Familienforschung

Eltern junger Kinder während der Corona-Pandemie deutlich unzufriedener als zuvor

Eltern galten in den vergangenen Wochen und Monaten oftmals als die Hauptleidtragenden in der Corona-Krise ­– lange Zeit mangelte es jedoch an empirischen Studien, die diese These belegen. Eine Untersuchung des Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) zeigt nun, dass insbesondere Eltern mit Kindern unter sechs Jahren in der Corona-Zeit Lebenszufriedenheit eingebüßt haben.

27.07.2020

Bei ihrer Analyse des Wohlbefindens von Eltern betrachteten die Studienautor(inn)en neben der allgemeinen Lebenszufriedenheit auch die Zufriedenheit mit dem Familienleben und der Kinderbetreuung. Dabei stützten sich die Forscher/-innen für die Corona-Zeit auf die Ergebnisse der von infratest dimap erhobenen Online-Befragung COMPASS. Die mittlere Zufriedenheit lag demnach im Mai und Juni dieses Jahres in allen drei Bereichen niedriger als die im Sozio-oekonomischen Panel (SOEP) ermittelten Werte für das Jahr 2018. Am deutlichsten wird dieser Unterschied bei der Zufriedenheit mit der Kinderbetreuung: Lag der durchschnittliche Wert auf einer Skala von 0 bis 10 für das Jahr 2018 bei 7,2 Punkten, liegt er für den Mai und Juni dieses Jahres bei nur 4,2 Punkten.

Hinsichtlich dieser Beobachtungen sagt C. Katharina Spieß, Leiterin der Abteilung Bildung und Familie am DIW Berlin, die die Studie gemeinsam mit Mathias Huebener, Nico Siegel und Gert G. Wagner verfasst hat: „Gerade in sehr jungem Alter spielt das Wohlbefinden der Eltern eine große Rolle für die Entwicklung der Kinder, weshalb die Belange und Probleme von Familien in künftigen Krisensituationen von Anfang an einbezogen werden sollten."

Eltern von Kindern im Kita-Alter mit größten Zufriedenheitsverlusten

Die Studienautor(inn)en weisen darauf hin, dass der Vergleich von 2018 und 2020 nur eingeschränkt möglich ist, da die unterschiedlichen Erhebungssituationen die Ergebnisse beeinflussen können. Deshalb liegt der Fokus der Untersuchung darauf, wie sich die Zufriedenheit einzelner Elterngruppen zum Zeitpunkt der jeweiligen Messung in den Jahren 2018 und 2020 von der durchschnittlichen Zufriedenheit abhebt. Dabei fällt auf, dass die Gruppe der Eltern mit Kindern im Kita-Alter, die 2018 am zufriedensten war, in der Betrachtung zu Corona-Zeiten nur noch knapp über dem Durchschnitt liegt. Somit ist die Zufriedenheit in dieser Gruppe relativ am stärksten zurückgegangen. „Der Wegfall von institutionellen Betreuungs- und Bildungsangeboten scheint Eltern von Kindern in einem Alter von unter sechs Jahren am härtesten zu treffen“, sagt Studienautor Mathias Huebener, Bildungsökonom am DIW Berlin.

Jede zweite Mutter empfindet die Maßnahmen als sehr einschränkend

Die selbe Methode ermöglicht auch differenzierte Aussagen zu Geschlechterunterschieden bei der Zufriedenheit: Es zeigt sich, dass vor allem Mütter von einer geringeren Zufriedenheit mit ihrem Leben berichten. Das Wohlbefinden von Vätern scheint weniger beeinträchtigt, ­die Mittelwertabweichungen für 2018 und 2020 unterscheiden sich kaum. „Diese Ergebnisse unterstützen die Vermutung, dass die zusätzlichen Belastungen öfter von Müttern getragen werden“, so Spieß. Auch bei Unterscheidung nach dem Bildungsniveau der Eltern zeigen sich Veränderungen: Waren Eltern mit Abitur vor Corona wesentlich zufriedener als Eltern mit niedrigeren Schulabschlüssen, lässt sich für den Beobachtungszeitraum im Mai und Juni dieses Jahres eine deutliche Verringerung dieser Unterschiede feststellen.

Kita- und Schulschließungen sind große Einschränkung

Darüber hinaus gibt die COMPASS-Erhebung konkrete Hinweise darauf, dass die im Zuge der Corona-Pandemie angeordneten Kita- und Schulschließungen unmittelbar Einfluss auf die Zufriedenheit von Eltern hatten. So gaben 44 Prozent aller Befragten mit Kindern im Kita-Alter an, diese Maßnahmen als sehr einschränkend zu empfinden. Betrachtet man nur von Kita-Schließungen betroffen Mütter, steigt der Anteil sogar auf 52 Prozent.

Die Studienautor(inn)en empfehlen, ihre Ergebnisse in die Bewertung der Corona-Maßnahmen einfließen zu lassen. „Die Maßnahmen und das dadurch veränderte Leben während der Corona-Pandemie hatten einen klar erkennbaren Einfluss auf das Wohlbefinden von Familien und auf deren Lebenszufriedenheit“, resümiert Huebener, „in Zukunft sollten ExpertInnen aus der Familien- und Bildungspolitik frühzeitig in Krisenstäbe eingebunden werden, um die Perspektive der Familien angemessen zu berücksichtigen."

Quelle: Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) vom 22.07.2020

Redaktion: Kerstin Boller

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