Bildungsforschung
Studie: Anteil von Jugendlichen ohne Hauptschulabschluss schwankt stark zwischen Ost und West
Der Hauptschulabschluss gilt in Deutschland als Basis für eine Lehrstelle und den anschließenden Berufseinstieg - die Chancen von Schülern auf einen solchen Abschluss sind aber regional sehr unterschiedlich verteilt.
08.10.2010
Quelle: sxc/naktouf
Während im Jahr 2008 in Mecklenburg-Vorpommern fast 18 Prozent der Schulabgänger ohne Hauptschulabschluss blieben, waren es in Baden-Württemberg nur rund 5,5 Prozent. Das geht aus einer Studie des Bildungsforschers Klaus Klemm im Auftrag der Bertelsmann Stiftung hervor. Demnach war der Anteil von Schülern ohne Abschluss in den östlichen Bundesländern deutlich höher als in den Westländern. Die Studie weist zudem erstmals auch entsprechende Daten auf Kreisebene aus und stellt dabei ebenfalls gravierende Unterschiede fest.
So blieben im mecklenburgischen Wismar fast ein Viertel der Abgänger ohne Hauptschulabschluss, in den Landkreisen Würzburg und Eichstätt (Bayern) waren es lediglich rund zweieinhalb Prozent. Von den westlichen Bundesländern weisen die Stadtstaaten Hamburg (8,9 Prozent) und Bremen (8,2 Prozent) ebenso wie das Flächenland Schleswig-Holstein im Vergleich hohe Anteile von Schülern ohne Abschluss unter der gleichaltrigen Wohnbevölkerung auf. Im Osten ist Thüringen mit 9,4 Prozent das Land mit dem niedrigsten Anteil. Von den Städten über 500.000 Einwohnern hat Stuttgart bundesweit mit 7,3 Prozent prozentual die wenigsten Betroffenen und Leipzig mit 16,4 Prozent die meisten. Bundesweit hatten 65.000 Schulabgänger (7,5 Prozent) im Jahr 2008 keinen Abschluss.
Gründe für die großen regionalen Unterschiede sind auch die unterschiedlich großen Einzugsgebiete der Städte und Gemeinden und die Zahl der pendelnden Schüler. Die Ergebnisse der Studie bieten aber für die Regionen mit einem hohen Anteil an Jugendlichen ohne Schulabschluss den Anlass, vor Ort nach Lösungen dafür zu suchen. Dr. Jörg Dräger, für Bildung zuständiges Vorstandsmitglied der Bertelsmann Stiftung: "Es ist eine Katastrophe, dass so viele junge Menschen ohne Schulabschluss dastehen - wir brauchen mehr individuelle Förderung in den Schulen und mehr Chancen auf eine anschließende Berufsausbildung."
Der Untersuchung zufolge ist die Situation von Förderschülern besonders alarmierend. Je nach Bundesland erreichen zwischen 57 und 97 Prozent von ihnen keinen Hauptschulabschluss. Als Folge stammt mehr als die Hälfte der Jugendlichen, die in 2008 die Schule ohne Hauptschulabschluss verlassen haben, aus Förderschulen. Knapp 27 Prozent besuchten die Hauptschule, die übrigen 20 Prozent verteilten sich auf andere Schulformen. "Das Aussortieren und die getrennte Unterrichtung von Kindern und Jugendlichen mit besonderem Förderbedarf erzielt nur unzureichende Lernerfolge", stellt Dräger fest, "nötig ist daher der konsequente Umbau in Richtung inklusive Schule." Gemeinsames Lernen auf differenzierten Niveaus nütze nach einschlägigen Untersuchungen allen: "Starke Schüler fallen in inklusiven Schulen nicht in der Leistung ab, erweitern aber ihre sozialen Kompetenzen."
Bei den Hauptschulen ist die Lage dort besonders problematisch, wo die Schüler überwiegend aus sozial schwierigen Milieus stammen. Hier könne das Zusammenlegen unterschiedlich anspruchsvoller Bildungswege weiterhelfen, so Dräger. Er fügt hinzu: "Diese Schulen brauchen aber auch dringend zusätzliche Investitionen - entsprechend müssen wir die finanziellen Mittel vor allem dort einsetzen, wo die Herausforderungen am größten sind."
Der Studie zufolge sind Kinder mit einer ausländischen Staatsangehörigkeit überdurchschnittlich häufig davon betroffen, nach dem Schulbesuch ohne Abschluss dazustehen. Zugleich nimmt in den Schulen die Zahl von Kindern mit ausländischen Wurzeln ständig zu. Dräger: "Unserem Bildungssystem gelingt es nur unzureichend, diese Kinder zum Bildungserfolg zu führen. Wenn wir das ändern wollen, müssen wir früh in gute Kitas und Ganztagsschulen investieren statt spät zu reparieren." Die Schulen könnten dieses Problem aber nicht alleine bewältigen: "Sie brauchen vor Ort die Unterstützung von Politik, Verwaltung und Bürgern."
Jugendliche ohne Schulabschluss sind nur unzureichend auf ihr weiteres Leben und den Eintritt in eine Berufsausbildung vorbereitet. Sie haben geringere Chancen auf einen Ausbildungsplatz, ein höheres Arbeitslosigkeitsrisiko und müssen - sofern sie überhaupt erwerbstätig werden - mit einem niedrigeren Einkommen rechnen. Die hohe Zahl von Jugendlichen ohne Schulabschluss zieht entsprechend auch hohe Kosten nach sich: für jeden Betroffenen, aber auch für die Gesellschaft durch entgangene Steuereinnahmen, nötige Transferleistungen oder den nachträglichen Erwerb eines Abschlusses außerhalb des allgemeinen Schulsystems - eine Möglichkeit, die immerhin rund die Hälfte der Schulabbrecher nutzt. Dräger: "Diese Folgekosten können wir vermeiden, wenn wir in der Schule kein Kind verloren geben und jedes Talent jedes Kindes fördern."
Quelle: Bertelsmann Stiftung
ik
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