Flucht und Migration
"Grenzüberschreitende Prozesse bestimmen den Alltag in der Jugendhilfe"
Der Hildesheimer Professor für Sozialpädagogik Gunther Graßhoff weist darauf hin, dass grenzüberschreitende Prozesse den Alltag in der Jugendhilfe bestimmen und Fachkräfte darauf vorbereitet werden müssen.
04.05.2015
Mittlerweile ist etwa jedes zehnte Kind in einem Heim als minderjähriger Flüchtling ohne Eltern nach Deutschland gekommen. Der Professor für Sozialpädagogik lehrt seit einem Jahr an der Universität Hildesheim, sein Blick endet nicht an den Grenzen von Deutschland: "Armut und die Flüchtlingsthematik sind keine Entwicklungen, die an den Grenzen halt machen. Wir beschreiben uns als ein Einwanderungsland." Der Blick auf den Alltag etwa in Hildesheim zeige: Kinder kommen ohne Eltern als Flüchtlinge nach Deutschland. Diese Vielfalt sei kein akademischer Diskurs, "sondern bestimmt die Realität und den Arbeitsalltag von Sozialpädagogen – wie auch Lehrern – jeden Tag".
Wissenschaftler am Institut für Sozial- und Organisationspädagogik bilden in Bachelor- und Masterstudiengängen etwa 500 Fachkräfte aus. Sie sprechen von "transnationaler sozialer Unterstützung", in einem DFG-Graduiertenkolleg untersuchen Nachwuchswissenschaftler zurzeit, wie Jugendliche, Paare, Erwachsene und ältere Menschen über Ländergrenzen hinweg aufwachsen, lernen, leben und arbeiten. Im Forschungspraktikum befassen sich Studierende der Sozial- und Organisationspädagogik aktuell zum Beispiel mit dem Alltag von Flüchtlingen. Sie untersuchen, wie Kinder und Jugendliche in dieser Situation aufwachsen, etwa in Flüchtlingsheimen in Niedersachsen.
Ganztagsschulen und ihre Öffnung zu nicht-schulischen Institutionen und Sozialräumen
Professor Gunther Graßhoff sucht die Nähe zum Schulalltag, das ist eher ungewöhnlich für einen Sozialpädagogen. Er beschäftigt sich in der Forschung mit Ganztagsschulen und mit der Öffnung zu nicht-schulischen Institutionen und Sozialräumen. Ganztagsschule funktioniere nur in der Kooperation mit außerschulischen Partnern, von der Musikschule über den Sportbereich bis zu Umwelteinrichtungen wie Schulbiologiezentren.
"Unterschiedliche Partner werden Teil dieser Ganztagsschule", sagt der Sozialpädagoge über diese Ausweitung von Schule über den ganzen Tag. Zu Beginn habe es große Bedenken gegeben: Wenn Kinder bis um 17 Uhr in der Schule sind, können sie nicht um 14 Uhr im Jugendzentrum sein. "Für einen Sportverein oder ein Jugendzentrum kann es aber interessant sein, Angebote aufrecht zu erhalten." Zudem haben sie vorher nicht alle Schülerinnen und Schüler erreicht. Wie die Zusammenarbeit zwischen Sozialpädagogen, Lehrern, Schulbegleitern und Erziehern gelingt, untersuchen derzeit Hildesheimer Sozialpädagogen und Erziehungswissenschaftlerinnen in einem Forschungsprojekt.
Bildung findet auch in Jugendzentren statt, sie gestalten Übergänge in Ausbildung und Arbeit mit. Ihre Aufgabe sei weitreichender, als bloß einen Billardtisch in den Raum zu stellen, sagt der Hildesheimer Sozialpädagoge über die Rolle von Jugendzentren in Stadtteilen. Jugendzentren gestalten Freizeit, schaffen Angebote für jene, die wenig Spielräume im kommerziellen Markt der Freizeitgestaltung haben, so Gunther Graßhoff.
Forschungskooperation mit dem Jugendamt
Wenn Jugendliche und deren Familien Unterstützung brauchen, dann werden sie in Jugendämtern – in Form von einer Akte – zu einem Fall. Wie solche Hilfen geplant werden, wollen die Sozialpädagogen der Universität Hildesheim nun gemeinsam mit dem Jugendamt des Landkreises Hildesheim untersuchen. "Wir schauen uns an, wie in der Jugendhilfe Hilfen für Kinder und Jugendliche bearbeitet werden. Wir untersuchen etwa vor Ort in der Fallbearbeitung, wie diese Prozesse ablaufen, wie Diagnosen getroffen und wie Kinder und Jugendliche beteiligt werden. Wir wissen aus der Fachdebatte, dass die Beteiligung der Jugendlichen entscheidend ist für das Gelingen der Hilfen", sagt Gunther Graßhoff.
Weiterführende Informationen
- Interview mit Prof. Gunther Graßhoff: <link http: www.uni-hildesheim.de neuigkeiten grenzueberschreitende-prozesse-bestimmen-den-alltag-in-der-jugendhilfe external-link-new-window interview mit prof. gunther>"Grenzüberschreitende Prozesse bestimmen den Alltag in der Jugendhilfe"
- Öffentliche Vorlesung: Prof. Gunther Graßhoff spricht über Partizipation und Verstehen in der sozialpädagogischen Forschung und wie junge Menschen selbst an Forschungsprojekten beteiligt werden können. Die Vorlesung beginnt am Mittwoch, 6. Mai 2015, um 18:15 Uhr in der Aula am Bühler Campus der Uni Hildesheim. Interessierte sind herzlich willkommen.
Quelle: Stiftung Universität Hildesheim vom 04.05.2015
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