Kinderschutz

Sachsen-Anhalt kooperiert mit bundesweiter Initiative „Trau dich!“

Zentrales Element der bundesweiten Initiative „Trau dich!“ zur Prävention des sexuellen Kindesmissbrauchs des Bundesjugendministeriums und der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung ist ein Theaterstück. Ziel ist es, Mädchen und Jungen zwischen acht und zwölf Jahren über ihre Rechte aufzuklären, ihr Selbstbewusstsein zu stärken und sie zu informieren, wo sie im Falle eines Übergriffs Hilfe finden. Nun kooperiert auch Sachsen-Anhalt mit der Initiative.

02.10.2020

Kinderrechte, körperliche Selbstbestimmung und sexueller Kindesmissbrauch sind die Themen des Theaterstücks „Trau dich!“, das heute in Magdeburg vor insgesamt rund 400 Kindern und ihren Lehrkräften aufgeführt wird – unter Berücksichtigung eines umfassenden Corona-Hygieneschutzkonzepts.

Marco Tullner, Bildungsminister Sachsen-Anhalts, hat die Schirmherrschaft der Initiative übernommen. Das Ministerium für Arbeit, Soziales und Integration und das Ministerium für Justiz und Gleichstellung sind ebenfalls beteiligt. Weitere auf Landesebene involvierte Akteure sind Holger Paech, Kinder- und Jugendbeauftragter sowie Ansprechpartner des Landes Sachsen-Anhalt für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs, und die Hochschule Merseburg.

Sachsen-Anhalt kooperiert als elftes Bundesland

Dr. Franziska Giffey, Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend: „Um Kinder und Jugendliche vor sexualisierter Gewalt zu schützen, ist ein Schulterschluss auf vielen verschiedenen Ebenen notwendig. Neben starken Hilfe-Strukturen im Bund und in den Ländern ist es wichtig, dass es für alle Erwachsenen im Alltag selbstverständlich wird, hinzuschauen und präventiv zu handeln. Experten der WHO gehen derzeit davon aus, dass eine Million Kinder in Deutschland sexualisierte Gewalt erlebt haben oder erleben – das sind pro Schulklasse ein bis zwei betroffene Kinder. Deshalb müssen wir auch die Kinder selbst in ihren Rechten stärken und altersgemäß aufklären, damit jedes Kind seine Grenzen kennt und für diese eintreten kann. ‚Trau dich!' ist ein gutes Beispiel dafür, wie Prävention sexualisierter Gewalt gut gelingen und in den Schulen Kinder, Eltern und Pädagogen erreichen kann. Bisher haben mehr als 1.000 Schulen und über 60.000 Kinder an der Bundesinitiative teilgenommen. Ich freue mich, dass nun Sachsen-Anhalt als elftes Bundesland mit ‚Trau dich!‘ kooperiert. Auch gerade nach der langen Corona-Pause ist es wichtig, die Kinder im Blick zu haben, sie zu schützen und Erwachsene entsprechend zu sensibilisieren. Wir dürfen und werden im Kampf gegen sexualisierte Gewalt nicht nachlassen.“

Mit 14 Theateraufführungen rund 3000 Kinder erreichen

Für 2020 und 2021 sind in sechs Regionen 14 Theateraufführungen geplant, mit denen die Initiative ca. 2.800 Kinder aus den Klassen 3 bis 6 direkt erreichen wird. Um auch die Eltern und pädagogischen Fachkräfte anzusprechen, werden für etwa 100 Lehrkräfte der beteiligten Schulen Fortbildungsveranstaltungen angeboten sowie Informationsabende für Eltern durchgeführt. Alle Veranstaltungen sind mit einem weitreichenden Hygieneschutzkonzept versehen und werden durch Lehrkräfte-Workshops und Kurse online ergänzt.

Marco Tullner, Bildungsminister des Landes Sachsen-Anhalt, sagt: „Sexuelle Gewalt alarmiert und erschüttert in jedem einzelnen Fall. Nur mit konzertierter Anstrengung kann es gelingen, diesem Problem wirksam ent-gegenzutreten. Daher beteiligt sich Sachsen-Anhalt an der bundesweiten Initiative ‚Trau dich!‘. Sie fordert uns zum gemeinschaftlichen Handeln gegen sexuellen Missbrauch auf. An unseren Schulen nehmen Pädagoginnen und Pädagogen täglich die Verantwortung an, Kinder und Jugendliche in ihrer Entwicklung zu begleiten. Diese wichtige Aufgabe schließt ein, sensibilisiert zu sein und bei Verdachtsmomenten mit Sensibilität (re-)agieren zu können. Dazu gehört es auch, Mädchen und Jungen über ihre Rechte aufzuklären, über sexuellen Missbrauch zu informieren und Unsicherheiten abzubauen. Diese starke Intention der Initiative unterstützen wir mit Nachdruck.“

