Qualifizierung

"Das Personal ist unser Kapital" – Viel mehr als ein abgenutzter Slogan?

Soziale Organisationen klagen zunehmend über die Verschlechterung der Rahmenbedingungen. Wie soll vor diesem Hintergrund ein attraktiver Arbeitsplatz realisiert werden? Der Unternehmensberater Ralf Greif hat für den Paritätischen Landesverband Berlin einen interessanten Beitrag zu dieser Thematik verfasst.

16.03.2015

Bild des Autos Ralf Greif

geschrieben von Ralf Greif, Unternehmensberater und Veränderungsmanager
Foto: privat

Berufliche Zukunft in der sozialen Arbeit

Vor einigen Tagen hatte ich wieder einmal eine Hochglanzbroschüre eines großen sozialen Anbieters in den Händen, in dem sich das Unternehmen als vorbildlicher Arbeitgeber dargestellt hat, bei dem es sich zu arbeiten lohnt. Er formulierte dabei den Slogan "Das Personal ist unser Kapital". Um dies zu untermauern, benutzte er Schlagworte wie "Fortbildungsmöglichkeiten", "Aufstieg auf der Karriereleiter", "sicherer Arbeitsplatz" und "leistungsgerechte Bezahlung" und formulierte diese gekonnt aus. Natürlich unterstellen wir der Organisation an dieser Stelle, dass sich hinter den beschriebenen Möglichkeiten tatsächlich etwas Positives und Verwirklichbares für den (potentiellen) Mitarbeiter verbirgt. Wer die Sozialbranche mit den eigenen Möglichkeiten, insbesondere aber auch mit den Grenzen in diesem Bereich kennt, weiß, wie schwer es tatsächlich sein kann, einen Arbeitsplatz anzubieten, bei dem sich der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer gleich "wohl fühlen".

Personalbedarf nimmt zu

Soziale Organisationen klagen zunehmend über die Verschlechterung der Rahmenbedingungen. Nimmt man diese Klagen ernst, stellt sich die Frage, inwieweit es den Unternehmen angesichts dieser (äußeren) Rahmenbedingungen möglich sein soll, die (inneren) Rahmenbedingungen, also hier die Arbeitsbedingungen, so zu gestalten, dass der Anspruch eines attraktiven Arbeitgebers tatsächlich realisiert werden kann. Die seit Jahren kontrovers geführten Debatten über Kürzungen von Sozialleistungen lassen sich auf eine Reihe von tiefgreifenden Veränderungen und Entwicklungen zurückführen, die uns dem Grunde nach alle bekannt sind: Demografischer Wandel, soziokulturelle Herausforderungen, politisch-ökonomische Veränderungen, Globalisierungsfolgen und zunehmende Europäisierung.

Insbesondere der Faktor des demografischen Wandels spielt beim Thema Arbeitsmarkt eine herausragende Rolle. Im Pflegesektor wird sich der Personalbedarf bis zum Jahre 2050 in etwa verdoppeln. Demgegenüber entscheiden sich nur vier bis viereinhalb Prozent der Schulabgänger derzeit für eine Ausbildung in einem Pflegeberuf. Die generelle ausbildungsrelevante Zielgruppe wird zwischen 2006 und 2020 um rund 25 Prozent sinken. Der Trend zu höheren Bildungsabschlüssen bewirkt dabei, dass der Rückgang vor allem bei den nicht studienberechtigten Absolventen stattfindet. Das Jahr 2014 wird aller Voraussicht nach das siebte Jahr in Folge sein, bei dem sich der Bewerberüberhang auf dem Markt für Auszubildende zu einem Stellenüberhang entwickelt hat.

Die Sozialwirtschaft als angebliche Zukunftsbranche kann heute in einigen Regionen Deutschlands kaum noch Kräfte für den Kita- und Pflegebereich finden. Viele Organisationen sind deshalb mittlerweile dazu übergegangen, Imagekampagnen zu starten, um sich als attraktiver Arbeitgeber darzustellen und aktiv um (Ausbildungs-) Nachwuchs zu werben. Wie realistisch und effektiv diese dann tatsächlich sind, darf teilweise zu Recht angezweifelt werden. Das Fortbildungsbudget wird vom Kostenträger nicht ausreichend finanziert und ist meist zu gering, um zusätzliche Ausgaben zu generieren. Aufstiegschancen gestalten sich teilweise langwierig, die leistungsgerechte Bezahlung ist den Namen nicht wert und das Thema Arbeitssicherheit wird durch die Zunahme von Projektfinanzierungen in Frage gestellt.

