Digitale Jugendbildung

Der gewohnte Geist in neuem Format

Das Tvibit ist ein Jugendkulturzentrum und kreativer Hub in Tromsø in der norwegischen Arktis. Als ganz Norwegen am 12. März 2020 aufgrund von Covid-19 in den Lockdown ging, übertrug das Tvibit alle Aktivitäten auf Onlineplattformen wie Discord, Zoom, Instagram, Snapchat oder Facebook. Siv Vik ist stellvertretende Managerin von Tvibit und schildert ihre Erfahrungen mit der neuen Festivalform. Dieser Text stammt aus dem IJAB journal 2/2020 zum Thema Internationale Jugendarbeit im virtuellen Raum.

12.03.2021

Nordisches Jugendfilmfestival 2020 online

Eine unserer größten Herausforderungen bestand darin, wie wir unseren jährlichen internationalen Jugendaustausch und unser Nordic Youth Film Festival (nuff.no) organisieren sollten. Das NUFF, ein Filmfestival und internationaler Film-Workshop, zu dem 40 bis 50 Jugendliche aus aller Welt im norwegischen Tromsø zusammenkommen, um zehn Tage lang Filme zu machen und anzusehen, sich international auszutauschen und an Workshops teilzunehmen, gibt es bereits seit 17 Jahren.

Dieses Jahr wurden für das NUFF über 3.000 Filme eingereicht, es hatten sich schon fast 40 jugendliche Filmschaffende für die Workshops angemeldet, und wir konnten für die Leitung von Workshops vier interessante internationale Fachkräfte engagieren. In Anbetracht dieses großartigen Potenzials suchten wir nach einer Alternative für das „physische“ NUFF und beschlossen, dass die Workshops digital stattfinden müssten.

Alle Workshops fanden online statt. Mentor(inn)en waren online präsent und auch wenn mehrere Teilnehmende aus einem Land kamen, waren sie nicht beisammen, sodass alle unter denselben Bedingungen teilnahmen. Dieses Jahr bestanden nur geringe technische Anforderungen, um sicherzustellen, dass alle unabhängig von den ihnen verfügbaren Geräten einen Film machen konnten: Teilnehmende wurde aufgefordert, einfach mit ihren Smartphones zu filmen. Die Plattform Discord stellte das wichtigste Tool für die Kommunikation zwischen Teilnehmenden dar, weil sie gute Funktionen für Voice- und Videochats bietet. Außerdem ist sie für Teilnehmende recht einfach zu nutzen und zudem kostenlos, sodass diesbezüglich keine Barrieren bestanden.

Die Filme für den Wettbewerb wurden über Vimeo live gestreamt. Nach jeder Aufführung gab es eine Fragerunde. Der Zugang zum Livestream war weltweit kostenlos verfügbar.

Wir errichteten einen virtuellen „NUFF-Hub“, um das Gefühl zu schaffen, dass die Filme und Veranstaltungen gemeinsam im selben Raum angesehen wurden. Der Hub fungierte als virtueller Treffpunkt, an dem Menschen Teil des NUFF sein konnten.

Das NUFF erreichte mit seinem Workshop-Kanal und Festival-Kanal weltweit Sichtbarkeit, sowohl online als auch digital und physisch. Wir schufen mithilfe von digitalen Tools wie Vimeo, Discord, Zoom, Facebook, Livestreaming und Mozilla Hub einen Festivalraum im Cyberspace. Es mussten neue Herausforderungen überwunden und neue kreative Denkansätze entwickelt werden.

„Die Zukunft ist digital, und es ist super, wenn wir uns jetzt schon darauf vorbereiten, selbst wenn wir wieder ein normales NUFF abhalten können, wo sich Leute in Tromsø treffen, um Filme zu machen und anzuschauen. Wir sollten die Plattform behalten und noch mehr Filmschaffende in aller Welt einbinden, die nicht nach Norwegen reisen können. Die Filme, die auf der ganzen Welt online gemacht wurden, waren toll." (Fredrik, Teilnehmender 2020)

