Digitalisierung und Medien

Analog-Romantik ist keine Option - SINUS Jugendstudie zu digitalen Medien

Die heute 14- bis 17-Jährigen gehören zur ersten Generation, für die Onlinesein der Normalzustand ist. Sie sind, das zeigt die aktuelle SINUS-Jugendstudie, größtenteils kompetente und reflektierte Nutzerinnen und Nutzer digitaler Dienste und Tools, Internet und Smartphones gehören unverzichtbar zu ihrem Alltag. Von Erwachsenen fordern sie weniger Verbote und mehr Kompetenz.

04.05.2016

Über alle Lebenswelten hinweg gehören Internet und Smartphone unverzichtbar zum Alltag der Jugendlichen in Deutschland. Sie sind kompetente Nutzer von digitalen Medien und wünschen sich gleichzeitig mehr Unterstützung bei der Beantwortung ihrer Fragen. Das Verhältnis zu den Eltern in Sachen Mediennutzung hat sich inzwischen deutlich entspannt, auch weil diese ebenfalls aktivere Nutzer als noch vor einigen Jahren sind. Das sind die zentralen Ergebnisse des Themenschwerpunkts digitale Medien und digitales Lernen der aktuellen SINUS-Jugendstudie, den zum zweiten Mal die Deutsche Kinder- und Jugendstiftung (DKJS) in Auftrag gegeben hat.

Digitale Teilhabe bestimmt soziale und gesellschaftliche Teilhabe

Zentrale Funktion digitaler Medien ist für Jugendliche die Pflege und Aufrechterhaltung von Bekanntschaften und Freundschaften. Wer nicht online dabei ist, ist "draußen". Digitale Teilhabe wird zur sozialen Teilhabe – nicht nur in der Peergroup. Mit Ausnahme der Interviewten aus der prekären Lebenswelt sind alle überzeugt, dass der Umgang mit digitalen Medien auch im späteren Berufsleben eine wichtige Rolle spielen wird.

"Man kommt in Zukunft nicht mehr am Internet vorbei. Wenn man das nicht drauf hat, ist man unten durch, egal ob privat oder beruflich." 
(weibliche Jugendliche, 16 Jahre alt, Experimentalistische Hedonisten)

"Internet und Smartphone sind nicht so wichtig in Zukunft. Also weil später werde ich mich mehr für den Job interessieren, Frau, Kinder und so."
(männlicher Jugendlicher, 14 Jahre alt, Prekäre)

Unterstützung in allen Lebenswelten 

Chancengerechtigkeit in der digitalen Welt misst sich nicht mehr an der technischen Ausstattung. Entscheidend wird für den Einzelnen wie auch für unsere Gesellschaft sein, ob junge Menschen digitale Möglichkeiten zur Entfaltung ihrer Potenziale nutzen können. Es ist Aufgabe für Bildungssystem wie Zivilgesellschaft, sie dabei zu unterstützen und keine Lebenswelt auszuschließen. Denn auch im Bereich der digitalen Kompetenz sind sozial- und bildungsbenachteiligte Jugendliche oft die, die weniger Wissen zum reflektierten Nutzen und zielgerichteten Einsatz digitaler Tools und Techniken haben.

Kompetenz in Sachen Datensouveränität bei Erwachsenen

In Bezug auf digitale Medien erleben Jugendliche in der Schule vor allem erhobene Zeigefinger, Verbote und Warnungen. Dabei formulieren sie großen Bedarf an Unterstützung und klaren Kriterien, wie sie sich sicher und trotzdem frei im Internet bewegen können. Sie wünschen sich von der Schule weniger gefahrenzentrierten Unterricht, sondern auch Möglichkeiten, die Chancen von digitalen Medien besser verstehen zu können und fordern Kompetenz in Sachen Datensouveränität von den Erwachsenen ein.

"Also, weil die erzählen einem immer, dass man aufpassen muss, aber letztendlich gezeigt wird es einem nicht, wie man es macht."
(weibliche Jugendliche, 17 Jahre alt, Adaptiv-Pragmatische)

Beim Computereinsatz im Unterricht geht es, so die Erfahrung der Jugendlichen, vor allem um korrektes Bedienen von Bürosoftware. Gestalterischer Umgang mit Medien und Technik, Bild- oder Videobearbeitung, Programmieren und Entwickeln kommt höchstens im Informatikunterricht vor und gilt als trocken und zu kompliziert. Wer von Haus aus digitale Medien hauptsächlich zu Entertainmentzwecken nutzt, auch weil die berufliche Sphäre der Eltern kaum digital geprägt ist, dem bietet der Unterricht jedoch nahezu die einzige Möglichkeit, sich weiterführende Möglichkeiten von Rechnern und Laptops zu erschließen.

