SGB VIII

BAG KJS: Jugendwohnen für alle Jugendlichen erhalten

Die Bundesarbeitsgemeinschaft Katholische Jugendsozialarbeit (BAG KJS) e.V. ruft die politische Verantwortlichen auf, die bewährten Angebote des Jugendwohnens gemäß der geltenden Fassung des SGB VIII nicht zu gefährden und daher von kurzfristigen gesetzlichen Veränderungen Abstand zu nehmen.

02.05.2017

Die BAG KJS beurteilt den vorliegenden Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Reform des SGB VIII (Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung von Kindern und Jugendlichen) vom 12. April 2017 im Hinblick auf die Zielgruppen und Leistungen der Jugendsozialarbeit, insbesondere die Vorschläge zu einer Änderung des § 13 (3) SGB VIII (Jugendwohnen), sehr kritisch.

In der vorliegenden Fassung wird der Gesetzentwurf dem Anspruch einer Stärkung junger Menschen bis 27 Jahren nicht gerecht, da diesen im Übergang Schule – Ausbildung – Beruf ein wesentlicher Unterstützungsfaktor entzogen wird.

Satz 1 des § 13 (3) lautet derzeit: "Jungen Menschen kann während der Teilnahme an schulischen oder beruflichen Bildungsmaßnahmen oder bei der beruflichen Eingliederung Unterkunft in sozialpädagogisch begleiteten Wohnformen angeboten werden (…)."

Im Gesetzentwurf der Bundesregierung wird dieser Satz durch die folgenden Sätze ersetzt: "Junge Menschen sollen während der Teilnahme an einem Angebot nach Absatz 2 Unterkunft in sozialpädagogisch begleiteten Wohnformen erhalten, sofern ihre Unterbringung nicht anderweitig sichergestellt ist. Die Unterkunft wird so lange gewährt, wie die jungen Menschen dieser Hilfe beim Übergang in eine selbständige Lebensführung aufgrund ihrer individuellen Situation bedürfen."

Leistungen des Jugendwohnens nicht einschränken

Aus Sicht der Katholischen Jugendsozialarbeit ist dieser mit der Neuformulierung beabsichtigte Ersatz der bisherigen Regelung in § 13 (3) klar abzulehnen, da dadurch die Leistungen des Jugendwohnens für junge Menschen in schulischer oder beruflicher Ausbildung deutlich eingeschränkt würden. Die neue Regelung anstelle der bisherigen würde bedeuten, dass für Schülerinnen und Schüler, Teilnehmende in Maßnahmen der Arbeitsagenturen und Jobcenter sowie für minderjährige und junge volljährige Auszubildende mit Bedarf nach sozialpädagogisch begleitetem Wohnen das Jugendwohnen nicht mehr zur Verfügung stehen kann. Die Chance vieler Jugendlicher auf einen erfolgreichen Abschluss ihrer Ausbildung wäre massiv beeinträchtigt.

Aufgrund dieser Kritik an der Neuformulierung des § 13 (3) SGB VIII appelliert die BAG KJS an den Gesetzgeber, die bewährten Angebote des Jugendwohnens gemäß der geltenden Fassung des SGB VIII nicht zu gefährden und daher hier von kurzfristigen gesetzlichen Veränderungen Abstand zu nehmen.

Begründung:

Dieser sehr kurzfristig, vorher in keiner Weise kommunizierte und ohne gründliche Abwägung möglicher Folgen vorlegte Entwurf beschränkt im Vergleich zur bisherigen Regelung die Hilfen des Jugendwohnens auf jene jungen Menschen, die Leistungen gemäß § 13 (2)* erhalten – und dies auch nur, sofern sie keine andere Unterbringung haben. Damit wird diese Leistung nur noch denjenigen jungen Menschen gewährt, denen sozialpädagogisch begleitete Ausbildungs- und Beschäftigungsmaßnahmen im Rahmen der Jugendhilfe angeboten werden. In der Praxis werden derartige Leistungen nach § 13 (2) durch die Jugendämter nur sehr selten oder gar nicht zur Verfügung gestellt. Positive Veränderungen auf kommunaler Ebene sind hier nicht zu erwarten.

Diese Einschränkung ist gravierend und verkleinert den Kreis der Anspruchsberechtigten signifikant, denn bisher richtet sich der § 13 (3) an alle jungen Menschen während der Teilnahme an schulischen oder beruflichen Bildungsmaßnahmen, also zum Beispiel auch an junge Menschen ohne weiteren Förderbedarf in einer regulären dualen oder vollzeitschulischen Berufsausbildung.

Auch das in § 13 (3) Satz 2 neu formulierte Ziel, eine "selbständige Lebensführung" zu ermöglichen, ist bislang nicht Gegenstand der gesetzlichen Regelung. Dies wäre – je nach Lesart – eine völlig neue Ausrichtung der Angebote nach § 13 (3) bzw. eine Einschränkung auf eine einzige Perspektive. Es ist noch nicht definiert, wodurch "selbständige Lebensführung" im Jugendwohnen – auch in Abgrenzung zu diesem Ziel in den Hilfen zur Erziehung – gekennzeichnet ist, wie sie erreicht und
gemessen werden kann. Eine Beendigung des Angebots mit Erreichen einer "Verselbständigung" ("wird so lange gewährt, wie die jungen Menschen dieser Hilfe (…) bedürfen.") entspricht in keiner Weise dem Anspruch und den Leistungen in Einrichtungen nach § 13 (3) und könnte Ausbildungsabbrüche zur Folge haben.

In der Begründung zum Gesetzentwurf wird zudem auf junge Menschen hingewiesen, "die ihre Heimat im Ausland verlassen mussten und nach Deutschland geflüchtet sind." Es ist davon auszugehen, dass damit ein erneuter Versuch unternommen wird, junge Geflüchtete von den Hilfen zur Erziehung auszuschließen und sie allein auf das Jugendwohnen zu verweisen. Auch die angestrebte Öffnungsklausel in § 78 f des Entwurfs deutet in diese Richtung.

Der in der Begründung formulierte Anspruch, mit dem Gesetzentwurf das Jugendwohnen zu stärken, wird durch die Gesetzesformulierung konterkariert. Jugendwohnen als Angebot der Jugendsozialarbeit würde stattdessen sowohl in der Zielrichtung und im Umfang als auch in den Zielgruppen stark eingeschränkt. In der vorliegenden Form wird der Gesetzentwurf dem Anspruch der Stärkung junger Menschen bis 27 Jahre nicht gerecht. Statt der notwendigen Stärkung der sozialen Infrastruktur und der Jugendsozialarbeit würden diese weiter geschwächt.

* § 13 (2): "Soweit die Ausbildung dieser jungen Menschen nicht durch Maßnahmen und Programme anderer Träger und Organisationen sichergestellt wird, können geeignete sozialpädagogisch begleitete Ausbildungs- und Beschäftigungsmaßnahmen angeboten werden, die den Fähigkeiten und dem Entwicklungsstand dieser jungen Menschen Rechnung tragen."

Quelle: Bundesarbeitsgemeinschaft Katholische Jugendsozialarbeit (BAG KJS) e.V. vom 28.04.2017

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