Hilfen zur Erziehung

SOS-Kinderdorf: Nur wer seine Rechte kennt, kann sie einfordern

Am 20. Juni 2012 fand im SOS- Kinderdorf Berlin Moabit eine Pressekonferenz im Rahmen der 2. SOS-Kinder und Jugendkonferenz unter dem Motto"Mein Recht auf Bildung, Schule und Ausbildung statt. Im Bild v.r.n.l.:Prof. Johannes Münder (Vorstandsvorsitzender

Kinder und Jugendliche aus Deutschland und Polen treffen sich zur 2. SOS-Kinder- und Jugendkonferenz in Berlin.

21.06.2012

Kinder sind den Erwachsenen gleichwertig, aber nicht gleich. Sie brauchen besonderen Schutz, besondere Förderung, besondere Beteiligungsformen. Sie haben Rechte. Kinderrechte. Unter dem Motto "Mein Recht auf Bildung, Schule und Ausbildung" startete am 20. Juni in Berlin die 2. SOS-Kinder- und Jugendkonferenz.

Dem Beteiligungsgedanken folgend kam bei der Pressekonferenz als erstes ein Kind zu Wort: Nico. Der 14-Jährige lebt seit sechs Jahren im SOS-Kinderdorf Berlin-Moabit. Hier treffen sich bis Freitag rund 200 Kinder und Jugendliche aus deutschen und polnischen SOS-Kinderdorf-Einrichtungen und setzen sich in verschiedenen Workshops mit ihren Rechten auseinander. "Ich war schon 2010 bei der ersten SOS-Kinderkonferenz dabei. Das war cool. Weil wir eine große Familie bei SOS-Kinderdorf sind, zusammenhalten und uns gemeinsam für unsere Rechte stark machen dürfen. Deshalb wollten wir uns regelmäßig treffen. Jetzt war ich sogar in der Vorbereitungsgruppe der KiJuKo", erzählt Nico stolz. Schirmherrin der SOS-Kinder- und Jugendkonferenz ist die Schauspielerin Dennenesch Zoudé, die das SOS-Kinderdorf Berlin-Moabit und dessen Theaterworkshop regelmäßig besucht. Die gebürtige Äthiopierin ist schon gespannt auf die Ergebnisse der Workshops, die von Politik über Mathe bis hin zu Ernährung verdeutlichen, dass der Bildungsbegriff nicht nur im Sinne des klassischen Lernens verstanden werden darf. Es geht um das Erlernen von Verantwortungsbewusstsein, Werteverständnis, Grundrechten und um die Persönlichkeitsbildung. Denn nur wer seine Rechte kennt, kann sie einfordern.

Kinderrechte im Grundgesetz verankern

"Wir sprechen uns seit Jahren dafür aus, dass Kinderrechte im Grundgesetz verankert werden, vor allem als Förderungs- und Teilhaberechte", erklärt Prof. Dr. Johannes Münder, Vorstandsvorsitzender SOS-Kinderdorf e.V. "Mehr als 20 Jahre nach Verabschiedung der UN-Kinderrechtskonvention ist dies längst überfällig. Denn Kinder sind nicht einfach kleine Erwachsene, sondern eigenständige Persönlichkeiten. Dem gilt es Rechnung zu tragen." Im Hinblick auf die Zunahme sozialer Probleme und unsicherer Zukunftsperspektiven müssen Kinder von Beginn an gestärkt werden, damit sie in der Lage sind, sich zu artikulieren, etwas auszuhandeln, Konflikte zu bewältigen und sich für ihre Interessen einzusetzen. "Vor dem Hintergrund, dass wir in Deutschland nach wie vor eine skandalös hohe Kinderarmut haben und jedes siebte Kind von Hartz IV lebt, ist es essenziell, gerade auch die einkommensschwachen Kinder an der Gemeinschaft teilhaben zu lassen. Sie brauchen Zugang zum Sportverein, der Musikschule, der Ferienfreizeit oder dem Jugendclub", ergänzt Werner Hesse, Geschäftsführer des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes. "Gerade hier in Berlin, wo sogar etwa jedes dritte Kind von Hartz IV lebt und somit von bitterem Mangel und Ausgrenzung betroffen ist, ist der SOS-Kinderdorf e.V. mit seinen drei Einrichtungen unverzichtbar. Er erkennt den Bedarf und gibt vielen Kindern und jungen Menschen durch Beteiligung und Förderung eine Perspektive."

Manche Kinder wissen nicht, dass sie Rechte haben

Mit dem SOS-Kinderdorf Berlin-Moabit, dem ersten SOS-Kinderdorf in einer deutschen Großstadt, dem SOS-Berufsausbildungszentrum im Wedding und dem SOS-Familienzentrum in Hellersdorf betreut der Verein in der Hauptstadt Kinder, Jugendliche und Familien mit 100 Angeboten dort, wo sie am dringendsten gebraucht werden. Kinderrechte werden in den Einrichtungen tagtäglich gelebt. "Wenn Kinder und junge Menschen ihre Rechte kennen, sind sie besser vor Gefährdungen geschützt. Sie können darüber sprechen und sich wehren", so Kirsten Spiewack, Einrichtungsleiterin des SOS-Kinderdorfs Berlin-Moabit. "Wir arbeiten viel mit benachteiligten und teils traumatisierten Kindern, die tatsächlich erst lernen müssen, dass sie Rechte haben. Durch Beteiligung in den Einrichtungen, aber auch in unseren offenen Angeboten stärken wir sie, ihre Geschwister, ihre Familien. Bei der SOS-Kinder- und Jugendkonferenz wird besonders sichtbar, wie viele Möglichkeiten es hierfür gibt, die wir im Alltag bereits umsetzen. Besonders wichtig ist natürlich auch, dass Groß und Klein sich gegenseitig stärken können."

Vielfältige Workshops beteiligen und vernetzen die Teilnehmer

Nachdem sich die Kinder am Nachmittag selbstständig in die 21 Gruppen einteilen und sich auf ein buntes Abendprogramm freuen, geht es am Donnerstagmorgen gleich los. Während die einen zum Beispiel in den Bundestag starten, um mit Katja Dörner, Sprecherin für Familien- und Kinderpolitik, Bündnis 90/Die Grünen, über Kinderrechte zu diskutieren, überlegen sich die anderen, wie ein idealer "Gebildeter" aussieht. Schließlich soll er am Freitag den anderen Teilnehmern präsentiert werden. Genauso wie die Riesenskulptur aus Holz, die in der "Bildungs-Bildhauerei" gemeinsam mit dem Berliner Bildhauer Christoph Gramberg erstellt wird oder die Straßeninterviews, die der Film-Workshop zum Thema "Kinderrechte" in Berlin-Moabit führt. Für all diese Ergebnisse zählt jeder Einzelne. Jeder hat seine Aufgabe. Dieses Gefühl ist für die benachteiligten Kinder und Jugendlichen wichtig. Es stärkt - nicht nur für den Moment, sondern langfristig. Deshalb freuen sie sich auch schon jetzt auf die nächste SOS-Kinder- und Jugendkonferenz, die 2014 stattfindet. Wo das sein wird, das dürfen sie selbst entscheiden. Denn über Kinderrechte kann man nicht nur sprechen, man soll sie vor allem erleben.

Quelle: SOS-Kinderdorf vom 20.06.2012

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