Digitale Medien sind eine neue Kulturtechnik 

Unser Bildungssystem steht vor der Herausforderung, den digitalen Wandel in der Gesellschaft nachzuvollziehen. Auch wenn in vielen Lehrplänen schon wichtige Bildungsziele dafür formuliert sind, wird im Bildungsalltag noch defensiv agiert. Es geht einerseits um den Einzug neuer Lehr- und Lernformen. Ebenso wichtig ist aber auch der reflektierte und kreative Umgang mit digitalen Medien über die bloße Nutzung hinaus. Das ist eine neue Kulturtechnik, die genau wie Lesen, Schreiben und Rechnen erlernt werden muss. Sie ist unerlässlich, wenn wir nicht nur kompetente Konsumenten, sondern auch kompetente und kreative Gestalter bilden wollen. Schulen haben darüber hinaus eine besondere Rolle. Nur sie erreichen Jugendliche aller Lebenswelten und haben den Auftrag, sozial geprägte Bildungsunterschiede auszugleichen. Aufgabe der Bildungspolitik und der Zivilgesellschaft ist es, Schulen und Lehrkräfte dabei zu unterstützen.

Analog-Nostalgie ist keine Option 

Die Faszination der Technik hat im Vergleich zur Vorgängerstudie 2012 nachgelassen und erste Sättigungseffekte treten auf. Einige Jugendlichen empfinden bereits die Nachteile ständiger Verfügbarkeit und entwickeln z. T. mit ihren Eltern Regeln zur Selbstregulierung, insbesondere in den bildungsnahen Lebenswelten. Dort zeigt sich auch angesichts der rasanten technologischen Entwicklung und Komplexität vereinzelt eine Sehnsucht nach "vergangenen analogen Zeiten".

Junge Menschen entwickeln ihre eigenen Strategien, um die Digitalisierung ihres Alltags zu meistern. Als Erwachsene können wir ihnen dabei helfen, sich in der digitalen Welt zu orientieren und ihre Mechanismen zu verstehen. Und sie motivieren, vor Komplexität nicht zu kapitulieren. Besondere Aufmerksamkeit sollten wir denen schenken, die dabei nicht auf die Unterstützung ihres Elternhauses zurückgreifen können. "Die Frage analog oder digital ist keine ODER-Frage, sondern eine UND-Frage. Kompetenzen wie Neugier, Entdeckerfreude und demokratisches Miteinander sind in beiden Welten gefragt. Für die Jugendlichen gibt es da schon keinen Unterschied mehr“, so Dr. Heike Kahl, Geschäftsführerin der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung.

Hintergrund

Bereits zum zweiten Mal ist die Deutsche Kinder- und Jugendstiftung (DKJS) Mitauftraggeberin der Studie „Wie ticken Jugendliche 2016?“ des SINUS-Instituts. In der aktuellen Untersuchung interessierte die DKJS besonders, welches Bild Jugendliche von der Digitalisierung und deren Auswirkungen auf ihren Alltag und ihre Zukunft haben; wie bewusst und kompetent sie mit digitalen Medien umgehen; welche Unterschiede es je nach Lebenswelt gibt und was sie sich von den Erwachsenen, vor allem der Schule als Unterstützung wünschen.

Auf Ihrer Webseite stellt die DKJS <link https: www.dkjs.de aktuell meldung news analog-romantik-ist-keine-option external-link-new-window mit projektbeispielen und weiteren>Aktivitäten und Projektbeispiele zur Förderung von Kompetenzen für den digitalen Wandel vor.  

Die vollständige Studie steht unter dem Titel "Wie ticken Jugendliche 2016? - Lebenswelten von Jugendlichen im Alter von 14 bis 17 Jahren in Deutschland"  auf der <link http: www.springer.com de book external-link-new-window access zur>Webseite von Springer VS als Open Access (pdf 7,2 MB) zur Verfügung. 

Weitergehende Informationen zu Hintergründen, Autoren und aktuellen Veranstaltungen zur Forschung auch im Weblog: www.wie-ticken-jugendliche.de.

Ein Überblick zur gesamten Studie und zum Themenschwerpunkt Flucht und Asyl, Nation und Nationalität sowie Geschichtsbilder wurde auch auf dem <link https: www.jugendhilfeportal.de forschung jugendforschung external-link-new-window>Fachkräfteportal der Kinder- und Jugendhilfe veröffentlicht, weitere Schwerpunkte folgen.  

Quelle: Deutsche Kinder- und Jugendstiftung vom 26.04.2016

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