Hilfen zur Erziehung

Heimaufsicht erteilt Auflagen für Kinder- und Jugendeinrichtung „Neustart“

Zur Sicherung des Kindeswohls und um eine mögliche Gefährdungslage abzuwenden hat die Heimaufsicht des Jugendministeriums in Brandenburg vorläufige Auflagen zum weiteren Betrieb der intensivpädagogischen stationären Einrichtung „Neustart“ erteilt.

09.10.2019

Bis zur abschließenden Prüfung aller Vorwürfe gilt ein sofortiger Aufnahmestopp für die Einrichtung. Außerdem sind folgende, bislang praktizierten Verfahren mit sofortiger Wirkung auszusetzen:

  • das Anklopf-Verfahren für den Gang der untergebrachten Kinder und Jugendlichen zur Toilette,
  • das Token- bzw. Chipsystem als Belohnungssystem für die untergebrachten Kinder und Jugendlichen sowie
  • die Kontakteinschränkungen und Isolation von Kindern und Jugendlichen in Gruppe 1 und gegebenenfalls Gruppe 2 zu weiteren Kindern und Jugendlichen der Einrichtung sowie anderen Personen (telefonische Kontakte).

Außerdem wird – bis zur Klärung der Vorwürfe – einem einzelnen Erzieher der weitere Umgang mit den untergebrachten Kindern und Jugendlichen untersagt.

Es bedarf einer intensiven Sachaufklärung

Die Auflagen dienen ausdrücklich der Sicherung des Kindeswohls und der Abwendung einer möglichen Gefährdungslage und stellen keine Vorverurteilung dar. Die Prüfung der Vorwürfe ist nicht abgeschlossen, es bedarf weiterhin der intensiven Sachaufklärung.

Unabhängig davon wäre es für die Heimaufsicht im Jugendministerium hilfreich, wenn sich betroffene ehemalige Bewohnerinnen und Bewohner direkt dorthin wenden. Selbstverständlich werden alle Hinweise und Anliegen streng vertraulich behandelt.

Sicherung des Kindeswohls

Für das Jugendministerium haben das Wohlergehen und die Rechte der Kinder und Jugendlichen oberste Priorität. Deshalb wurden die Vorwürfe ehemaliger Heimbewohner gegen die Einrichtung „Neustart“ von Anfang an sehr ernst genommen.

22.8.2019
Die Heimaufsicht des Jugendministeriums erhält erste Hinweise und Vorwürfe zur Einrichtung „Neustart“ des Arbeiter-Samariter-Bundes.

23.8.2019
Da teils Handlungen beschrieben werden, die strafrechtlich relevant sein können, wird die Staatsanwaltschaft Cottbus informiert. Zwei Mitarbeiterinnen der Heimauf-sicht des Jugendministeriums gehen den Vorwürfen vor Ort nach, unter Hinzuziehung des Jugendamtes Spree-Neiße. Die Gebäude und Räume werden in Augenschein genommen, die anwesenden Fachkräfte und Vertreterinnen und Vertreter des Trägers befragt. Anschließend werden umfangreiche Prüfungen zur Aufklärung der Sachverhalte eingeleitet, die bis heute nicht abgeschlossen sind.

21.9.2019
Die Vorwürfe werden in einem Presseartikel ausführlicher und konkretisierter dargestellt. Ehemalige Heimbewohnerinnen und Heimbewohnern beschreiben darin besonders restriktive Maßnahmen im Aufnahmeverfahren.

23.9.2019
Der Träger der Einrichtung wird aufgefordert, sich zu den konkretisierten Vorwürfen zu äußern und eine verbindliche Erklärung abzugeben. Noch am selben Tag erklärt der Träger, dass er – bis zum Abschluss der Prüfungen – das bisherige Aufnahmeverfahren nicht mehr praktizieren wird. Damit ist sichergestellt, dass keine Kinder und Jugendliche mehr diesem Aufnahmeverfahren unterzogen werden.

25.9.2019
Die Heimaufsicht im Jugendministerium besucht unangekündigt die Einrichtung, prüft, ob der Träger die verbindliche Erklärung in die Praxis umgesetzt hat und stellt deutliche Änderungen fest:

  • Die Milchglasfolie an den Fenstern wurde entfernt und durch Gardinen ersetzt.
  • Die feste Verankerung der Stühle am Boden wurde entfernt.
  • Die Schränke in den Aufnahmezimmern sind für die untergebrachten Kinder und Jugendlichen inzwischen frei zugänglich und nicht mehr verschlossen.
  • Die Türen der Einrichtung waren zum Zeitpunkt der Begehung nicht verschlossen, sondern offen.
  • Von den anwesenden pädagogischen Fachkräften wurde dargelegt, dass das bisherige Aufnahmeverfahren nicht mehr praktiziert wird.

26.9.2019
Mitarbeiter des Jugendministeriums befragen die aktuell in der Einrichtung untergebrachten Jugendlichen, ohne die Erzieherinnen und Erzieher. Teilweise werden Vorwürfe aus dem Pressebericht bestätigt.

30.9.2019
Im Jugendministerium geht ein Schreiben ein, in dem Aussagen eines ehemals in der Einrichtung untergebrachten Jugendlichen protokolliert sind. Es gibt erneut konkretisierte und weitere Vorwürfe gegen die Einrichtung. Die Heimaufsicht im Jugendministerium erlässt – zur Sicherung des Kindeswohls und um eine mögliche Gefährdungslage abzuwenden – Auflagen zum Betreiben der Einrichtung.  

Über die Einrichtung

Bei der Einrichtung „Neustart“ in Trägerschaft des Arbeiter-Samariter-Bundes (ASB) handelt sich um eine Einrichtung der Kinder- und Jugendhilfe mit einem intensivpädagogischen Konzept. Dies bedeutet, dass in der Einrichtung Kinder- und Jugendliche aufgenommen werden dürfen, die besonders schwierige und herausfordernde  Verhaltensweisen zeigen. Da es sich aber um eine offene Einrichtung handelt, sind jegliche freiheitsentziehenden Maßnahmen unzulässig. Freiheitsentziehenden Maßnahmen sind nur nach richterlichem Beschluss zulässig.

Quelle: Ministerium für Bildung, Jugend und Sport (MBJS) Brandenburg vom 02.10.2019

Redaktion: Kerstin Boller

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