Sozialforschung

Kein direkter Zusammenhang zwischen Ungleichheit und Vertrauensverlust

Gefährden wachsende Einkommensunterschiede in einer Gesellschaft das Vertrauen der Bürger untereinander und damit den sozialen Zusammenhalt? Jüngste Forschungen scheinen diese populäre Ansicht zu untermauern. Eine Studie der Universität Luxemburg widerspricht dem jedoch.

04.02.2015

Wie eine Untersuchung von Ökonomen der Universität Luxemburg zeigte, kann der vermeintliche Zusammenhang zwischen Einkommensungleichheit und Vertrauensverlust auf viele andere Gründe zurückgeführt werden. "Wir fanden einige vorher wenig beachtete Elemente, die für den direkten Zusammenhang verantwortlich sein könnten", so Dr. Javier Olivera von der Universität Luxemburg. Der Wissenschaftler untersuchte ausführliche Daten des "European Social Survey" über Einstellungen, Überzeugungen und Verhaltensmustern von rund 270.000 Personen über eine zehnjährige Zeitspanne (2002 bis 2012) in 34 europäischen Ländern.

Dabei fand auch er zunächst einen Zusammenhang zwischen wachsender Einkommensungleichheit und generellem Verlust von Vertrauen. Mit Hilfe hoch entwickelter statistischer Verfahren gelang es ihm jedoch, andere beeinflussende Faktoren aus der Analyse zu nehmen. Das Ergebnis: Es besteht kein direkter Zusammenhang zwischen Einkommensungleichheit und dem Vertrauensniveau in einer Gesellschaft.

Vertrauensverlust durch Gegebenheiten und Einstellungen der Menschen

Was Vertrauen hingegen mit Abstand am meisten beeinflusste, waren Annahmen über die Werte einer Gesellschaft. "Gewiss beobachtet man in Skandinavien eine große Einkommensgleichheit und starkes Vertrauen und das Gegenteil in Griechenland, Spanien und Portugal. Meine Untersuchung zeigt jedoch, dass das eine nicht Ursache des anderen ist", erklärt Dr. Olivera. "Der Zusammenhang könnte vielmehr auf die Gegebenheiten und die Einstellungen der Menschen gegenüber Einrichtungen, sozialen Normen, dem Rechtssystem, der Kultur oder der Politik zurückzuführen sein."

So hänge Vertrauen auch davon ab, wie gesellschaftliche Ereignisse wahrgenommen werden. Zum Beispiel könnten hohe Kriminalitätsraten und eine schlechte nationale Wirtschaftsleistung zu Vertrauensverlust innerhalb der Gesellschaft führen.

Weiterer Forschungsbedarf

Dr. Olivera räumt ein, dass weitere Forschungsarbeiten nötig sind, um Schlussfolgerungen über einen längeren Zeitraum als die hier untersuchten zehn Jahre zu bestätigen. "Dieser Artikel ist kein abschließender Beweis, aber er lässt starke Zweifel an der Ansicht aufkommen, dass Vertrauen und Einkommensungleichheit eng verknüpft sind", so Dr. Olivera abschließend.

Quelle: Universität Luxemburg vom 28.01.2015

Redaktion: Kerstin Boller

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