Kindheitsforschung

Meins oder deins? Studie zum Verständnis für Eigentum bei Kindern

Kinder haben schon sehr früh Respekt vor dem Eigentum anderer Kinder. Das zeigt eine Studie von Dr. Patricia Kanngießer und Prof. Dr. Daniel Haun von der Universität Leipzig. Die Wissenschaftler des Leipziger Forschungszentrums für frühkindliche Entwicklung haben die Studie zusammen mit Forschenden der University of California in San Diego, der Duke University in Durham und des Max-Planck-Instituts für Evolutionäre Anthropologie in Leipzig durchgeführt und ihre Ergebnisse in der Fachzeitschrift „Developmental Psychology“ veröffentlicht.

22.08.2019

Was hält uns davon ab, anderen ihr Eigentum zu nehmen? Vor allem, wenn sie gerade nicht in der Nähe sind? Und obwohl man dadurch seinen eigenen Besitz vergrößern könnte? Es ist der Respekt vor dem Eigentum anderer. Dieses Konzept ist in unserer Gesellschaft wesentlich – doch leben schon Kinder danach? Diese Frage stellte sich das Forscherteam aus Deutschland und den USA.

Meins oder deins?

Ziel der Studie war es herauszufinden, inwieweit Kinder im Alter von fünf bis sieben Jahren das Prinzip von Eigentum verinnerlicht haben. Aus vier unterschiedlichen Gesellschaften (Deutschland, Kenia, Namibia und Argentinien) nahmen 152 Kinder teil. In Europa und Nordamerika wurde die Anerkennung von Besitz in der Kindheit bereits ausführlich erforscht. Wie sich das Eigentumsverständnis in anderen Gesellschaften entwickelt, ist bisher wenig bekannt. „Das ist die erste Studie, die sich das Eigentumsverständnis von Kindern aus verschiedenen Gesellschaften in sozialen Interaktionen mit Gleichaltrigen anschaut“, sagt Dr. Patricia Kanngießer. Sie hat aktuell die Vertretungsprofessur für Frühkindliche Entwicklung und Kultur an der Universität Leipzig inne.

Eigentumsverständnis wurde auf spielerische Art untersucht

Die Studie verlief wie folgt: Kinder spielten zusammen mit einem gleichgeschlechtlichen und etwa gleichaltrigen Partner mit bunten Holzperlen, die in unterschiedlichen Farben markiert waren. „Wir haben bei der Entwicklung der Studie stark darauf geachtet, einen kulturfairen Studienablauf zu entwickeln und das Eigentumsverständnis von Kindern auf spielerische Art und Weise zu untersuchen“, erläutert Patricia Kanngießer.

Jedem Kind wurde zu Beginn eine Farbe zugewiesen. Die Partner warfen dann die Holzperlen in eine Murmelbahn und am Ende der Murmelbahn vermischten sich alle Perlen in einer Schale. Die Kinder erhielten die Aufgabe, „ihre“ Murmeln aus der Schale zu nehmen, um sie später mit nach Hause zu nehmen. „Die Murmelbahn kam sehr gut an und die Kinder hatten viel Spaß dabei. Manchmal wollten sogar ältere Kinder oder Lehrer die Murmelbahn ausprobieren. Mit ihren Perlen konnten Kinder sich am Ende Ketten auffädeln und mit nach Hause nehmen, sodass es wirklich um etwas ging“, führt Dr. Kanngießer aus.

Die Studie fand unter unterschiedlichen Bedingungen statt. Bei einigen Durchläufen nahmen beide Kinder gleichzeitig ihre Perlen, bei anderen, weiteren Durchläufen war nur jeweils ein Kind im Raum und der Partner wartete vor der Tür. Die Kinder hatten somit die Möglichkeit, die Perlen ihres Partners zu nehmen, ohne dass dieser davon etwas bemerkte.

Grundverständnis basiert auf gesellschaftlichen Eigentumsregeln

„Wir können zeigen, dass sich ein Grundverständnis von persönlichem Eigentum und dem Respekt vor dem, was Anderen gehört, im sozialen Miteinander zeigt. Dieser Grundrespekt kann soziale Konflikte in direkten Interaktionen verhindern und ist wichtig für unser alltägliches Zusammenleben“, erklärt Dr. Kanngießer die Ergebnisse. „In Abwesenheit des Partners variierte das Verhalten stärker zwischen den unterschiedlichen Gesellschaften, die wir in unserer Studie untersucht haben.“ Kinder aus Deutschland achteten beispielsweise sehr darauf, nur ihre eigenen Perlen zu nehmen. Kinder aus der Gruppe einer indigenen Volksgruppe in Namibia (≠Akhoe Hai||om) nahmen sich auch einige Male die Perlen anderer Kinder. Sie sind Angehörige einer Jäger-Sammler-Gruppe, in der es kaum persönliche Besitztümer gibt und das Teilen von Gütern eine wichtige Rolle spielt.

„Die Studie konnte zeigen, dass Kinder aus verschiedenen Gesellschaften ein Grundverständnis von persönlichem Besitz haben und dieses im sozialen Miteinander zeigen“, resümiert Dr. Patricia Kanngießer. „Neben persönlichem Besitz existieren natürlich unterschiedliche Eigentumsregelungen weltweit – ein spannendes Feld für zukünftige Forschung.“

Quelle: Leipziger Forschungszentrum für frühkindliche Entwicklung vom 15.08.2019

Redaktion: Kerstin Boller

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