Langzeitstudie

In Armut lebende Familien profitieren von Frühen Hilfen

Der Fachbereich Sozialwesen der Ernst-Abbe-Hochschule Jena kam anhand einer durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderten Langzeitstudie zu dem Ergebnis, dass von Armut betroffene Familien davon profitieren, dass frühzeitig unterstützende Hausbesuche angeboten werden.

06.10.2021

Teilnehmerinnen dieser Studie eines Projektes des Fachbereiches Sozialwesen wurden dabei ab der 36. Schwangerschaftswoche bis zum zweiten Geburtstag des Kindes kontinuierlich durch speziell geschulte Hebammen oder Sozialpädagoginnen unterstützt und mit Teilnehmerinnen verglichen, die keine Unterstützung in Form von Hausbesuchen erhielten. Teilnehmerinnen, bei denen Hausbesuche stattfanden berichteten nun, zum Zeitpunkt des 7. Lebensjahres ihres Kindes, von geringeren Problemen hinsichtlich der eigenen psychischen Gesundheit und einer insgesamt höheren Lebenszufriedenheit. Zudem berichteten diese Mütter auch von deutlich reduzierten Raten elterlicher Gewalt, Kindesvernachlässigung sowie kindlicher Verhaltensauffälligkeiten und emotionaler Probleme.

Für den Projektleiter Prof. Dr. Sören Kliem liegt die Relevanz dieser Ergebnisse klar auf der Hand: „Kindesmisshandlung und Kindesvernachlässigung müssen als Hauptrisikofaktoren für eine ungünstige gesundheitliche Entwicklung von Kindern bewertet werden. Die hiermit verbundenen langfristigen Gesundheitskosten sind enorm. Eltern wollen in der Regel nur das Beste für ihre Kinder. Misshandlung und Vernachlässigung entstehen nicht aus Böswilligkeit, sondern aus Überforderung und mangelnder Unterstützung. Genau hier setzen Frühe Hilfen an und bieten von Anfang an eine wichtige Unterstützung für die von Armut betroffenen Familien. Die positiven Ergebnisse der Studie lassen vermuten, dass eine weitreichende Einführung solcher Frühförderprogramme neben der Verhinderung von subjektivem Leid auch zu hohen Einsparungen im Gesundheitsbereich beitragen könnte. Frühe und nachhaltige Unterstützung von in Armut lebenden Familien ist daher nicht als Kostenpunkt zu verhandeln, sondern sollte als eine sinnvolle und nachhaltige Investition öffentlicher Gelder verstanden werden.“

Über das Projekt

Hausbesuchsprogramme erscheinen auf Basis internationaler Studienbefunde als ein erfolgversprechender Ansatz, um werdende Familien nachhaltig zu unterstützen. So zeigen verschiedene Metaanalysen, dass diese frühen Präventionsmaßnahmen die Gesundheit von Kindern und Müttern nachhaltig verbessern, elterliche Erziehungskompetenzen positiv beeinflussen, sich positiv auf die allgemeine kindliche Entwicklung auswirken und Kindesmisshandlung sowie -vernachlässigung effektiv vorbeugen können. Obgleich Hausbesuchsprogramme in Europa eine lange Tradition aufweisen, stammt der überwiegende Anteil der wissenschaftlichen Befunde aus den USA. Dort hat sich insbesondere mit dem Nurse Family Partnership Program (NFP) ein primärpräventives Programm nachhaltig etabliert. In Deutschland wurde mit dem Modellprojekt „ProKind“ die deutsche Adaption des NFP-Programms von 2006 bis 2012 in den drei Bundesländern Bremen, Niedersachsen und Sachsen erfolgreich implementiert. Das Modellprojekt wird seit dem Jahr 2006 im Rahmen eines multizentrischen randomisiert kontrollierten Längsschnitt wissenschaftlich begleitet.

Ziel des vorliegenden Forschungsvorhabens ist eine Nacherhebungsuntersuchung der abgeschlossenen Evaluation des Primärpräventionsprogramms „ProKind“, welches bereits in mehreren Kommunen in die Regelversorgung aufgenommen wurde (Braunschweig, Bremen, Bremerhaven). Durch die Nacherhebung soll die langfristige Wirksamkeit des „Pro Kind“-Programms bei Jugendlichen im Alter von etwa 13 Jahren und deren Müttern evaluiert werden. Gemeinsam mit dem Institut für Arbeitsmarkt und Berufsforschung (IAB), dem Leibniz-Institut für Präventionsforschung und Epidemiologie und der Universität Siegen soll überprüft werden, ob es sich bei dem „Pro Kind“-Programm um eine effiziente Gesundheitspräventionsmaßnahme handelt, die nicht nur durch die Kinder- und Jugendhilfe getragen, sondern auch durch das öffentliche Gesundheitssystem finanziert werden sollte.

Quelle: Ernst-Abbe-Hochschule Jena vom 13.09.2021

Redaktion: Pia Kamratzki

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