Bildungsforschung

Neues Studienergebnis: Jobverlust der Mutter kann Entwicklung ihrer Kinder beeinträchtigen

Verliert eine Mutter ihren Arbeitsplatz, kann dies die Entwicklung ihrer Kinder beeinträchtigen: Eine Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) zeigt, dass Vorschulkinder, deren Mütter ihren Arbeitsplatz verloren haben, sozio-emotional weniger gefestigt sind als andere Kinder.

14.08.2013

Ein weiteres Ergebnis der Studie des DIW Berlins: Jugendliche haben infolge eines Jobverlusts der Mutter eine geringere internale Kontrollüberzeugung, glauben also weniger an ein selbstbestimmtes Leben. „Der Arbeitsplatzverlust der Mutter kann sich langfristig negativ auf den schulischen Erfolg ihrer Kinder auswirken“, erklärt DIW-Bildungsökonomin Frauke Peter. Bei Jugendlichen sei ein geringerer Erfolg am Arbeitsmarkt möglich. „Die Ergebnisse verdeutlichen, dass sich ein Jobverlust nicht nur im Geldbeutel bemerkbar macht“, sagt Bildungsexpertin C. Katharina Spieß. „Bildungs- und Betreuungseinrichtungen wie Kitas und Schulen müssten Kinder aus betroffenen Familien auffangen.“

Effekte bei Vorschulkindern stärker als bei Jugendlichen

Für die Studie, die im aktuellen Wochenbericht des DIW Berlin erschienen ist, haben die DIW-Forscherinnen Datensätze des Sozio-oekonomischen Panels (SOEP) aus den Jahren 2001 bis 2010 ausgewertet. Das sozio-emotionale Verhalten wird gemessen, indem die Mütter beispielsweise Angaben machen, inwiefern ihr Kind konzentrationsfähig ist, Angst und Wutanfälle hat oder ein Einzelgänger ist. Das sozio-emotionale Verhalten zählt zu den nicht-kognitiven Fähigkeiten, die neben kognitiven Fähigkeiten wie der Intelligenz einen entscheidenden Anteil an der kindlichen Entwicklung haben. Die Überzeugung, sein Leben im Griff zu haben, wird als Kontrollüberzeugung bezeichnet. Sie ist ein zentrales Maß für die nicht-kognitiven Fähigkeiten von Jugendlichen, auch für deren späteren Arbeitsmarkterfolg.

Die SOEP-Daten zeigen: Hat die Mutter ihren Arbeitsplatz unfreiwillig verloren, sind ihre fünf- bis sechsjährigen Kinder sozio-emotional labiler. Der entsprechende Wert liegt bei einem Arbeitsplatzverlust mit 12,6 Punkten fast drei Zähler höher im Vergleich zu Kindern, deren Mütter erwerbstätig sind (9,7 Punkte). Die internale Kontrollüberzeugung Jugendlicher ist im Falle eines Jobverlusts der Mutter geringer ausgeprägt (5,6 Punkte) als im Falle einer andauernden Erwerbstätigkeit (5,8 Punkte). „Dies dürfte vor allem an einer geringeren Lebenszufriedenheit der Mütter infolge eines Jobverlusts liegen, die sich dann auf die Kinder auswirkt“, erklärt Peter.

Ergebnisse sind bei Berücksichtigung weiterer Faktoren robust

Um ihre Ergebnisse zu überprüfen, haben die beiden Autorinnen mittels multivariater Regressionsanalysen zusätzliche Faktoren wie die Bildung der Mutter, das Haushaltseinkommen, die regionale Zuordnung in Ost und West beziehungsweise Stadt und Land sowie Migrationshintergründe berücksichtigt. Durch eine spezielle Methode konnten sie zudem einbeziehen, dass der Arbeitsplatzverlust der Mutter mit den nicht-kognitiven Fähigkeiten ihrer Kinder zusammenhängen kann. So könnte Müttern zum Beispiel eher gekündigt werden, wenn sie oft am Arbeitsplatz fehlen, weil ihr Kind häufig krank ist. Ursache dafür, dass das Kind sozio-emotional labiler ist, könnte dann aber seine Krankheit sein und nicht der Arbeitsplatzverlust der Mutter.

Selbst bei Berücksichtigung solcher Möglichkeiten und Faktoren bestätigen sich die Ergebnisse: Der Wert für das sozio-emotionale Verhalten steigt um drei Punkte, wenn die Mutter ihre Arbeit verliert. Wird zusätzlich die Persönlichkeit der Mutter berücksichtigt, liegt der Anstieg immer noch bei mehr als zwei Punkten. Bei Jugendlichen ist die internale Kontrollüberzeugung um etwa 0,2 Punkte geringer ausgeprägt, wenn die Mutter ihren Job verliert. Im Vergleich zu Vorschulkindern sind die Effekte etwas kleiner. „Das beweist, dass die frühe Kindheit für die Entwicklung von Fähigkeiten besonders bedeutend ist“, erklärt Spieß.

Unterstützung besonders beim Übergang in neue Lebensphasen gefragt

Die Ergebnisse verdeutlichen, so die beiden Studienautorinnen Peter und Spieß, dass neben der klassischen Arbeitsmarktpolitik auch die Bildungs- und Familienpolitik gefragt sei, wenn es um die Minderung negativer Folgen eines Arbeitsplatzverlusts gehe. „Das gilt insbesondere, wenn die Kinder und Jugendlichen vor neuen Lebensphasen stehen, etwa der Einschulung oder dem ersten Job beziehungsweise der Ausbildung nach der Schule“, erklärt Peter. Bildungs- und Betreuungseinrichtungen müssten an dieser Stelle Unterstützung bieten. „Denn der Bildungserfolg der jüngeren Generation ist sehr eng mit der Arbeitsmarktsituation der Eltern verknüpft – nicht nur über das Einkommen, sondern auch über deren Karrieren und damit verbundenen Einschränkungen im Wohlbefinden“, so Spieß.

Stichwort SOEP

Das Sozio-oekonomische Panel (SOEP) ist die größte und am längsten laufende multidisziplinäre Langzeitstudie in Deutschland. Das SOEP ist am DIW Berlin angesiedelt und wird als Teil der Forschungsinfrastruktur in Deutschland unter dem Dach der Leibniz-Gemeinschaft (WGL) von Bund und Ländern gefördert. Für das SOEP werden seit 1984 jedes Jahr vom Umfrageinstitut TNS Infratest Sozialforschung mehrere tausend Menschen befragt. Zurzeit sind es etwa 30.000 Befragte in mehr als 14.000 Haushalten. Die Daten des SOEP geben unter anderem Auskunft über Einkommen, Erwerbstätigkeit, Bildung, Gesundheit und Lebenszufriedenheit. Weil jedes Jahr dieselben Personen befragt werden, können nicht nur langfristige gesellschaftliche Trends, sondern auch die gruppenspezifische Entwicklung von Lebensläufen besonders gut analysiert werden.

Quelle: Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) vom 14.08.2013

Redaktion: Kerstin Boller

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