Flucht und Migration

Migrationssteuerung: EU-Kommission äußert sich zu Ausschiffung und kontrollierten Zentren

Im Nachgang an die Gipfelbeschlüsse vom Juni hat die EU-Kommission nun das Konzept der „kontrollierten Zentren“ innerhalb der EU vorgestellt. Ebenso stellt sie erste Überlegungen an, wie mit Drittstaaten regionale Ausschiffungsvereinbarungen getroffen werden könnten. Beide Konzepte sollen zusammen dazu beitragen, eine gemeinsame regionale Verantwortung bei der Bewältigung der Migration zu gewährleisten.

26.07.2018

Ziel der kontrollierten Zentren in der EU ist es, das Verfahren zur Unterscheidung zwischen Personen, die internationalen Schutz benötigen, und irregulären Migranten, die kein Recht auf Verbleib in der EU haben, zu verbessern. Dabei soll die Rückkehr der irregulären Migranten beschleunigt werden. Ziel der regionalen Ausschiffungsplattformen in Drittstaaten ist die rasche und sichere Ausschiffung geretteter Menschen auf beiden Seiten des Mittelmeers im Einklang mit dem Völkerrecht einschließlich des Grundsatzes der Nichtzurückweisung und entsprechend einem verantwortungsvollen Verfahren nach der Ausschiffung.

Auch auf lange Sicht gemeinsam handeln

Dimitris Avramopoulos, Kommissar für Migration, Inneres und Bürgerschaft, sagte: „Mehr denn je brauchen wir gemeinsame europäische Lösungen für die Herausforderungen der Migration. Wir sind bereit, die Mitgliedstaaten und Drittstaaten zu unterstützen, um eine bessere Zusammenarbeit bei der Ausschiffung von auf See geretteten Menschen zu erreichen. Damit dies aber vor Ort umgehend Wirkung zeigt, müssen wir gemeinsam handeln – nicht nur jetzt, sondern auch auf lange Sicht. Wir müssen auf nachhaltige Lösungen hinarbeiten.“

„Kontrollierte Zentren“ in der EU

Um eine geordnete, effektive Erfassung der in der Europäischen Union ausgeschifften Menschen zu erreichen, haben die Staats- und Regierungschefs der EU die Einrichtung „kontrollierte Zentren“ in der EU gefordert. Diese Zentren würden vom Aufnahmemitgliedstaat mit voller Unterstützung der EU und der EU-Agenturen verwaltet und könnten je nach Standort vorübergehend oder ad hoc eingerichtet werden. Hauptmerkmale wären:

  • volle operative Unterstützung durch Ausschiffungsteams der europäischen Grenzschutzbeamten, Asylexperten, Experten für Sicherheitsüberprüfung und Rückführungsbeamte; alle Kosten werden aus dem EU-Haushalt bestritten
  • schnelle, sichere und effektive Erfassung, die das Risiko von Sekundärbewegungen verringert und die Bestimmung des Status der betreffenden Person beschleunigt
  • volle finanzielle Unterstützung für freiwillig teilnehmende Mitgliedstaaten zur Deckung der Infrastruktur- und Betriebskosten sowie finanzielle Unterstützung für Mitgliedstaaten, die bereit sind, ausgeschiffte Personen aufzunehmen (6.000 Euro pro Person)

Um das Konzept zu testen, könnte so bald wie möglich eine flexibel gehandhabte Pilotphase eingeleitet werden. Die Kommission wird auch eine zentrale Anlaufstelle für die Koordinierung zwischen den Mitgliedstaaten bereitstellen, die sich an den Solidaritätsbemühungen beteiligen – als vorläufige Maßnahme, bis im Rahmen der laufenden Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems ein ausgereiftes System eingerichtet werden kann.

Regionale Ausschiffungsplattformen

Zusätzlich zur Einrichtung kontrollierter Zentren haben die Staats- und Regierungschefs die Kommission aufgefordert, das Konzept regionaler Ausschiffungsvereinbarungen in enger Zusammenarbeit mit den UN-Organisationen IOM und dem UNHCR und in Partnerschaft mit Drittstaaten zu prüfen.