Viele Gründe für die soziale Arbeit

Unbestritten ist, dass soziale Arbeit persönliche, kommunikative und soziale Kompetenzen benötigt, das ganzheitliche Denken und Handeln fördert, Team- und Prozessdenken braucht und lebenslanges Lernen notwendig macht. In der Sozialbranche gibt es aktuell und perspektivisch gute Jobchancen und nicht selten auch flexible Arbeitszeiten. Das wiederum kann bei geschickter Abstimmung eine hohe Vereinbarkeit von Familie und Beruf bedeuten. Aufgeschlossene Personalmanager wissen das zu nutzen und sind sich bewusst, dass Mitarbeiter, die wegen des Geldes kommen, oft auch wegen des Geldes wieder gehen. Sie setzen daher auf ein vielfältig gestaffeltes Motivationssystem, das für die Beschäftigten einen echten Mehrwert darstellt, der neben ihren beruflichen auch ihre vermeintlich privaten Interessen befriedigt. Wissenschaftliche Untersuchungen zeigen, dass der engagierte Mitarbeiter der Zukunft nicht mehr nur des Geldes wegen zur Arbeit geht, sondern sich eine Work-Life-Balance wünscht. Dazu gehören die oben erwähnten flexiblen Arbeitszeiten. Beschäftigte legen zunehmend Wert darauf, dass sie nicht nur als Mitarbeiter, sondern auch als Mensch wahrgenommen werden. Ihnen ist in der Regel eine Einbindung in Entscheidungsvorgänge wichtig, was wiederum eine transparente Informations- und faire Kommunikationspolitik voraussetzt. Nicht erst in der Zukunft, sondern schon jetzt zeigt sich in Untersuchungen deutlich, dass Mitarbeiter neben dem reinen Broterwerb eine Verbindung zwischen ihrem Arbeitsalltag und ihrem Privatleben suchen. Demnach wird ein Angestellter umso zufriedener sein, wenn er seinen ideellen Anspruch, der sich unter Umständen in der Sinnhaftigkeit des eigenen Tuns, im Wertschöpfungsgedanken oder im gesellschaftlich-sozialen Engagement darstellt, auch am Arbeitsplatz wiederfindet und realisieren kann.

An die Bedürfnisse der Mitarbeiter angepasst

Deshalb ist es notwendig, dass es in NPOs zukünftig ein ausgefeiltes und umsetzbares Personalakquise-Management und Personalentwicklungskonzept gibt, das den "Mensch-Mitarbeiter" kennt und auf ihn abgestimmt ist. Nur so kann gewährleistet werden, dass die Fähigkeiten eines Mitarbeiters nicht nur dem Unternehmen nutzen, sondern auch erhalten und im Interesse des Arbeitgebers sowie des Arbeitsnehmers gefördert werden. Personalverantwortliche unterstützen deshalb ihre Mitarbeiter nicht nur in den Bereichen, die für die reine Erbringung der Arbeitsleistung notwendig sind, sondern wissen auch (viel mehr als bisher) die Neigungen und Fähigkeiten ihrer Beschäftigten auf anderen Gebieten zu schätzen. Sie sind dabei kreativ und mutig in der Auslegung des Tarifvertrags und verstecken sich nicht hinter bisherigen Auslegungen und juristischen Spitzfindigkeiten. Stattdessen erarbeiten sie mit ihren Fachkräften zusätzliche Maßnahmen zur Gesundheitsförderung und Freizeitgestaltung, bieten Lebensarbeitszeitmodelle an und machen begleitende Angebote, die dem "Mensch-Mitarbeiter" helfen, sich mit seinen Fähigkeiten in das Unternehmen einzubringen und gleichzeitig der Verwirklichung der Ansprüche an sein Leben förderlich sind.

Im Idealfall verfügen Personalmanager über ein ausgefeiltes Fort- und Weiterbildungskonzept, das sich aktuellen und zukünftigen Anforderungen anpasst. Ihnen ist bewusst, dass dieses Konzept keine notwendige Last, sondern ein wichtiges strategisches Managementinstrument ist. Kurz: Personalverantwortliche nehmen es wirklich ernst, dass Fachkräfte ihr Kapital sind, kooperieren ernsthaft und auf gleicher Augenhöhe mit ihnen und besorgen die notwendigen Ressourcen zur Umsetzung der dafür erforderlichen Maßnahmen. Qualitativ hochwertige soziale Arbeit kann in der Zukunft nur dann gewährleistet werden, wenn nicht nur die vorhandenen, also bereits ausgebildeten Fachkräfte gewonnen und gefördert werden, sondern auch zusätzliche attraktive Ausbildungsplätze geschaffen werden können. Das Thema Personalakquise und -entwicklung ist demnach viel mehr als eine Diskussion über Standards und Verfahren in der Personalabteilung. Die erfolgreiche Umsetzung des Slogans "Das Personal ist unser Kapital" sichert die Aufrechterhaltung der sozialen Dienstleistungen in Deutschland und damit das im Grundgesetz verankerte Sozialstaatsprinzip.

Dieser Beitrag ist zuerst im Rundbrief Januar/ Februar 2015 des Paritätischen Berlin und dann auf jugendhilfe-bewegt-berlin erschienen. Mit freundlicher Genehmigung der Redaktion durften wir ihn übernehmen.

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Quelle: Deutscher PARITÄTISCHER Wohlfahrtsverband Landesverband Berlin e. V.

Redaktion: Kerstin Boller

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