Kinder- und Jugendarbeit

Good Practice: Immer mehr junge Flüchtlinge besuchen die Projekte des JugendKunsthaus in Kreuzberg

Die eigene Zukunft in die Hand nehmen – in der Cucula-Werkstatt

Als Kunstlabor lehrt die Schlesische27 im Berliner Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg, wie junge Leute die Welt verändern können. Geschäftsführerin Barbara Meyer berichtet über konkrete Angebote und Projekte für junge Flüchtlinge.

06.08.2015

Die Schlesische27 ist ein internationales JugendKunst- und Kulturhaus in Berlin. Seit 30 Jahren widmet es sich der künstlerischen und ästhetischen Bildung von jungen Menschen. Basisfinanziert vom Land Berlin und unterstützt von einem engagierten Förderverein entwickelt das internationale JugendKunsthaus in Kreuzberg in Zusammenarbeit mit Kulturschaffenden aller Sparten innovative Bildungskonzepte, die auf die schöpferischen Qualitäten und kreativen Veränderungspotenziale von jungen Menschen setzen. Als außerschulische Bildungseinrichtung hat das Haus mit zahlreichen Berliner Schulen, mit lokalen und internationalen Partnern aus Kunst und Kultur lebendige Projekte entwickelt.

Die Schlesische27 hat in den vergangenen fünf Jahren einen Schwerpunkt auf die Förderung handwerklichgestalterischer Kompetenzen gelegt.

Ausbildungsbrücken für junge Flüchtlinge

Zunehmend besuchen junge Flüchtlinge die Projekte und Bildungsangebote, 67 werden zurzeit in verschiedenen Kursen betreut und täglich kommen neue Anfragen. Sie sind zwischen 16- und 27-jährig, viele sind alleine nach Berlin gereist. Einige sind aufgrund ihres unsicheren Aufenthaltsstatus immer wieder von Obdachlosigkeit bedroht. In der Schlesischen27 wurde ein Kälteobdach eingerichtet, Verpflegung und gesundheitliche Betreuung organisiert. Dies ist nur möglich durch die großartige Unterstützung von privaten Spendern, denn diese Kosten passen in keine Projektbudgets. Zusammen mit den Partnern des Flüchtlingsbetreuungszentrums BBZ und der Volkshochschule Berlin-Mitte gelingt es jedoch, die eigenen Stärken der jungen Geflüchteten zu mobilisieren und vielfach konkrete Ausbildungsbrücken zu schaffen.

Für junge Menschen, die ganz aus den Betreuungsrastern der lokalen Flüchtlingshilfen fallen, weil sich beispielsweise Politik und verschiedene Ausländerbehörden um die Zuständigkeit streiten, müssten dringend unkomplizierte Chancenräume, kreative "Gefäße" für Integration entwickelt werden. Dabei besteht die Herausforderung darin, den jungen Geflüchteten ihre Selbstwirksamkeit zurückzugeben und sie aus dem Opferstatus heraus zu begleiten.

Neue Bildungsräume, Ausbildungsprogramme und ökonomisch tickende Kreativbetriebe für Flüchtlinge müssen entwickelt werden: "Konkrete Utopien", die als greifbare und niedrigschwellige Angebote neue Wege eröffnen für die Zukunft. Die Schlesische27 erprobt Modelle, die diesen Ansprüchen ein Gesicht geben, "Betriebe", die sozusagen auf der Kippe stehen, real und wirtschaftlich zu werden. Ernst Bloch hat dieses Phänomen einmal "reales Abbild eines realen Vorscheins" genannt.

Zwei konkrete Utopien in der Schlesischen27

Wohnen, Leben und Arbeiten, das sind die einfachen Wünsche der Flüchtlinge in Berlin. Um ihren Hoffnungen einen realen Boden zu geben, bedarf es aber eines Aufenthalts- und Arbeitsrechts, Voraussetzungen, die für viele nicht gegeben sind.

Trotzdem gibt es Arbeitsmöglichkeiten für einige Flüchtlinge. Eine davon ist die Möbelmanufaktur Cucula. Seit Herbst 2013 konnten fünf junge Afrikaner, die über Lampedusa nach Europa und Berlin geflüchtet sind, in der improvisierten Manufaktur wichtige Grundlagen für ihre Zukunft selber bauen. Unterstützt von Produktdesignern und Sozialpädagogen tischlern die Flüchtlinge hochwertige Designermöbel nach den Plänen des italienischen Designers Enzo Mari. Die fünf Trainees der Möbelmanufaktur haben heute weitaus bessere Chancen für die Erlangung eines stabilen Aufenthaltsstatus und sehen der Zukunft positiver entgegen. Gleichzeitig hat unsere Stadtkultur und die Berliner Kreativindustrie ein ungewöhnliches Start-up erhalten, das Mut macht für weitere Experimente.

Das zweite Projekt, "die Gärtnerei", setzt bei den Talenten der jungen Männer an und bietet konkrete Andockstellen: Gemeinschaft und Gartenarbeit, berufsvorbereitende Praxis in der Landschafts- und Zierpflanzengärtnerei, Deutschunterricht, Allgemeinbildung und kulturelle Aktivitäten. In diesem Frühjahr entsteht das experimentelle Gärtnerei- und Housing-Projekt für junge Geflüchtete mit Unterstützung der Stiftung Parität Berlin auf dem Brachgelände des Jerusalem-Friedhofs in Berlin-Neukölln.

So gilt für unsere kulturelle Bildungsarbeit ein Ratschlag, den der Soziologe Heinz von Förster seinen Studenten mit auf den Weg gegeben hatte: "Handle stets so, dass weitere Möglichkeiten entstehen, dass Alternativen möglich werden."

Autorin und Kontakt

Barbara Meyer, Geschäftsführerin Schlesische27
Telefon: 030 61 77 67-39
E-Mail: b.meyer@schlesische27.de 
Internet: schlesische27.de

Der Beitrag ist zuerst in der Broschüre des Paritätischen Berlin "Vielfalt stiften Zehn Jahre Stiftung Parität" (PDF; 1,9 MB) und auf dem Blog jugendhilfe-bewegt-berlin.de erschienen.

Redaktion: Andreas Schulz

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