Jugendforschung

Thüringen: LBS-Kinderbarometer untersucht Wohlbefinden von 9- bis 14-Jährigen

Kinder in Thüringen fühlen sich mehrheitlich "gut". Aber schon in den vierten bis siebten Klassen machen Leistungsdruck und Stress Schülern zu schaffen: Für jedes achte Kind zwischen 9 und 14 Jahren ist die Schule kein Ort, an dem es sich wohl fühlt.

29.01.2010

Fast ein Drittel der Schülerinnen und Schüler hat bereits Erfahrungen mit schulischer Überforderung; jedes zehnte Kind fühlt sich sogar permanent überfordert von den Erwartungen der Lehrerinnen und Lehrer. Das sind Ergebnisse des LBS-Kinderbarometers 2009, dessen Länderbericht Thüringen heute vom Thüringer Ministerium für Soziales, Familie und Gesundheit sowie dem Deutschen Kinderschutzbund in Erfurt vorgestellt wurde.

"Für uns ist es besonders interessant von den Kindern selbst zu erfahren, wie gut oder schlecht sie sich in der Schule fühlen", erläutert Martina Reinhardt, Referentin für Jugendpolitik im Thüringer Sozialministerium. Das LBS-Kinderbarometer wird mit finanzieller Förderung der LBS-Initiative "Junge Familie" seit 1997 vom ProKids-Institut für Sozialforschung der PROSOZ Herten GmbH erhoben. Die Studie hat das Ziel, Kinder als Experten für ihre eigene Lebenswelt zu befragen und ihnen so eine gleichberechtigte Stimme in der Äffentlichkeit zu verleihen. Im Winter 2008/2009 wurden rund 10.000 Kinder aus der gesamten Bundesrepublik befragt - darunter 457 Thüringer Schülerinnen und Schüler. Die Studie ist damit für auch für das Bundesland Thüringen repräsentativ.

Im Zentrum des LBS-Kinderbarometers steht die Frage nach dem Wohlbefinden der Kinder - und das ist laut dem Länderbericht Thüringen im Allgemeinen klar im positiven Bereich (Mittelwert 5,5 auf einer 7-stufigen Skala). Besonders gut fühlen sich Kinder in der Familie und im eigenen Freundeskreis. Auch in der Schule ist das Wohlbefinden der meisten Kinder positiv. Aber immerhin 12 % der Befragten fühlen sich unwohl. "Dies ist umso bedenklicher, weil der Lebensbereich Schule für Kinder besonders wichtig ist und sich Unwohlsein hier auch auf andere Lebensbereiche negativ auswirkt: Wer sich in der Schule schlecht fühlt, fühlt sich auch allgemein viel weniger wohl", erklärt Diplom-Psychologin Anja Beisenkamp vom ProKids-Institut, die Leiterin der Studie. Den betroffenen Kindern gelingt es selten, ihr Unwohlsein in anderen Bereichen zu kompensieren. Oftmals kann auch die Familie negative Erlebnisse in der Schule nicht ausgleichen.

Stresssymptome bei Kindern weit verbreitet

Im für Thüringen repräsentativen Länderbericht des LBS-Kinderbarometers wurden auch Fragen zur körperlichen und psychischen Gesundheit ausgewertet, die weitere Hinweise auf Leistungsdruck geben: Bereits bei Kindern zwischen 9 und 14 sind Stresssymptome offenbar weit verbreitet - am häufigsten Kopfschmerzen (37 %) oder Bauchschmerzen (20 %) in Drucksituationen. Insgesamt reagiert mehr als die Hälfte der Kinder mit Kopf- oder Bauchschmerzen auf Stress. Bedenklich erscheint es, dass mehr als jedes zweite Kind in die Schule geht, obwohl es sich krank fühlt und eigentlich lieber zu Hause bleiben sollte. "Das zeigt eine gewisse Hilflosigkeit, die wir ernst nehmen sollten", sagte Prof. Dr. Ronald Lutz, Vorstandsvorsitzender des Deutschen Kinderschutzbundes in Thüringen. "Offenbar fehlen betroffenen Kindern Zugänge zu Hilfemöglichkeiten - wie etwa Schulsozialarbeiter, die bislang nicht an allen Schulen ausreichend vorhanden sind."

Druck in der Schule - Angst vor dem Versagen?

Die Selbsteinschätzung der Kinder zeigt, dass ein nicht zu vernach-lässigender Teil von ihnen (18 %) Schwierigkeiten in der Schule hat: Jedes achte Kind kommt nur manchmal in der Schule zurecht, 6 % haben ernsthafte Probleme. Keine Seltenheit ist dementsprechend die Angst vor Klassenarbeiten, oder vor dem Sitzenbleiben, die immerhin 16 % der Kinder häufig beschäftigt. Insgesamt halten nur 40 % der Kinder die Lernatmosphäre in der Schule für "stressfrei". Mehr als jedes dritte Schulkind findet keine regelmäßige Unterstützung durch Lehrerinnen und Lehrer bei schulischen Problemen - und dieses Defizit wirkt sich negativ auf das schulische Wohlempfinden aus.

Ansatzpunkte für Verbesserungen

"Das LBS-Kinderbarometer unterstreicht, dass die meisten Kinder in Thüringen den Bereich Schule als positiv erleben. Aber ebenso deutlich werden Ansatzpunkte für Verbesserungen: zum Beispiel mehr Unterstützung durch Lehrerinnen und Lehrer, das Vorhandensein und die Bekanntheit von Hilfsangeboten in der Schule, eine stressfreie Lernatmosphäre oder verstärkte Bemühungen, Kindern die Angst vor dem Sitzenbleiben zu nehmen", sagt DKSB-Vorsitzender Prof. Dr. Lutz. Auch das soziale Klima in der Klasse ist wichtig, ergänzt Anja Beisenkamp vom ProKids-Institut: Eine starke Cliquenbildung wirkt sich negativ auf das Wohlbefinden in der Schule aus und lässt den Leistungsdruck noch stärker hervortreten.

Kinder brauchen Sensibilität für ihre Belange

Nur selten geht der Druck, den manche Kinder in der Schule verspüren, von den Eltern aus: In der Regel empfinden Thüringer Kinder das Interesse der Eltern an ihren Belangen als genau richtig. Nur zehn Prozent der Kinder reagieren genervt, wenn sie von ihren Eltern auf ihr Wohlbefinden angesprochen werden. Gerade angesichts hoher Erwartungen benötigen offenbar manche Kinder mehr Achtsamkeit: Mehr als ein Drittel der Kinder erkennt nicht von selbst, wann sie eine Pause benötigen. Ein Viertel kann nicht allein mit psychischem Unwohlsein umgehen.

Nicht immer erkennen Erwachsene die Bedürfnisse der Kinder richtig: 13 % der Befragten gaben an, dass ihre Eltern es ihnen nicht ansehen, wenn es ihnen nicht gut geht. Und nur bei jedem zweiten Kind spüren Mutter oder Vater regelmäßig, wann es eine Pause braucht. Wie wichtig das richtige Maß an Achtsamkeit ist, zeigt ein anderer Zusammenhang: "Wenn Eltern auf gute Ernährung, auf genügend Pausen, auf die Dauer der Hausaufgaben und andere schulische Belange achten, werden sie von ihren Kindern auch als sensibler im Hinblick auf den Gemütszustand der Kinder erlebt", erklärt Anja Beisenkamp. Diese Faktoren wirken sich zudem positiv auf das allgemeine Wohlbefinden der Kinder aus. 

Quelle: PM HELABA Landesbank Hessen-Thüringen vom 27.01.2010

Back to Top