Eltern und Fachkräfte einbinden

Prof. Dr. Heidrun Thaiss, Leiterin der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA), betont: „Familien stehen durch die Covid-19-Pandemie vor besonderen Herausforderungen. Eine aktuelle Befragung der BZgA zeigt, dass vor allem Familien mit Kindern unter 14 Jahren, insbesondere während Phasen der Ausgangsbeschränkungen, stark belastet sind. Familiäre Konflikte nehmen zu und der Bedarf an Beratung steigt deutlich an. Vor diesem Hintergrund haben Präventionsinitiativen wie ‚Trau dich!‘ besondere Bedeutung. ‚Trau dich!‘ erreicht Mädchen und Jungen direkt und bestärkt sie darin, sich jemandem anzuvertrauen, wenn ihnen Dinge widerfahren, die sich nicht ‚richtig‘ anfühlen und sie belasten. Kinder dürfen in solchen Situationen nicht sich selbst überlassen werden, deswegen binden wir Eltern und Lehrkräfte aktiv über Elternabende, Fortbildungen und Infomaterial ein. Es ist die Aufgabe und Verantwortung von Erwachsenen, Kinder zu sensibilisieren, aufzuklären und sie vor sexualisierter Gewalt zu schützen.“

Holger Paech, Kinder- und Jugendbeauftragter und Ansprechpartner des Landes Sachsen-Anhalt für Fragen des sexuellen Kindes-missbrauchs, fügt hinzu: „Ebenso wichtig ist es, dass Erwachsene genau wissen, was zu tun ist, wenn sich ihnen ein Kind nach einem Übergriff anvertraut. Fachleute sprechen davon, dass Kinder nach wie vor bis zu acht Anläufe benötigen, bevor ihnen eine erwachsene Person glaubt und dann auch hilft. Das ist nicht hinnehmbar. Maxime muss vielmehr sein: Hinsehen. Hinhören. Und vor allem: Handeln! Egal, ob Kita-Fachkraft, Mathe-Lehrer, Kinderärztin, Trainer im Sport oder Chorleiterin – jeder sollte professionell damit umgehen können, wenn ein Kind oder Jugendlicher von einem sexuellen Übergriff berichtet und Hilfe sucht.“

Maria Urban, Hochschule Merseburg, betont: „Wir wissen, dass statistisch in jeder Schulklasse ein bis zwei Mädchen und ein Junge sitzen, die von sexualisierter Gewalt betroffen waren oder sind. Das Projekt ‚Trau dich!‘ stärkt die Kinder, sensibilisiert Lehrkräfte und Eltern und führt dazu, dass Übergriffen vorgebeugt wird oder sie früher erkannt werden und Kinder Hilfe bekommen. Als Hochschule mit dem einzigen sexualwissenschaftlichen Studiengang im deutschsprachigen Raum bringen wir uns gern in die Arbeit zur Prävention von sexualisierter Gewalt in Sachsen-Anhalt ein und führen für das Projekt ‚Trau dich!‘ die Lehrkräftefortbildungen und Elternabende durch. Dabei ist uns die Zusammenarbeit mit den auf sexualisierte Gewalt spezialisierten Fachberatungsstellen wie Wildwasser oder Miß-Mut e.V. besonders wichtig.“

Weitere Informationen

Alle Eltern erhalten vor den Aufführungen Informationen über das Theaterstück und Hinweise für das Gespräch mit ihren Kindern. Für sie bietet die Initiative „Trau dich!“ einen Eltern-Ratgeber an.

Die Lehrkräfte und Fachkräfte der Kinder- und Jugendhilfe bilden sich durch auf sexualisierte Gewalt spezialisierte Fachberatungsstellen vor Ort weiter. In einem eigens für sie entwickelten Methodenheft erhalten sie Anregungen zur Vor- und Nachbereitung des Theaterstücks. Eltern und pädagogische Fachkräfte finden alle Informationen unter www.trau-dich.de/multiplikatoren.

Das Online-Portal www.trau-dich.de spricht Kinder mit altersgerechten Informationen direkt an. In einer Datenbank finden sie Beratungsstellen und Hilfsangebote in ihrer Nähe. Broschüren mit dem Titel „Du bist stark!“ für Mädchen und Jungen motivieren die Kinder, den eigenen Gefühlen zu vertrauen und sich an eine Vertrauensperson zu wenden.

Für die niedrigschwellige Beratung und Hilfe kooperiert die BZgA mit der kostenfreien, bundesweiten „Nummer gegen Kummer“ (116111), einem Beratungstelefon für Kinder und Jugendliche.

Hintergrund

Im Jahr 2019 gab es 514 erfasste Fälle sexuellen Missbrauchs von Kindern in Sachsen-Anhalt – ein Anstieg im Vergleich zum Vorjahr: Im Jahr 2018 wurden 429 Fälle erfasst. (Quelle: Polizeiliche Kriminalstatistik Sachsen-Anhalt)

Tourplan des Theaterstücks „Trau dich!“ in Sachsen-Anhalt (Stand 09/2020):

  • Magdeburg (Altes Theater): 30. September 2020
  • Dessau (Große Junkers Saal): 11. November 2020
  • Frühjahr und Herbst 2021: Halle, Halberstadt, Stendal, Aschersleben

Quelle: Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung vom 30.09.2020

Back to Top