Erfolgreiche Online-Workshops

Ursprünglich hatten 25 der 36 zu den Workshops angemeldeten Teilnehmenden erklärt, dass sie auch an der Online-Version teilnehmen würden. Letztendlich wurden die Workshops von 18 Teilnehmenden aus zehn verschiedenen Ländern in Anspruch genommen. Die 18 aktiven Teilnehmenden an den Workshops kamen aus Russland, Kenia, Malta, Gaza, Deutschland, Österreich, Norwegen, Schweden, Irland und Island. Da diese geografische Spannweite fünf Zeitzonen umfasste, war es wichtig, Gruppen entsprechend aufzuteilen. Die sieben Gruppen mit vier Mentor(inn)en produzierten sieben Kurzfilme, die innerhalb von sechs Tagen von der Idee bis zum fertigen Film gebracht werden mussten. Alle Teilnehmenden und Mentor(inn)en blieben an ihren Heimatorten und kommunizierten über die Discord-Plattform. Die Ergebnisse wurden der Öffentlichkeit anlässlich der offiziellen Eröffnungsveranstaltung im Verdensteatret-Kino sowohl auf der Leinwand als auch online als Livestream vorgestellt.

Die Workshops waren insgesamt ein sehr ermutigendes Experiment, das die aktuelle Situation widerspiegelte und interessante Einblicke in die Möglichkeiten einer Online-Zusammenarbeit junger Filmschaffender bot. Sie zeigten, dass es möglich ist, vielversprechende junge Filmschaffende digital zusammenzubringen und sie zusammenarbeiten zu lassen, und dass dies zu hochwertigen Arbeiten führt.

Fast alle der Filme boten auch eine interessante Reflexion der Situation, in der sich die Teilnehmenden befanden, indem sie sich mit Distanz, individuellen Realitäten in verschiedenen Ländern, Sehnsucht und apokalyptischen Szenarien auseinandersetzten. In gewisser Weise waren die übergreifenden Themen dieses Jahr daher „ernsthafter“ als bei den NUFF vergangener Jahre. Die Ergebnisse der Workshops sind noch online zu sehen.

Virtuell oder analog?

Ein weiteres besonderes Angebot für Teilnehmende an den Workshops war der NUFF-Hub, eine digitale 3D-Installation mit drei virtuellen Räumen, in denen sich Teilnehmende treffen und mittels persönlicher Avatare kommunizieren konnten. Das Projekt beinhaltete einen Vorschlag für einen interaktiven Treffpunkt, an dem Teilnehmende und Zuschauer des Filmfestivals über die neue, experimentelle Onlineplattform Mozilla WebVR zusammenkommen konnten. Da Hubs für Desktop-Nutzer/-innen allgemein einfach zu verwenden sind, wurde diese Lösung für die beste gehalten. Diese Plattform ist zwar sehr spannend, aber sie befindet sich noch im Frühstadium ihrer Entwicklung und muss sich erst noch als digitale Plattform etablieren. Der NUFF-Hub ist noch online verfügbar.

Für uns war das NUFF 2020 ein Erfolg. Es war ein Experiment mit vielen neuen Ansätzen und Lösungen. Alles in allem war das Feedback der Teilnehmenden zur Transformation des Festivals in ein Onlineevent sehr positiv und verständlich. Diejenigen, die diese Umstellung von Anfang an ablehnten, sagten das auch und stornierten ihre Teilnahme umgehend. Es wurde jedoch auch deutlich, dass den aktiven Teilnehmenden ein „analoges“ Festival lieber gewesen wäre, und einige sagten klar, dass sie einen solchen digitalen Workshop unter keinen Umständen noch einmal machen würden.

Aber es war auch klar, dass sie zur Teilnahme an einem Experiment bereit waren. Die meisten sahen die Herausforderung, an etwas Neuem teilzunehmen und sich mit einer neuen Form des Filmschaffens auseinanderzusetzen, positiv. Und eines ist sicher: Das Jahr 2020 hat das NUFF und die Filmwelt Jugendlicher verändert, und es werden auch künftig neue Modelle geschaffen werden.

Hintergrund

Dieser Text stammt aus dem IJAB journal 2/2020. Das IJAB journal kann als PDF heruntergeladen oder als Printausgabe kostenfrei bestellt oder abonniert werden.

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Quelle: Siv Vik für IJAB – Fachstelle für Internationale Jugendarbeit der Bundesrepublik Deutschland e.V. vom 22.02.2021

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