SGB VIII

Bundesdialogprozess „Mitreden – Mitgestalten“: AGJ nimmt Stellung zu Kinderschutz und Fremdunterbringung

Die Arbeitsgemeinschaft für Kinder- und Jugendhilfe – AGJ beteiligt sich an dem vom Bundesministerium für Frauen, Senioren, Familie und Jugend (BMFSFJ) initiierten Beteiligungs- und Dialogprozess zur Modernisierung der Kinder- und Jugendhilfe durch die Entsendung von 15 Mitgliedern. Diese haben sich in den Beratungsprozess zu den aus www.mitreden-mitgestalten.de veröffentlichten Arbeitspapieren des BMFSFJ u.a. durch die Erstellung von AGJ-Vorabkommentierungen eingebracht. Verbandsinterne Abstimmungsprozesse können in den vorgegebenen Zeitläufen des Bundesprozesses jedoch nicht umgesetzt werden. Daher wurde nun eine zusammenführende Stellungnahme auf Grundlage der ersten beiden AGJ-Vorabkommentierungen zu den Themen Kinderschutz und Fremdunterbringung veröffentlicht.

08.07.2019

In ihrer Stellungnahme führt die Arbeitsgemeinschaft der Kinder- und Jugendhilfe – AGJ die Vorabkommentierungen für die Sitzungen „Kinderschutz“ (Februar 2019) und „Fremdunterbringung“ (April 2019) innerhalb des Dialogprozesses „SGB VIII: Mitreden – Mitgestalten“ zusammen.

So soll die Problematik aufgegriffen werden, dass verbandsinterne Abstimmungsprozesse in den vorgegebenen Zeitläufen des Bundesprozesses nicht umgesetzt werden können: Zur Vorbereitung der Sitzungen der Bundes-AG „SGB VIII: Mitreden – Mitgestalten“ stellt das BMFSFJ zwei bis drei Wochen vor den jeweiligen Sitzungen Arbeitspapiere als Diskussionsgrundlage zur Verfügung und bittet um kurzfristige Rückmeldung aus dem Kreis der AG-Mitglieder. Die innerhalb der AGJ mit dem SGB VIII-Reformprozess befassten Personen haben zu allen drei bisherigen inhaltlichen Sitzungen der Bundes-AG Vorabkommentierungen zu den Arbeitspapieren verfasst. Die ersten beiden Vorabkommentierungen bilden die Grundlage der vorliegenden zusammenführenden Stellungnahme.

Der Vorstand der AGJ macht durch den Beschluss dieser zusammenführenden Stellungnahme im Nachgang der Bundes-AG-Sitzungen deutlich, dass die hier dargelegten Positionen solche der AGJ sind. Zu ausgewählten Gesichtspunkten wird zudem die Gelegenheit wahrgenommen, auf Äußerungen von Mitgliedern der Bundes-AG „SGB VIII: Mitreden – Mitgestalten“ einzugehen. Die AGJ verbindet hiermit das Bestreben, einen stärkeren dialogischen Austausch in den Prozess einzubringen.

Ausrichtung der AGJ-Stellungnahme und erste generelle Anmerkungen

Struktur und Inhalte dieser zusammenführenden Stellungnahme orientieren sich an den Impulsen der Arbeitspapiere des BMFSFJ, die sukzessive im Verlauf des Bundesdialogprozesses auf der Internetseite www.mitreden-mitgestalten.de veröffentlicht werden. Sie sind als Bezugspunkt dieser Stellungnahme zu berücksichtigen, die den BMFSFJ-Arbeitspapieren in der Gliederung weitgehend folgt. Einführend sei zudem darauf hingewiesen, dass sich die bislang bekannten Arbeitspapiere des BMFSFJ stark voneinander unterschieden. In dem Papier zum Kinderschutz für die Sitzung am 15. Februar 2019 wurde fast ausschließlich zu einer erneuten Auseinandersetzung mit den Regelungsvorschlägen des nicht in Kraft getretenen Kinder- und Jugendstärkungsgesetzes (KJSG) aufgefordert.

In dem Papier zur Fremdunterbringung für die Sitzung am 4. April 2019 wurden hingegen eine Vielzahl unterschiedlichster Vorschläge ohne innere Gewichtung oder Bezug nebeneinandergestellt. Für eine fundierte fachliche Einschätzung blieben die Ausführungen dabei vielfach zu vage und ließen weder die mögliche Gestaltung von Normen noch von anderweitigen fachlichen Impulsen (etwa Förderprogrammen) erkennen. Auf eine Auseinandersetzung mit jedem Vorschlag der BMFSFJ-Arbeitspapiere wird daher verzichtet und vielmehr weiterhin versucht Gesamtlinien hervorzuheben.

