Flucht und Migration

Vereinfachter und bundesweit einheitlicher Zugang für Flüchtlinge zu medizinischer Grundversorgung

Die gesundheitliche Versorgung von Flüchtlingen erfüllt derzeit an vielen Punkten nicht die gesetzlichen Mindeststandards. Zu diesem Schluss kommt ein heute erschienenes Dossier der Robert Bosch Expertenkommission zur Neuausrichtung der Flüchtlingspolitik.

04.02.2016

Ein erster wichtiger Schritt kann nach Meinung der Experten eine bundesweite Umstellung auf eine verbindliche Gesundheitskarte sein. Bisher muss vielerorts bei jeder einzelnen Behandlung ein Krankenschein bei den Gesundheits- und Sozialämtern beantragt und durch die behandelten Ärzte abgerechnet werden. Im Vergleich dazu könne die Gesundheitskarte Bürokratie abbauen und Kosten vermeiden, wie Erfahrungen aus Bremen und Hamburg zeigen.

"Wir können und müssen den Zugang zu medizinischen Behandlungen für Flüchtlinge auf einem guten Niveau vereinheitlichen und vereinfachen: Das entspricht einem menschenwürdigen Umgang mit Flüchtlingen und ist langfristig auch günstiger für die Gesellschaft", sagt Armin Laschet, Vorsitzender der Robert Bosch Expertenkommission zur Neuausrichtung der Flüchtlingspolitik.

Experten empfehlen bundesweit einheitlichen Zugang zu medizinischer Grundversorgung

Darüber hinaus rät die Kommission zu einer bundeseinheitlichen Grundversorgung, deren Umfang durch ein Expertengremium festgelegt werden soll. Entgegen häufig geäußerter Bedenken sei eine Grundversorgung auf gutem Niveau mit weniger Kosten verbunden als die gegenwärtige Praxis. Das belegen aktuelle Studien. Bislang haben Asylbewerber und Flüchtlinge in den ersten 15 Monaten keinen Anspruch auf volle medizinische Leistungen, sondern nur auf eine Notversorgung. Das führe unter anderem dazu, dass präventive Impfungen wie die gegen Tuberkulose oft erst nach Monaten durchgeführt würden. Gerade in den stark belegten Gemeinschaftsunterkünften steige so die Ansteckungsgefahr.

Experten raten zu mehr medizinischem Personal und psychosozialer Betreuung in Erstaufnahmeeinrichtungen

Um eine gute gesundheitliche Versorgung von Flüchtlingen bereits in Erstunterkünften zu gewährleisten, muss dort zudem die Zahl der Sozialarbeiter und Ärzte aufgestockt werden, so die Experten. Dafür solle auch auf bislang nicht ausgeschöpfte Ressourcen zurückgegriffen werden, wie beispielsweise Ärzte im Ruhestand oder Medizinstudenten im Praktischen Jahr. Vor allem traumatisierte Flüchtlinge seien derzeit unterversorgt und erhalten nicht die nach EU-Recht erforderliche medizinische Hilfe. Ein Ausbau der Behandlungsmöglichkeiten helfe dabei, langfristigen Erkrankungen und damit Folgekosten vorzubeugen.

"Jetzt ist die Zeit, in der wir die Weichen richtig stellen müssen, damit unsere Gesellschaft die Herausforderungen der Flüchtlingszuwanderung erfolgreich meistern kann", sagt Uta-Micaela Dürig, Geschäftsführerin der Robert Bosch Stiftung. "Deshalb bringen wir Experten und Entscheider aus unterschiedlichen Bereichen zusammen, damit über sinnvolle Maßnahmen diskutiert und wirkungsvolle Lösungen entwickelt werden können."

Kommission der Robert Bosch Stiftung

Mit der im März 2015 einberufenen Robert Bosch Expertenkommission zur Neuausrichtung der Flüchtlingspolitik unter Vorsitz von Armin Laschet hat die Stiftung zehn hochrangige Vertreter aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft zusammengebracht, um konkrete Handlungsoptionen und Reformvorschläge für die deutsche Flüchtlingspolitik zu entwickeln. Über Anhörungen, Gespräche und Gutachten bindet die Kommission bedarfsorientiert wissenschaftliche, politische und ethische Expertise von Akteuren und Experten in ihre Arbeit ein und versteht sich dabei als parteipolitisch unabhängiger Berater.

Das <link http: www.bosch-stiftung.de content language1 html _blank external-link-new-window zum themendossier der robert bosch>Themendossier zur Gesundheitsversorgung von Flüchtlingen ist die vierte Publikation aus einer Reihe von Veröffentlichungen. Bereits erschienen sind die Dossiers zu den Themen Sprache, Bildung und Wohnen. Einen umfassenden Abschlussbericht wird die Kommission im Frühjahr 2016 vorlegen.

Mitglieder der Kommission sind

  • Armin Laschet (Vorsitz), Stellvertretender Bundesvorsitzender der CDU und ehemaliger Integrationsminister des Landes Nordrhein-Westfalen
  • Heinrich Alt, Bundesagentur für Arbeit
  • Günter Burkhardt, Geschäftsführer Pro Asyl
  • Peter Clever, Mitglied der Hauptgeschäftsführung der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände
  • Dr. Michael Griesbeck, Vizepräsident des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge, Nürnberg
  • Prof. Dr. Renate Köcher, Geschäftsführerin des Instituts für Demoskopie Allensbach
  • Dr. Ulrich Maly, Oberbürgermeister der Stadt Nürnberg und Vize-Präsident des Deutschen Städtetags
  • Bilkay Öney, Ministerin für Integration des Landes Baden-Württemberg, Stuttgart
  • Roland Preuß, Süddeutsche Zeitung
  • Hans Peter Wollseifer, Präsident des Zentralverbands des Deutschen Handwerks
  • Prof. Dr. Christine Langenfeld, Vorsitzende des Sachverständigenrats deutscher Stiftungen für Integration und Migration (Gast)

Quelle: Robert Bosch Stiftung vom 04.02.2016

Redaktion: Kerstin Boller

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