Sozialforschung

Wer in Europa arm ist, stirbt früher

Das untere Fünftel der Gesellschaft trägt ein doppelt so hohes Risiko schwer zu erkranken oder vorzeitig zu sterben wie das obere Fünftel. Das zeigt die Untersuchung im Rahmen eines internationalen Projekts zu gesundheitlicher Ungleichheit in 25 Ländern.

24.07.2015

Der Soziologe Prof. Dr. Claus Wendt von der Universität Siegen untersucht im Rahmen des Forschungsprojektes "Health Inequalities in European Welfare States (HINEWS)" den Zusammenhang zwischen dem Zugang zu gesundheitlicher Versorgung und der Krankheits- und Sterberate. Betrachtet werden 25 europäische Staaten und die USA. Sein Fazit: "Die unterste Bildungsschicht hat etwa eine zehn Jahre geringere Lebenserwartung."

HINEWS ist eines von elf neuen NORFACE-Projekten (New Opportunities for Research Funding Co-operation in Europe) Projekten. NORFACE nimmt die Zukunft des Wohlfahrtsstaates unter die Lupe. Das deutsche Teilprojekt an der Universität Siegen, das durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) finanziert wird, kümmert sich vornehmlich um die vergleichende Gegenüberstellung der unterschiedlichen Gesundheitssysteme in 25 Ländern.

Das Projekt soll ermitteln, welche Eigenschaften von Wohlfahrtsstaaten und Gesundheitssystemen besonders geeignet sind, um gesundheitliche Ungleichheiten zu reduzieren. Prof. Dr. Claus Wendt: "In Europa, insbesondere in Deutschland, ist das Niveau der Versorgung sehr hoch. Dennoch gibt es auch hier Ungleichheiten: unterschiedlicher Zugang zu Fachärzten, unterschiedlicher Versicherungsschutz." Südeuropäische Länder hätten in der Vergangenheit ihre Standards verbessert. "Aber durch die schlechte Wirtschaftslage hat sich die Situation der Gesundheitsversorgung und der Versicherungslage wieder verschlechtert."

Die Analyse der gesundheitlichen Ungleichheit in Zusammenhang mit dem Gesundheitssystem in den einzelnen Ländern ist aufwändig. Offizielle Statistiken zu Krankheits- und Sterblichkeitsraten sind nur ein Teil der notwendigen Datenbasis. "Es geht auch um die selbst eingeschätzte Gesundheit der Bevölkerung", erklärt Hoven. Dazu müssen entsprechende Befragungen durchgeführt werden. Wendt und Hoven unterstützen ein entsprechendes Modul, das von den Projektpartnern in Norwegen und England entwickelt wird.

Ein schwieriger Punkt bei der Untersuchung: Ein gutes Gesundheitssystem trägt dazu bei, dass mehr Menschen ein höheres Alter erreichen, bedeutet aber auch eine höhere Krankheitsrate und damit die Behandlung von mehr Kranken als womöglich in einem Land mit deutlich schlechterer Versorgung.

Auch Wertvorstellungen, die die Erwartungen an ein Gesundheitssystem bestimmen, sind in den Ländern unterschiedlich. Wendt: "Das Gleichheitsziel ist in Ländern wie England oder Dänemark stärker verankert als bei uns. In Deutschland ist demgegenüber das Ziel der sozio-ökonomischen Sicherheit und damit verbunden auch einer hohen Qualität der Gesundheitsversorgung wichtiger als in anderen Ländern." Die Ergebnisse des Forschungsprojekts können eine wichtige Basis für gesundheitspolitische Entscheidungen der Zukunft bieten.

Quelle: Universität Siegen vom 23.07.2015

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