Auf grundsätzlicher Ebene stellt sich für die AGJ im Rahmen des Dialogprozesses die Frage, wieviel Wirkkraft Rechtsetzung zugeschrieben wird. Sowohl im Rahmen der Bundes-AG „SGB VIII: Mitreden - Mitgestalten“, aber auch im Rahmen der begleitenden Beteiligungsformen (IKJ-Fokusgruppen etc.) werden hohe Erwartungen gegenüber dem Recht deutlich: Dieses soll eine Lösung für bestehende Konflikte und Problemfelder stellen. Die AGJ warnt insofern vor einer Überfrachtung des Gesetzes, die gerade im sensiblen Bereich der Hilfeplangestaltung auch zu einer Formalisierung des Beratungs-, Aushandlungs- und Verständigungsprozesses statt zu dessen Qualifizierung führen kann. Aus diesem Grund braucht es zielgerichtete rechtliche Impulse, die so im Arbeitspapier noch nicht deutlich werden.

Deutlich hervorgehoben werden soll an dieser Stelle, dass die AGJ insbesondere die in der in den Arbeitspapieren des BMFSFJ erklärte Absicht einer Stärkung der Rechte der Adressatinnen und Adressaten ebenso wie die Absicht einer Absicherung fachlicher Standards prinzipiell begrüßt. Dennoch muss auch die Gestaltung solcher Normen sorgfältig abgewogen werden. Allein die Betonung in einer Norm, dass bestehende Rechte auch tatsächlich zu beachten sind, wird kaum zu deren erhöhten Umsetzung führen. Auch vor diesem Hintergrund wäre ein ähnlich hoher Konkretisierungsgrad wie im ersten Arbeitspapier künftig wieder hilfreich. Dabei sollten auch Bezüge zwischen einzelnen Vorschlägen unterschiedlicher TOPs hervorgehoben werden – etwa in dem verdeutlicht wird, ob bzw. inwiefern das Ziel der Stärkung von Beteiligungsmöglichkeiten unterschiedlicher Adressatengruppen durch einen zusammengefassten Rechtsatz gewollt, und folglich keine Zersplitterung für fachliche Entwicklung möglicherweise kontraproduktive Überfrachtung des SGB VIII Ergebnis sein könnte.

Das Papier der Arbeitsgemeinschaft für Kinder- und Jugendhilfe – AGJ zu den beiden Sitzungen der Bundes-AG „SGB VIII: Mitreden - Mitgestalten“ mit den Themen Kinderschutz und Fremdunterbringung (PDF, 233 KB) steht als Download auf den Seiten der AGJ zur Verfügung.

Gegliedert ist es wie folgt:

A) Besserer Kinderschutz und mehr Kooperation

  1. Heimaufsicht
  2. Kooperation Kinder- und Jugendhilfe und Gesundheitswesen
  3. Schnittstelle Justiz
  4. Beteiligungsvorgaben im allgemeinen Teil des SGB VIII
  5. Auslandsmaßnahmen
  6. Weitere Punkte im Themenfeld Kinderschutz und Kooperation

B) Unterbringung junger Menschen außerhalb der eigenen Familien

  1. Beteiligung, Beratung und Unterstützung der Eltern fremduntergebrachter Kinder
  2. Schutz kindlicher Bindungen bei Hilfen außerhalb der eigenen Familie
  3. Unterstützung bei der Verselbstständigung, Übergangsgestaltung
  4. Beratung und Unterstützung der Pflegeeltern
  5. Heimerziehung
  6. Inobhutnahme

Hintergrundinformationen

Die Bundesregierung hat im Koalitionsvertrag vereinbart, die Kinder- und Jugendhilfe auf der Grundlage des im Juni 2017 vom Deutschen Bundestag beschlossenen Gesetzes zur Stärkung von Kindern und Jugendlichen (KJSG) weiterzuentwickeln. Die Arbeitsgemeinschaft für Kinder- und Jugendhilfe – AGJ beteiligt sich an dem vom Bundesministerium für Frauen, Senioren, Familie und Jugend (BMFSFJ) gestarteten Beteiligungs- und Dialogprozess zur Modernisierung der Kinder- und Jugendhilfe. Der Beteiligungsprozess des Bundes wurde unter dem Titel „Mitreden – Mitgestalten“ am 6. November 2018 eingerichtet und soll ca. ein Jahr dauern.

Auf www.mitreden-mitgestalten.de wird fortlaufend über den Hintergrund und über den Stand des Austausches informiert, u.a. mit Neuigkeiten und Materialien zu den einzelnen Sitzungen und Themen.

Zur Vorbereitung der jeweiligen Sitzungen der Bundes-AG „SGB VIII: Mitreden – Mitgestalten“ stellt das BMFSFJ zwei bis drei Wochen vor den Sitzungen Arbeitspapiere als Diskussionsgrundlage zur Verfügung und bittet um kurzfristige Rückmeldung aus dem Kreis der AG-Mitglieder.

Es ist geplant, die dritte Vorabkommentierung „Prävention im Sozialraum stärken“ mit der noch beabsichtigten Vorabkommentierung zur Bundes-AG-Sitzung „Inklusion, wirksames Hilfesystem“ als weitere gemeinsame Stellungnahme der AGJ im Dezember 2019 zu veröffentlichen.

Quelle: Arbeitsgemeinschaft für Kinder- und Jugendhilfe – AGJ

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