Kinder- und Jugendarbeit

AGJ positioniert sich zu jugendgerechten Bildungslandschaften in ländlichen Räumen

Die Arbeitsgemeinschaft für Kinder- und Jugendhilfe – AGJ thematisiert in ihrem Positionspapier die besonderen Bedingungen des Aufwachsens in ländlichen Räumen aus einer kinder- und jugendpolitischen Perspektive. Ein Fokus liegt unter anderem auf den Herausforderungen und Potentialen ländlicher Räume und dem Beitrag, den Kinder- und Jugendarbeit leistet. Die AGJ formuliert Kriterien für jugendgerechte Bildungslandschaften und Handlungsaufforderungen für den weiteren Prozess zur Schaffung solcher in ländlichen Räumen.

20.01.2020

Das Aufwachsen junger Menschen findet im Rahmen individueller Voraussetzungen, insbesondere aber auch der sozial geprägten Strukturen ihrer Lebenswelt statt. Dieser lebensweltliche Erfahrungshintergrund hängt maßgeblich davon ab, unter welchen regionalen Bedingungen er entsteht. Es macht einen Unterschied in Bezug auf die zur Verfügung stehenden Angebote und Räume für junge Menschen, ob sie auf dem Land oder in der Stadt, in einer strukturschwachen Region oder einer prosperierenden aufwachsen, und wirkt sich somit auch auf die dementsprechenden alltäglichen Möglichkeiten und Herausforderungen aus.

Insbesondere der 15. Kinder- und Jugendbericht hat ein differenziertes Bild der Alltagswelten und Herausforderungen junger Menschen beschrieben und stellt fest: „Bedingungen des Aufwachsens und der sozialen Teilhabe für junge Menschen unterscheiden sich z.T. deutlich zwischen Ost- und Westdeutschland, städtischen und ländlichen Räumen sowie ökonomisch starken und schwachen Regionen. Dies betrifft zunächst die allgemeine Bedeutung von Jugend sowie den Anteil junger Menschen aus gesellschaftlichen Minoritäten“.

Ein Fünftel aller Kinder und Jugendlichen leben in ländlich geprägten Regionen

Der Blick auf die Lebenswelten von jungen Menschen und die regionalen Spezifika ihrer Lebenswelten wird jedoch vernachlässigt. Gleichzeitig wird das Aufwachsen von Kindern und Jugendlichen aus einem überwiegend urbanen Blickwinkel betrachtet, und der Fokus auf die Lebenswelt sowie die Perspektiven der jüngeren Bevölkerung auf dem Land bzw. in strukturschwachen Regionen kommen zu kurz. Ebenso lassen Diskurse über Bedürfnisse und Bedarfe von Jugendlichen in den Strukturen der Kinder- und Jugendhilfe den ländlichen Raum oft außen vor und werden vorwiegend mit Fokus auf den städtischen Raum geführt. Dabei lebt etwa ein Fünftel aller Kinder und Jugendlichen in Deutschland in ländlich geprägten Regionen. Dies sollte Grund genug sein, sich eingehend mit der Frage ihrer Lebensbedingungen und Teilhabechancen auseinanderzusetzen.

Kinder- und Jugendarbeit ist mit ihren außerschulischen Bildungsangeboten, Freizeit- und Gestaltungsmöglichkeiten relevant in Hinsicht auf die Lebensbedingungen und Teilhabechancen junger Menschen. In ländlichen Räumen sieht sich die Jugendarbeit jedoch einem Veränderungsdruck mit Blick auf die Ausgestaltung der Angebotslandschaft gegenüber, der z.B. durch den demografischen Wandel und die Digitalisierung bedingt ist.

Das Thema Bildungslandschaften wird im vorliegenden Papier fachpolitisch thematisiert und aktualisiert. So formuliert die Arbeitsgemeinschaft für Kinder- und Jugendhilfe – AGJ insbesondere Kriterien für jugendgerechte Bildungslandschaften und stellt hier die Rolle von Jugendarbeit heraus.

