrag gelten, um den Austausch mit UK nicht nur aufrechtzuerhalten, sondern strategisch zu intensiveren. Zum anderen aber müsse ein Land, das eine solche Entscheidung trifft, selbstverständlich auch die Konsequenzen tragen: Rosinenpickerei dürfe es nicht geben. Darüber hinaus mache zurzeit nicht nur der Brexit Sorge, so sei es zum Beispiel eine politische Notwendigkeit nun auch vermehrt auf die USA zu schauen.
Ein Punkt den auch IJAB-Vorsitzender Lothar Harles in seiner Schlusszusammenfassung unterstrich und in Aussicht stellte, das Thema bei den folgenden Veranstaltungen mit zu berücksichtigen:
- 22. Februar 2017, Berlin
Fachtagung "Aktuelle politische Entwicklungen und ihre Auswirkungen auf die Internationale Jugendarbeit" - 18. Mai 2017, Berlin
Fachkongress "Begegnen, bewegen, gestalten – Herausforderungen und Chancen der Internationalen Jugendarbeit in der globalisierten Welt" und Festakt zum 50. Geburtstag von IJAB, Landesvertretung Hamburg
i-EVAL - Evaluation internationaler Begegnungen
Ein weiteres Thema der IJAB-Mitgliederversammlung war das neue Online-Tool für die Evaluation internationaler Begegnungen (i-EVAL), das Judith Dubiski von der TH Köln vorstellte und für eine breite Nutzung warb. Über das Tool können internationale Begegnungen auf einfache Weise ausgewertet und gleichzeitig in größerem Umfang systematisch und anonym statistische Daten generiert werden, die Aussagen zur Qualität von Begegnungsarbeit liefern können.
Neben den obligatorischen Rechenschaftsberichten und der Entlastung des Vorstands diskutierten die Mitglieder auch den dreijährigen Arbeitsplan von IJAB mit vielfältigen neuen Aufgaben, der einstimmig verabschiedet wurde. Ebenfalls beschlossen wurde der Wirtschaftsplan für das Jahr 2018.
Abschließend lud der Vorsitzende alle Mitglieder zu den Jubiläumsveranstaltungen von IJAB im kommenden Jahr ein. 2017 feiert IJAB 50sten Geburtstag.
Quelle: IJAB - Fachstelle für Internationale Jugendarbeit der Bundesrepublik Deutschland e.V., Cathrin Piesche
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