Inflation

Paare und Familien mit mittlerem und niedrigem Einkommen von Preisschocks aktuell am stärksten betroffen

Familien mit niedrigem oder mittlerem Einkommen sowie kinderlose Paare mit mittlerem Einkommen tragen aktuell die höchste Inflationsbelastung, Singles mit hohem Einkommen die geringste. Das ergibt der IMK Inflationsmonitor des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) der Hans-Böckler-Stiftung. Er liefert monatlich die spezifischen Teuerungsraten für neun repräsentative Haushaltstypen, die sich nach Personenzahl und Einkommen unterscheiden.

16.03.2022

Gemessen an den für diese Haushaltstypen repräsentativen Warenkörben sind die Preise im Februar 2022 um 5,2 Prozent bzw. um 4,4 Prozent gestiegen, während der Wert über alle Haushalte hinweg bei 5,1 Prozent lag. Auch für Singles mit niedrigen, mittleren und höheren Einkommen lagen die Raten mit 4,7 bis 4,9 Prozent im Februar etwas unterhalb der allgemeinen Preissteigerung. Bei Familien mit zwei Kindern und höherem Einkommen verteuerte sich der haushaltsspezifische Warenkorb um 5,0 Prozent. Für Alleinerziehende mit einem Kind und mittlerem Einkommen betrug die Teuerungsrate 5,1 Prozent.

Die Energiepreise weiterhin die wichtigsten Inflationstreiber

Ihr starker Anstieg hat dazu geführt, dass die Inflationsrate im Februar wieder fast so hoch ausfiel wie im Dezember 2021. Von den 5,1 Prozent Preissteigerung waren allein 2,3 Prozentpunkte den weiter anziehenden Preisen für Haushaltsenergie bzw. Kraft- und Schmierstoffe geschuldet. Relativ stark gestiegen sind im Februar zudem auch die Preise für Nahrungsmittel und alkoholfreie Getränke. Der Krieg in der Ukraine hat die Energiepreise, insbesondere die Kosten für Gas, seit Ende Februar noch einmal emporschnellen lassen, so dass die Inflationsrate auch in den kommenden Monaten weiter steigen dürfte, erwartet IMK-Inflationsexpertin Dr. Silke Tober, die die neue Auswertung zusammen mit Prof. Dr. Sebastian Dullien erstellt hat, dem wissenschaftlichen Direktor des IMK.

Die aktuellen Einflussfaktoren bei den haushaltsspezifischen Inflationsraten beschreiben Dullien und Tober so: „Zusammenfassend lässt sich schlussfolgern, dass Haushalte mit geringeren Einkommen durch den Preisanstieg bei Nahrungsmitteln überproportional belastet sind und zunehmend auch durch die Verteuerung bei der Haushaltsenergie.“

Dieser Trend dürfte sich weiter verschärfen, denn Gas, Strom oder Heizöl fallen als Waren des Grundbedarfs bei den Ausgaben ärmerer Haushalte sehr stark ins Gewicht, während sie bei Haushalten mit hohem Einkommen und insbesondere bei wohlhabenden Alleinlebenden einen deutlich kleineren Anteil des Warenkorbs ausmachen. Bei Familien mit Kindern und niedrigem bis mittlerem Einkommen schlagen aktuell zudem die weiter steigenden Preise für Kraftstoffe relativ stark zu Buche. Grundsätzlich haben Haushalte mit niedrigem Einkommen ein besonderes Problem mit starker Teuerung, weil sie vor allem unverzichtbare Alltagsgüter kaufen und kaum Spielräume besitzen, ihr Konsumniveau durch Rückgriff auf Erspartes aufrecht zu erhalten.

Die aktuell im Vergleich relativ hohe Inflationsrate bei Paaren ohne Kinder und mittlerem Einkommen hängt wiederum wesentlich damit zusammen, dass im Februar auch die Preise für Ausgabenposten wie Wohnungsinstandhaltung oder Reisen deutlich angezogen haben. Die haushaltsspezifische Inflationsrate bei Alleinlebenden mit geringem Einkommen ist nach der Analyse von Dullien und Tober deshalb noch unterdurchschnittlich, weil solche Güterarten sowie Ausgaben für Kraftstoffe oder Fahrzeugkauf mangels finanzieller Möglichkeiten bei ihnen kaum ins Gewicht fallen. Eine fortgesetzte Preisexplosion bei der Haushaltsenergie werde aber gerade auch ärmere Singles empfindlich treffen, wenn nicht gegengesteuert werde.

