Hilfen zur Erziehung

Bremen: Clearinghaus nimmt 35 unbegleitete minderjährige Flüchtlinge auf

Bei der Aufnahme von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen geht Bremen neue Wege. Erstmals richtet das Land ein Clearinghaus ein, in dem ein multiprofessionelles Team alle Bedarfe der ankommenden Kinder und Jugendlichen grundlegend abklärt.

23.09.2014

Innerhalb von höchstens drei Monaten wird dann entschieden, welche Unterstützung die jungen Flüchtlinge brauchen, welche Schulbildung sie mitbringen und welche Anschlussmöglichkeiten für sie zu finden sind. Anschließend sollen sie in eine Pflegefamilie vermittelt werden, in eine offene Wohngruppe oder in eine stationäre Jugendhilfeeinrichtung.

"Seit 2012 hat die Zahl der schutzsuchenden Jugendlichen im Bremen stark zugenommen", sagte Anja Stahmann Senatorin für Soziales, Kinder, Jugend und Frauen heute (22. September 2014) anlässlich der Schlüsselübergabe an das Trägerkonsortium aus ASB, effect gGmbH und Hans-Wendt-Stiftung. "Mit der neuen Einrichtung machen wir einen weiteren wichtigen Schritt, um eine gute und passende Betreuung zu organisieren. So wollen wir den Jugendlichen eine echte Chance geben, Teil dieser Gesellschaft zu werden und eine Lebensperspektive in unserem Land zu entwickeln."

Insgesamt bietet das Clearinghaus Platz für 35 Kinder und Jugendliche in sieben Wohngruppen, es soll sowohl Mädchen als auch Jungen in Obhut nehmen. Die ersten 14 Flüchtlinge sollen in der kommenden Woche einziehen, bis Mitte Oktober sollen dann alle fünf Gruppen belegt sein. Die Einrichtung stellt die Betreuung an 365 Tagen im Jahr, rund um die Uhr sicher. Die Jugendlichen sollen lernen, sich selbst zu versorgen. Daher sind die Wohngruppen mit Küchen ausgestattet. Außerdem soll früh ein Zugang zu Sprachkursen organisiert und Unterstützung bei der Strukturierung des Alltags gegeben werden. Dazu gehören etwa Freizeitangebote besonders an Wochenenden, Feiertagen und in den Ferien.

Das Clearing, also die Abklärung der individuellen Bedarfe der jungen Flüchtlinge, soll unter anderem folgende Aspekte mit einbeziehen: Aufarbeiten der persönlichen Fluchtgründe, Feststellen therapeutischer Hilfebedarfe aufgrund traumatisierender Erfahrungen, medizinische und zahnmedizinische Untersuchung, Klären der Wünsche, Vorstellungen und Perspektiven des Jugendlichen oder Kindes, sowie seines Entwicklungs- und Bildungsstandes. Sollte eine Familienzusammenführung in Deutschland oder im Heimatland möglich sein, wird zudem im Zusammenwirken mit dem Jugendamt geprüft, ob sie im Interesse des Kindeswohls liegt. Zu den Aufgaben der Clearingstelle gehören zudem die individuelle Förderung bei Entwicklungsdefiziten, Vermittlung sozialer Kompetenzen und Alltagswissen, das Fördern verlässlicher Bindungsstrukturen, das Aufarbeiten von Krisen, Begleitung und Anleitung zur Einhaltung von Terminen und altersangemessenen Verpflichtungen wie Einkaufen, Zimmer und Gemeinschaftsräume reinigen.

"Nicht ausgelegt ist das Clearinghaus für die Betreuung von Kindern und Jugendlichen in akuten Krisen oder mit starken Auffälligkeiten im sozialen Verhalten", sagte Anja Stahmann. "Für diese intensive Arbeit brauchen wir eine spezialisierte Einrichtung. Daran arbeiten wir." Damit bezog sie sich auf eine kleine Anzahl von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen, die Jugendhilfe und Strafverfolgungsbehörden derzeit vor neue Herausforderungen stellt. Neun von ihnen würden derzeit von der Polizei priorisiert behandelt, drei weitere seien wegen der Schwere oder Häufigkeit ihrer Straftaten inhaftiert worden. Gemeinsam mit den Ressorts Inneres und Justiz werde derzeit der fachliche und rechtliche Rahmen für eine spezialisierte Einrichtung für Jugendliche abgesteckt, die einerseits mit dem Gesetz in Konflikt geraten, andererseits aber keinen Anlass für eine Inhaftierung bieten. Anja Stahmann machte klar: "Das wird eine Jugendhilfe-Einrichtung mit einem Erziehungsauftrag, so, wie es der gesetzliche Auftrag vorsieht." Es sollen darin auch Experten beschäftigt werden, die im Umgang mit straffälligen Jugendlichen erfahren seien.

Anders als Erwachsene und Familien mit Kindern werden allein geflohene Minderjährige nicht in einem zentralen Verfahren über die Länder der Bundesrepublik verteilt. Zuständig ist das Land, in dem sie sich zum ersten Mal melden oder aufgegriffen werden. Danach nimmt Bremen beinahe fünfmal mehr Jugendliche auf, als es dem Bevölkerungsanteil des Landes entspricht. So seien seit Januar 2012 inzwischen über 650 allein geflüchtete Jugendliche in Bremen aufgenommen worden, davon etwa 250 allein in diesem Jahr. Zum Vergleich: In den Jahren 2010 und 2011 waren es noch rund 50 pro Jahr. Nach einer Erhebung der Hamburger Sozialbehörde hat Bremen damit im vergangenen Jahr mehr geflohene Jugendliche aufgenommen als alle fünf Länder im Osten der Bundesrepublik zusammen (Bremen: 210; Ost-Länder: 192). "Bezogen auf unsere Bevölkerungszahl waren es in den Jahren 2012 und 2013 auch deutlich mehr als in den Stadtstaaten Hamburg und Berlin", sagte Anja Stahmann weiter. Das mache die besonderen Herausforderungen deutlich, vor denen gerade das Jugendhilfesystem in Bremen bei der Betreuung der Jugendlichen stehe.

Quelle: Senatorin für Soziales, Kinder, Jugend und Frauen Bremen vom 23.09.2014

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