Hauptmerkmale regionaler Ausschiffungsvereinbarungen wären:

  • Klare Regeln für alle: Um die Todesfälle auf See zu verringern sowie eine geordnete und vorhersehbare Ausschiffung zu gewährleisten, sollten alle Mittelmeeranrainer dazu angehalten werden, Such- und Rettungszonen festzulegen und Seenotleitungen (MRCC) einzurichten.
  • Die vom UNHCR und von der IOM entwickelten Regeln werden dafür sorgen, dass ausgeschiffte Personen – auch durch Neuansiedlungsregelungen – Schutz erhalten können, wenn sie ihn benötigen, oder in ihre Herkunftsländer rückgeführt werden, wenn sie nicht schutzbedürftig sind – unter anderem im Wege der von der IOM durchgeführten Programme zur Unterstützung der freiwilligen Rückkehr und der Wiedereingliederung.
  • Gleichberechtigte Partnerschaften: Die Zusammenarbeit mit interessierten Drittstaaten soll auf der Grundlage bestehender Partnerschaften vorangebracht werden. Ihnen soll eine auf ihre jeweiligen politischen, sicherheitspolitischen und sozioökonomischen Gegebenheiten zugeschnittene Unterstützung angeboten werden.
  • Keine Pull-Faktoren: Neuansiedlungsmöglichkeiten werden nicht für alle ausgeschifften Menschen, die internationalen Schutz benötigen, verfügbar sein, und die Aufnahmestellen sollten soweit wie möglich von den Orten irregulärer Abreise entfernt sein.
  • Keine Inhaftnahme, keine Lager: Mit den regionalen Ausschiffungsvereinbarungen werden Vorgehensweisen und Vorschriften vorgegeben, die eine sichere und geordnete Ausschiffung gewährleisten und sicherstellen sollen, dass nach der Ausschiffung die entsprechenden Verfahren unter uneingeschränkter Achtung des Völkerrechts und der Menschenrechte abgewickelt werden.
  • Finanzielle und logistische Unterstützung der EU: Die EU ist bereit, finanzielle und operative Unterstützung für die Ausschiffung und die sich daran anschließenden Maßnahmen sowie für das Grenzmanagement in Form von Ausrüstung, Ausbildung und anderen Formen der Unterstützung bereitzustellen.

Factsheets zu den kontrollierten Zentren in der EU und den regionalen Ausschiffungsvereinbarungen finden sich auf der Webseite der Europäischen Kommission.

Nächste Schritte

Es wird erwartet, dass die Botschafterinnen und Botschafter das Konzept der kontrollierten Zentren in der EU und die Möglichkeit einer raschen Einführung eines Übergangsrahmens für die Ausschiffung von aus Seenot geretteten Menschen in der EU erörtern werden. Die Arbeiten zu regionalen Ausschiffungsvereinbarungen werden ebenfalls morgen behandelt und voraussichtlich auf einer Sitzung mit der IOM und dem UNHCR am 30. Juli 2018 in Genf fortgeführt. Erst wenn ein gemeinsames Vorgehen auf EU-Ebene vereinbart ist, wird die EU an interessierte Drittstaaten herantreten.

Hintergrund

In seinen Schlussfolgerungen vom 28./29. Juni hatte der Europäische Rat die Kommission aufgefordert, „das Konzept regionaler Ausschiffungsplattformen in enger Zusammenarbeit mit den betreffenden Drittländern sowie dem UNHCR und der IOM zügig auszuloten“. Die Staats- und Regierungschefs hatten des Weiteren dazu aufgerufen, „kontrollierte Zentren“ auf dem Gebiet der EU einzurichten – ein neuer Ansatz, der auf gemeinsamen Anstrengungen zur Erfassung von Personen beruht, die nach ihrer Rettung auf See in der EU ausgeschifft werden.

Quelle: Vertretung der Europäischen Kommission in Deutschland vom 24.07.2018

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