Wahl weiterer Entlastungsschritte

Die Europäische Zentralbank, unter normalen Umständen erste Instanz bei der Kontrolle der Preisentwicklung, sei in der aktuellen Situation machtlos, betonen die Forschenden. „Gegen Preisschocks, insbesondere solche, die aus dem Ausland kommen, hat die EZB keine geeigneten Maßnahmen.“ Zinserhöhungen könnten den Energiepreisanstieg nicht stoppen, stattdessen würden sie die Konjunktur weiter schwächen, was wiederum Arbeitsplätze kosten würde. Dullien und Tober sehen daher die Bundesregierung weiter am Zuge. Zwar habe die Regierung bereits durch die Senkung der EEG-Umlage Anfang des Jahres, ihre Abschaffung im Juli 2022 sowie die Anhebung der Pendlerpauschale und die Heizkostenzuschüsse an Geringverdienende einzelne Gegenmaßnahmen ergriffen.

„Allerdings ist inzwischen abzusehen, dass diese Entlastungen angesichts des sich abzeichnenden massiven weiteren Energiepreisschubs nicht ausreichend sind, um die Belastungen insbesondere von Haushalten mit niedrigen und mittleren Einkommen angemessen abzufedern“, so die Fachleute des IMK.

Bei der Wahl weiterer Entlastungsschritte solle die Politik berücksichtigen, „dass die drastische Verteuerung von Gas und Erdöl durch den Ukraine-Krieg nicht nur einen neuen Schub bekommen hat, sondern auch eine neue Dimension. Diese fossilen Energieträger müssen nun nicht nur aus klimapolitischen Gründen möglichst sparsam verwendet werden, sondern auch um die Abhängigkeit Deutschlands insbesondere von russischem Gas zu verringern“, schreiben Dullien und Tober.

Aus diesem Grund sei etwa eine staatliche Subventionierung für einen Grundsockel des häuslichen Gasverbrauchs einer allgemeinen Senkung der Energiesteuern beziehungsweise der Mehrwertsteuer überlegen. So könnte der Staat beispielsweise für die ersten 8.000 Kilowattstunden Gas, die Haushalte beziehen, den Preis auf dem aktuellen Niveau festschreiben und die Versorgungsunternehmen für eigene Mehrkosten entschädigen. Das würde ungefähr dem halben Jahresverbrauch einer Wohnung mit 100 Quadratmetern entsprechen. Mit diesem Modell einer teilweisen Gaspreisdeckelung ließen sich drei Ziele erreichen: Sie würde viele Haushalte entlasten, die gemessene Inflationsrate senken und gleichzeitig den Anreiz für einen sparsamen Verbrauch aufrechterhalten.             

Informationen zum Inflationsmonitor

Für den IMK Inflationsmonitor werden auf Basis der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe (EVS) des Statistischen Bundesamts die für unterschiedliche Haushalte typischen Konsummuster ermittelt. So lässt sich gewichten, wer für zahlreiche verschiedene Güter und Dienstleistungen – von Lebensmitteln über Mieten, Energie und Kleidung bis hin zu Kulturveranstaltungen und Pauschalreisen – wie viel ausgibt und daraus die haushaltsspezifische Preisentwicklung errechnen. Die Daten zu den Haushaltseinkommen stammen ebenfalls aus der EVS. Im Inflationsmonitor werden neun repräsentative Haushaltstypen betrachtet: Paarhaushalte mit zwei Kindern und niedrigem (2000-2600 Euro), mittlerem (3600-5000 Euro), höherem (mehr als 5000 Euro) monatlichem Haushaltsnettoeinkommen; Haushalte von Alleinerziehenden mit einem Kind und mittlerem (2000-2600 Euro) Nettoeinkommen; Singlehaushalte mit niedrigem (unter 900 Euro), mittlerem (1500-2000 Euro), höherem (2000-2600 Euro) und hohem (mehr als 5000 Euro) Haushaltsnettoeinkommen sowie Paarhaushalte ohne Kinder mit mittlerem Haushaltsnettoeinkommen zwischen 3600 und 5000 Euro monatlich.
         
Der IMK Inflationsmonitor wird monatlich aktualisiert.

Quelle: Hans-Böckler-Stiftung vom 15.03.2022

Redaktion: Pia Kamratzki

Back to Top