Hilfen zur Erziehung

Änderungen im SGB VIII zum Schutz von Kindern und Jugendlichen dringend erforderlich

Der Bundesrat beschäftigte sich am 14. Februar mit Änderungen des Gesetzes zum Schutz von Kindern und Jugendlichen in stationären Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe. Schleswig-Holstein hatte dazu gemeinsam mit Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen eine Initiative eingebracht, um auf eine vorzeitige Neuregelung der § 36 b und § 45 ff des SGB VIII hinzuwirken. Dadurch würden insbesondere die Einrichtungsaufsicht im Bereich der Kinder- und Jugendhilfe gestärkt und die Regelungen zur Zulässigkeit von Auslandsmaßnahmen konkretisiert und verschärft werden.

17.02.2020

„In dieser Sache besteht dringender Handlungsbedarf! Kinder und Jugendliche vor Gewalt, Erniedrigungen und Demütigungen zu schützen: Damit können wir nicht warten. Dafür hat kein Mensch in unserem Land Verständnis. Die so dringend gebotene Stärkung der Einrichtungsaufsicht darf nicht weiter aufgeschoben, sondern muss jetzt durch diese gesonderte Initiative angepackt werden“ so Sozialminister Garg zur seiner Initiative.

Schleswig-Holstein: Reform des § 45 SGB VIII dringend erforderlich

Er führte aus: „Am 7. Juli 2017 – also vor zweieinhalb Jahren – wollte sich der Bundesrat schon einmal mit der Reform beschäftigen. Ich wollte damals vom bundesweit beachteten Friesenhof-Skandal und seinen Auswirkungen in Schleswig-Holstein berichten. In einem Parlamentarischen Untersuchungsausschuss hatten ein Jahr zuvor schutzbedürftige Mädchen ausgesagt, die damals im Friesenhof untergebracht waren. Sie berichteten von Strafsport, stundenlangem „Aussitzen“, Fixierungen, Isolierungen, Ausgangssperren und unqualifiziertem Personal. Den Mädchen wurde schweres Leid zugefügt. In der Einrichtung herrschten auch aus der Sicht meines Hauses untragbare Zustände.  Mein Haus hat diese Einrichtungen 2015 schließen lassen. Gegen diese Maßnahme setzt sich der Träger juristisch zur Wehr. Er begründet dies damit, dass eine Kindeswohlgefährdung nicht nachweisbar gewesen und eine Erheblichkeitsschwelle nicht erreicht worden sei. Die gerichtliche Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegen das Land Schleswig-Holstein sind ebenfalls bereits öffentlich angekündigt worden. In erster Instanz hat sich das Gericht dieser Auffassung angeschlossen.“

Dieses Urteil selbst mache deutlich, wie dringend erforderlich eine Reform des § 45 SGB VIII sei, betonte Garg: „Ausschlaggebend für die Rechtmäßigkeit der Entscheidung, die Einrichtung zu schließen, war die Frage, ob das Wohl der Kinder und Jugendlichen in der Einrichtung gefährdet ist. Jedoch sind die Voraussetzungen für die Erteilung einer Betriebserlaubnis wesentlich höher: Hier spricht das Gesetz explizit von einer Gewährleistung und nicht von einer Gefährdung des Kindeswohls. Eine Reform des SGB VIII würde im Hinblick auf die Zuverlässigkeit gerade bedeuten, dass die Voraussetzungen für einen Widerruf genauso hoch sind wie jene für die Erteilung einer Betriebserlaubnis. Die Einrichtungsaufsicht könnte dann auf einer entsprechenden rechtlichen Grundlage schneller eingreifen.“

Stärkung der Einrichtungsaufsicht

Eine Reform des SGB VIII sei also aktueller denn je. „Das Bedauerliche ist: Die SGB VIII-Reform ist trotz dieses Skandals in der Bundesratssitzung am 7. Juli 2017 von der Tagesordnung abgesetzt worden,“ sagte Garg. „Dabei war eine Stärkung der Einrichtungsaufsicht schon damals dringend erforderlich. Bis heute fehlen aber notwendige rechtliche Instrumentarien, um erforderliche aufsichtliche und ordnungsrechtliche Maßnahmen schneller wirksam zu ergreifen. Damals wie heute ist klar: Das SGB VIII muss eine höhere Schlagkraft bekommen. Die Kinder- und Jugendhilfe hat eine Garantenstellung für das Wohl von Kindern und Jugendlichen, insbesondere dann, wenn diese in Verantwortung der öffentlichen Jugendhilfe in Einrichtungen im Inland oder in Auslandsmaßnahmen untergebracht sind. Damit sie diese Garantenstellung auch wirksam wahrnehmen und ausüben kann, muss der rechtliche Rahmen für die Einrichtungsaufsicht und für die Zulässigkeit von Auslandsmaßnahmen im Hinblick auf das Schutzbedürfnis der Kinder und Jugendlichen weiterentwickelt werden.

Zum Schluss sagte Garg: „Ich möchte an dieser Stelle betonen, dass diese Initiative nicht den Reformbedarf des SGB VIII und das von Frau Giffey vorgenommene Verfahren in Gänze in Frage stellt. Es geht hier nicht um Vorwürfe in Richtung des Bundesfamilienministeriums. Wir brauchen schnell ein Instrumentarium für diesen Teilaspekt, um Kinder und Jugendliche besser schützen zu können.“

Hintergrundinformationen

Die am 14. Februar 2020 beschlossene Bundesratsinitiative enthält zahlreiche Maßnahmen, zu denen neben der Verbesserung der Heimaufsicht auch verschärfte Voraussetzungen bei der Betriebserlaubnis zählen. Neben den bereits bestehenden Kriterien soll die Entwicklung und Anwendung von Gewaltschutzkonzepten erforderlich sein. Weiter werden die trägerbezogenen Pflichten konkretisiert. So müssten künftig auch die Belegung und der Betreuungsschlüssel nachgewiesen werden. Ebenfalls verbessern möchten die Länder die Auslandsmaßnahmen der Jugendhilfe: Die Teilnahme an Auslandsprojekten soll deshalb nur dann zulässig sein, wenn der Anbieter über eine Betriebserlaubnis im Inland verfügt. Weitere Bedingungen: die Betreuung der Kinder durch Fachkräfte und die Festlegung von Qualitätskriterien.

Der Gesetzentwurf wird nun zunächst der Bundesregierung zugeleitet, die eine Stellungnahme dazu verfasst. Anschließend legt sie beide Dokumente dem Bundestag zur Entscheidung vor.

Der "Entwurf eines Gesetzes zum Schutz von Kindern und Jugendlichen in stationären Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe. Änderung des Sozialgesetzbuches (SGB) - Achtes Buch (VIII), Kinder- und Jugendhilfe" (PDF, 73 KB) steht als Drucksache zum Download zur Verfügung.

Quelle: Ministerium für Soziales, Gesundheit, Jugend, Familie und Senioren des Landes Schleswig-Holstein vom 14.02.2020 / www.bundesrat.de/DE/plenum/bundesrat-kompakt

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