Child Helpline International

Reden wir über Gewalt...

Ohne Kinderberatungsstellen hätten viele Kinder und Jugendliche keine Möglichkeit, sich an jemanden um Hilfe zu wenden. Und das ist besonders während der Covid-19-Pandemie der Fall. Der Geschäftsführer von Child Helpline International, Patrick Krens, reflektiert die Ergebnisse des Berichts über die globalen Daten der Kinderberatungsstellen aus dem Jahr 2019 und ihre Auswirkungen im Zeitalter von Covid-19.

10.05.2021

Die 27-jährige Sozialarbeiterin Claire nimmt den Hörer für Joe* ab - einen verzweifelten 8-jährigen Jungen. Wie viele Kinder und Jugendliche, die sich an Kindernottelefone wenden, ist er zunächst schüchtern, aber Claire baut behutsam sein Vertrauen auf, zeigt Interesse an seinen Hobbys und seinen Lieblingsfächern in der Schule. Er beginnt, sich zu öffnen, und schließlich verrät er, dass er zwei Klassenkameraden hat, die einen Freund von ihm ständig schlagen. „Sie nennen ihn einen Freak und schlagen ihn wegen seiner Hautfarbe."

Joe sagt, dass er Angst hat, sich in die Situation einzumischen, da er befürchtet, dass auch er geschlagen werden könnte. Claire hört ihm aufmerksam zu und lobt ihn dafür, dass er ihr von seinen Sorgen erzählt hat. Sie erstellt einen Aktionsplan, damit seine Eltern, die Eltern des gemobbten Mitschülers, die Lehrerin und der Schulpsychologe über die Situation informiert werden können. Sie bereitet auch offizielle Briefe an die Bildungsabteilung des Bezirks und an die Jugendabteilung der Polizei für weitere Maßnahmen vor.

Gewalt einer der Hauptgründe zur Kontaktaufnahme

Traurigerweise ist dieser Fall kein Einzelfall. Berater von Kinderberatungsstellen auf der ganzen Welt nehmen die Telefone ab und reagieren auf Nachrichten von Kindern und Jugendlichen, die tagtäglich körperliche, emotionale und sexuelle Gewalt erleben und von ihr bedroht werden. Der neueste Bericht von Child Helpline International „Voices of Children and Young People Around the World" (Stimmen von Kindern und jungen Menschen aus der ganzen Welt) zeigt, dass Gewalt einer der Hauptgründe war, warum Kinder und Jugendliche im Jahr 2019 Kinderberatungsstellen kontaktiert haben. Jedes vierte Mal, wenn ein Kind oder ein Jugendlicher ein Nottelefon kontaktierte, geschah dies wegen eines Anliegens im Zusammenhang mit Gewalt. Insgesamt wurden im Jahr 2019 weltweit schockierende 481.000 Kontakte zu Kinderberatungsstellen wegen Gewalt hergestellt.

Zahlen seit Beginn der Pandemie deutlich gestiegen

Diese Situation hat sich seit dem Beginn der Covid-19-Pandemie aufgrund von Schulschließungen und Abriegelungen noch verschlimmert. Bewegungseinschränkungen haben für einige Kinder bedeutet, dass sie häufiger Gewalt und Missbrauch ausgesetzt sind, und das oft unkontrolliert. Einige unserer Mitgliedsorganisationen haben einen dramatischen Anstieg der Anrufe erlebt. Bei Childline UK stieg die durchschnittliche Anzahl der Beratungsgespräche über häusliche Gewalt und Missbrauch im Juli 2020 um 22 %, bei Childline Kenia um 21 % im Vergleich zu den Werten vor der Schließung. In nur 11 Tagen im März 2020 erhielt Childline Indien über 92.000 Anrufe von Kindern, die um Schutz vor Missbrauch und Gewalt baten.

Der Druck, den Covid-19 auf die Sozial-, Gesundheits- und Kinderschutzsysteme ausübt, hat die Kinderberatungsstellen mehr denn je in den Vordergrund gerückt, und auch andere Akteure wie UNICEF, die Alliance for Child Protection in Humanitarian Action und die Inter-Agency Working Group for Violence Against Children erkennen mehr denn je ihre Notwendigkeit und ihren spezifischen Wert. Es ist ganz einfach: Ohne Kinderberatungsstellen hätten viele Kinder und Jugendliche keine Möglichkeit, sich an irgendjemand zu wenden.

Gewalt und Missbrauch gegen Kinder sind erschreckend weit verbreitet. Es ist kein Geheimnis, dass die Auswirkungen von Kindesmissbrauch und Gewalt über Generationen hinweg andauern. Laut Childhelp werden etwa 30 % der missbrauchten Kinder in späteren Jahren ihre eigenen Kinder missbrauchen, während 80 % der 21-Jährigen, die als Kinder missbraucht wurden, die Kriterien für mindestens eine psychische Störung erfüllen. Es ist ein Problem, bei dem die internationale Gemeinschaft zusammenarbeiten muss, um zu handeln.

Sorgentelefone weltweit sollten durch Investitionen in die Infrastruktur gestärkt werden

Dies sollte damit beginnen, sicherzustellen, dass jedes Kind auf der Welt freien und uneingeschränkten Zugang zu Kinderhilfsdiensten hat. Das bedeutet, dass Regierungen und der IKT-Sektor (Informations- und Kommunikationstechnologie) Kinderberatungsstellen unterstützen sollten, um sicherzustellen, dass sie für alle Kinder und Jugendlichen zugänglich sind. Sorgentelefone sollten durch Investitionen in die Infrastruktur gestärkt werden, um die Kosten für den Service auszugleichen, und es sollten Mittel und Unterstützung zur Verfügung gestellt werden, um das Bewusstsein für Nottelefone auf eine kinderfreundliche Art und Weise zu erhöhen, um sicherzustellen, dass Kinder und Jugendliche wissen, wo sie diese erreichen und Unterstützung bei Gewalt und Missbrauch suchen können. Es ist auch wichtig, dass Regierungen, Kinderschutzbehörden und thematische Fachorganisationen mit Kinderberatungsstellen zusammenarbeiten, um deren Dienste als niedrigschwelligen Einstiegspunkt in nationale Kinderschutzsysteme zu fördern. Strukturierte Partnerschaften sind notwendig, um klare Überweisungswege und Interventionen zum Schutz von Kindern vor Gewalt zu etablieren.  

Der Bericht „Voices of Children and Young People Around the World" steht online zum Download bereit.

*Alle Namen und identifizierenden Merkmale wurden aus dieser Fallstudie entfernt, um die Vertraulichkeit zu wahren und die Anonymität der Beteiligten zu schützen.

Quelle: Child Helpline International vom Mai 2021

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