Bildungsforschung

UNESCO-Weltbildungsbericht zu Flucht und Migration: Entwicklungen in Deutschland

Bildung für Geflüchtete und Migranten kommt allen zugute. Das Autorenteam des UNESCO-Weltbildungsberichts 2019 hebt die vielfältigen Maßnahmen bei der Integration von Geflüchteten und Migranten in Deutschland positiv hervor, sieht jedoch auch Verbesserungsbedarf bei der Chancengerechtigkeit im deutschen Bildungssystem.

22.11.2018

Kindern von Geflüchteten sowie Migrantinnen und Migranten wird das Recht auf Bildung, von hochwertiger Bildung ganz zu schweigen, in vielen Ländern der Welt noch immer nicht hinreichend gewährt. Einige Regierungen verweigern dies gänzlich. Das stellt der Weltbildungsbericht unter dem Titel „Migration, Flucht und Bildung: Brücken bauen statt Mauern“ fest, der am 20. November im Auswärtigen Amt in Berlin vorgestellt wurde.

Deutschland hat bereits viel erreicht

Die Präsidentin der Deutschen UNESCO-Kommission Prof. Dr. Maria Böhmer erklärt: „Deutschland hat bei der Integration von Geflüchteten in das Bildungswesen bereits viel erreicht. Eine umfangreiche Sprachförderung, die Möglichkeit der Anerkennung von Qualifikationen für den Arbeitsmarkt sowie zahlreiche Unterstützungsprogramme für Geflüchtete in Deutschland zeigen, dass wir unsere Verpflichtung, hochwertige und chancengerechte Bildung gemäß der Globalen Nachhaltigkeitsagenda sicherzustellen, sehr ernst nehmen. Und wir sehen: Das kommt allen in Deutschland lebenden Kindern und Jugendlichen zugute! Dennoch stehen wir weiterhin vor großen Herausforderungen.“

Investitionen in Sprachförderung zahlen sich aus

Der Weltbildungsbericht zeigt, dass die Sprachförderung von Geflüchteten in Deutschland überdurchschnittlich ist. Deutschland hat seine Mittel hier aufgestockt und stellt unter anderem zusätzlich 800 Millionen Euro für den Zeitraum 2016-2020 für die sprachliche Bildung in Kindertagesstätten durch den Bund zur Verfügung. Diese kommen zu den Mitteln der Länder hinzu.

„Die großen Investitionen in die Sprachförderung zahlen sich aus, denn Sprache ist der Schlüssel für unser Bildungssystem und unsere Gesellschaft“, betont Böhmer. Geflüchtete mit guten Deutschkenntnissen, Lese- und Schreibfertigkeiten haben laut Weltbildungsbericht eine um 19 Prozentpunkte höhere Chance auf Beschäftigung und 18 Prozent höhere Löhne. Sprachkenntnisse sind auch mit einem besseren Zugang zu Bildungs-, Gesundheits- und Rechtsdienstleistungen verbunden.

Die jüngste Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung zeigt aber auch, dass vielen Geflüchteten in Deutschland die für Ausbildungsabschlüsse oder Aufstieg im Beruf notwendigen Sprachkenntnisse fehlen. „Hier müssen wir besser werden“, fordert Böhmer.

Anerkennung von beruflichen Qualifikationen ist richtungsweisend

Der Weltbildungsbericht unterstreicht auch, dass Deutschland weltweit herausragt bei der Anerkennung der beruflichen Qualifikationen von Flüchtlingen und Migranten. Die Bundesregierung hat im Jahr 2012 das Anerkennungsgesetz beschlossen, das die Anerkennung oder Teilanerkennung ausländischer Berufsqualifikationen unabhängig vom Aufenthaltsstatus oder der Staatsangehörigkeit ermöglicht. Dies erhöhe die Wahrscheinlichkeit einer Beschäftigung von Zuwanderern um 45 Prozentpunkte und den Stundenlohn um 40 Prozent, so die Autoren des UNESCO-Weltberichts.

Weitere Investitionen in Bildung und Ausbildung notwendig

„Auch bei der beruflichen Bildung sind wir auf dem richtigen Weg. Verlässliche Unterstützungsstrukturen von Bund, Ländern und Kommunen helfen schon jetzt, Flüchtlinge in Ausbildung und Beschäftigung zu bringen. Ich wünsche mir, dass die jungen Migrantinnen und Migranten die bestehenden Chancen noch beherzter ergreifen.“ Deutlich sei aber auch, dass fehlende Qualifikationen noch immer ein Hindernis für viele Geflüchtete auf dem Weg in eine Erwerbstätigkeit sind. „Hier müssen wir weiter in Bildung und Ausbildung investieren und Angebote so weiterentwickeln, dass sie für alle Jugendlichen und jungen Erwachsenen ein Gewinn sind. Besonders im Blick haben müssen wir dabei Mädchen und junge Frauen, denn sie haben bisher die größten Schwierigkeiten, in der deutschen Arbeitswelt Fuß zu fassen“, so Böhmer.

Ehrenamtliches Engagement hilft

Menschen in ganz Deutschland engagieren sich mit hohem Einsatz für die Integration von Geflüchteten. Das kommt auch dem Bildungsbereich zugute. Böhmer erklärt: „Ich beobachte, dass die Bereitschaft in der Bevölkerung, bei Spracherwerb, Erreichen von Bildungsabschlüssen und einer Ausbildung zu helfen, enorm groß und eine riesige Hilfe ist. Gerade bei der Vermittlung von informellen Informationen zu Bildung und Beruf ist dies sehr wertvoll. Ich danke den vielen Engagierten für ihren großen Einsatz.“

Hindernisse für Integration von Geflüchteten und Migranten

Aus dem Weltbildungsbericht geht hervor, dass 30 Prozent der unbegleiteten Minderjährigen unter 16 Jahren in Deutschland in Sonderprogrammen außerhalb von Regelschulklassen untergebracht wurden. Fast 85 Prozent der über 16-jährigen unbegleiteten Minderjährigen besuchten Sonderklassen. Die Sonderklassen vermitteln essenzielle Qualifikationen, insbesondere Sprachkenntnisse, für den Einstieg in die Regelschulklassen. Wichtig ist, dass eine möglichst rasche Eingliederung in Regelschulklassen erfolgt. „In Deutschland müssen wir sehr aufmerksam beobachten, wie sich dieses Angebot auf den Schulerfolg auswirkt“, betont Böhmer.

Manos Antoninis, Direktor des Weltbildungsberichts, erklärt: „Separierende Maßnahmen in Ländern mit hohem Einkommen von Frankreich bis Österreich und Deutschland verstärken die Benachteiligung von Einwanderern und Flüchtlingen weiter. Es hat keinen Vorteil, Einwanderer oder Flüchtlinge unterschiedlich zu behandeln. Deutschland ist stark in vielen anderen Bereichen. Das gemeinsame Lernen aller muss die nächste Aufgabe sein, der sich das Land stellt.“

Hintergrundinformationen

Der UNESCO-Weltbildungsbericht evaluiert jährlich die Fortschritte der Welt bezüglich der Umsetzung des Globalen Nachhaltigkeitsziels 4: „Bis 2030 für alle Menschen inklusive, chancengerechte und hochwertige Bildung sowie Möglichkeiten zum lebenslangen Lernen sicherstellen.“ Die Deutsche UNESCO-Kommission, das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und das Auswärtige Amt geben eine deutsche Kurzfassung des Berichts (PDF, 4 MB) heraus.

Quelle: Deutsche UNESCO-Kommission vom 20.11.2018

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