Kinderschutz
Missbrauchsproblematik: Hessens Justizminister gegen Verlängerung von Verjährungsfristen
Die täglich neuen Fälle von sexuellem Missbrauch in den Bereichen Kirche und Schule haben den Hessischen Justizminister, Jörg-Uwe Hahn, veranlasst, Stellung zu beziehen.
16.03.2010
„Es ist von besonderer Bedeutung, dass jeder Verdachtsfall unverzüglich den zuständigen Strafverfolgungsbehörden angezeigt wird, noch bevor der Weg zu den betroffenen Einrichtungen führt. Nur dann können die Verfahren rückhaltlos aufgeklärt und die Täter ihrer Strafe zugeführt werden“, sagte Hahn gestern.
Eine aktuelle Abfrage beim Generalstaatsanwalt bezüglich der geführten Verfahren wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern und Schutzbefohlenen durch Beschuldigte in den Bereichen Kirche, Schule, Vereine und vergleichbare Institutionen in einem Zeitraum von 2000 bis heute in Hessen hat ergaben, dass insgesamt 54 Fälle (Stand 11.März 2010) behandelt worden sind.
Von den 54 hessischen Fällen richten bzw. richteten sich 20 Fälle gegen Beschuldigte der Gruppe Lehrer / Erzieher im Kindergarten, 16 Fälle gegen Beschuldigte der Gruppe Priester/Pfarrer, 8 Fälle gegen Beschuldigte der Gruppe Tätigkeit in einem Verein, 10 Fälle gegen Beschuldigte in sonstigen bzw. nicht zuzuordnenden Bereichen.
Von den 54 Fällen wurden bislang 42 erledigt. 21 Verfahren endeten mit Verurteilung, davon 19 mit einer Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe. 3 Fälle wurden durch Strafbefehle (davon 1 Freiheitsstrafe) erledigt. Es gab 10 Einstellungen nach §170 Abs. 2 StPO, 4 Einstellungen nach § 153, 153 a StPO. Weitere 4 Verfahren wurden etwa durch die Abgabe des Verfahrens in ein anderes Bundesland erledigt. 12 Verfahren sind noch nicht abgeschlossen.
Minister Hahn wies an dieser Stelle darauf hin, dass die Anzahl der Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung im Jahr 2008 deutlich höher, nämlich bei insgesamt 3832 lag. Dies deute daraufhin, so der Minister weiter, dass der sexuelle Missbrauch vor allem im Kreis der Familien oder des engeren Umfeldes stattfinde.
„Die Opfer in Internaten oder im familiären Umfeld befinden sich meist in Abhängigkeits- und Bedrohungsverhältnissen, die sie von der Einschaltung der Strafverfolgungsbehörden abhalten. Wir brauchen daher eine Kultur des Hinsehens und der offenen Dialoge. Sollte es Verdachtsmomente geben, sollten sich Eltern, Verwandte oder Lehrer nicht scheuen, den Fall zur Anzeige zur bringen“, zeigte sich Minister Hahn überzeugt.
Bezüglich der aktuellen Diskussion über eine Verlängerung der Verjährungsfristen von Sexualstraftaten zeigte sich Justizminister Hahn skeptisch: „Speziell bei Sexualstraftaten liegt die Ursache für eine fehlende Bestrafung der Täter nicht in einer unzureichenden Rechtslage, sondern vielmehr in der fehlenden zeitnahen Anzeige der Taten. Trotz der in ihrem Ausmaß erschreckenden Vorwürfe dürfen wir die rechtsstaatlichen Grundlagen unseres Strafrechts nicht aus den Augen lassen. Eine Verlängerung der Verjährungsfristen widerspräche dem Rechtssystem, da die Verjährungsfristen an das jeweilige Strafmaß gekoppelt sind.“
Abschließend fasste Justizminister Hahn zusammen: “Nicht die Rechtslage ist vorrangig. Das Aufbrechen von Abhängigkeitsstrukturen und eine Kultur des Hinsehens ist Ziel führend.“
Quelle: Ministerium der Justiz, für Integration und Europa des Landes Hessen
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