Hierbei orientiert sich die AGJ an der Definition von lokalen Bildungslandschaften von Dr. Anja Durdel und Peter Bleckmann (2009): „‚Lokale Bildungslandschaften‘ sind langfristige, professionell gestaltete, auf gemeinsames, planvolles Handeln abzielende, kommunalpolitisch gewollte Netzwerke zum Thema Bildung, die – ausgehend von der Perspektive des lernenden Subjekts – formale Bildungsorte und informelle Lernwelten umfassen und sich auf einen definierten lokalen Raum beziehen.“

Bildungsteilhabe junger Menschen stärken

Am Ende des Papieres formuliert die AGJ die folgenden Handlungsaufforderungen und Positionen, die im Kontext von Bildungslandschaften und Jugendarbeit im ländlichen Raum Beachtung finden sollten, um die Bildungsteilhabe junger Menschen dort zu stärken:

  • Der Jugendarbeit kommt die wichtige Aufgabe zu, sog. „dritte Orte", also Begegnungsstätten, die für die Entstehung und Aufrechterhaltung eines Gemeinwesens unverzichtbar sind, für Jugendliche vorzuhalten bzw. zu schaffen. Diese können auch virtuelle Orte sein, die ebenfalls von der Jugendarbeit angeboten und besetzt werden müssen, um die Fläche der ländlichen Räume abzudecken.
  • Jugendarbeit sollte zudem bei der Etablierung und Entwicklung von Bildungslandschaften stärker selbst federführend die Initiative ergreifen, um sich parteilich für die Wahrnehmung der Belange von Kindern und Jugendlichen einzusetzen und einer Fixierung an administrativen Territorialgrenzen entgegenzuwirken.
  • Im Rahmen der Kinder- und Jugendhilfeplanung sind die Stärkung von Bildungsteilhabe junger Menschen und die dazu notwendige Koordination unter den regionalen Bildungsakteuren mit zu berücksichtigen.
  • Bildungslandschaften sollten ihrerseits gerade in ländlichen Räumen alle relevanten Partnerinnen und Partner einer Region kooperativ einbeziehen. Dies gilt insbesondere für den Einbezug der Jugendarbeit. Jugendarbeit kann in Bildungslandschaften darauf Einfluss nehmen, dass Jugendliche nicht nur als Ressource bzw. Investitionsobjekt (mit Blick auf Fachkräfte/Steuerzahler/Kaufkraft) für die Region wahrgenommen werden, sondern die Bedürfnisse der Kinder und Jugendlichen selbst in den Mittelpunkt gestellt werden.
  • Systematische Bestandserhebungen und Bedarfsanalysen unter Berücksichtigung der Interessen und Bedürfnisse von jungen Menschen sind eine wichtige Grundlage für die örtlichen Planungs- und Entscheidungsprozesse sowie die Ausdifferenzierung der Angebotsstrukturen. Soweit erforderlich sollten die Planungsprozesse nicht an Gemeinde- oder Landkreisgrenzen haltmachen.
  • In diesen Prozessen gilt es auch, die Beteiligung aller Akteure im Feld der Jugendarbeit (z.B. anerkannte Träger der Jugendhilfe, Verbände, Schulen, Vereine) und der Jugendlichen selbst möglichst frühzeitig sicherzustellen. Dies kann in ganz unterschiedlichen Formaten, wie z.B. Befragungen, Experten-Hearings, Runde Tische, Planungsgespräche, Arbeitskreise etc., erfolgen.
  • Gleichzeitig ist ein stärkeres Engagement von Akteuren der Jugendarbeit im Rahmen von Ganztagsschulkonzepten in ländlichen Räumen wünschenswert, um an Bildungszielen gestaltend mitzuwirken und Angebote an den Orten zu verankern, an denen sich junge Menschen ohnehin aufhalten und ihnen diese Orte auch als gestaltbare Freiräume zur Verfügung zu stellen.
  • Angesichts dieser Ziele müssen auch die strukturellen Voraussetzungen für die Erweiterung von Bildungsteilhabe auf dem Land geschaffen werden. Dies schließt einerseits den Ausbau von schnellem Internet in ländlichen Räumen ein, um z.B. als Ergänzung zu „klassischen“ Ansätzen der Jugendarbeit auch virtuelle Jugendarbeit anbieten zu können. Andererseits ist auch die finanzielle Ausstattung für die unmittelbare Arbeit mit jungen Menschen, insbesondere für mobile sowie offene Angebote der Kinder- und Jugendarbeit, sicherzustellen.

Das vollständige 9-seitige Papier „Jugendgerechte Bildungslandschaften in ländlichen Räumen schaffen“ (PDF, 106 KB) steht zum Download auf den Seiten der AGJ zur Verfügung.

Quelle: Arbeitsgemeinschaft für Kinder- und Jugendhilfe – AGJ

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