Flucht und Migration

Regierungserklärung zum EU-Gipfel: Flüchtlingskrise europäisch lösen

Vor dem EU-Gipfel macht sich Bundeskanzlerin Merkel weiterhin für eine europäische Lösung der Flüchtlingskrise stark. Ziele seien: weniger einreisende Flüchtlinge, eine faire Lastenteilung und das Ende der illegalen Einreise über die Ägäis. Die bewilligten Mittel für Flüchtlingsprojekte sollen vor allem in Unterbringung, Schulen und die medizinische Versorgung fließen.

16.03.2016

Deutschland werde es auf Dauer nur "gut gehen, wenn es Europa gut geht", so Bundeskanzlerin Angela Merkel. In ihrer Regierungserklärung vor dem Deutschen Bundestag forderte sie erneut einen gesamteuropäischen Ansatz bei der Lösung der Flüchtlingskrise. Ziel sei die Einreise weniger Flüchtlinge in die EU, eine faire Lastenverteilung und das Ende der illegalen Einreise über die Ägäis. Dabei kommt der Türkei eine Schlüsselrolle zu.

Der Europäische Rat im März sei traditionell der Gipfel, der sich mit der wirtschaftlichen Lage und dem Europäischen Semester beschäftige. Im Mittelpunkt der morgigen Beratungen werde es jedoch um die Flüchtlingspolitik und die weitere Zusammenarbeit mit der Türkei gehen, so die Bundeskanzlerin.

Dauerhaft tragfähige Lösung finden

Merkel äußerte sich überzeugt davon, dass es bei dem Treffen in Brüssel zu einer "dauerhaft tragfähigen gesamteuropäische Lösung" kommen kann. Der Gipfel könne zu einer "durchaus entscheidenden Wegmarke" zur Lösung des Flüchtlingsproblems in Europa werden. "Wir brauchen ein Europa, in dem gemeinsame Herausforderungen durch europäische Solidarität und durch gemeinsames Handeln gemeistert werden", so die Bundeskanzlerin weiter.

Für sie sei es aber auch wichtig, dass Europa als ein reicher Kontinent in der Lage sein müsse, die größte Herausforderung seit Jahrzehnten zu meistern, sagte die Kanzlerin. Erneut machte sie deutlich, dass es jetzt darauf ankomme, die Ursachen der Flüchtlingskrise zu bekämpfen. Die Menschen müssten eine Perspektive erhalten, in ihren Heimatländern zu leben. Europa müsse denen helfen, die wirklich auf "unseren Schutz angewiesen" seien.

Gesamteuropäischer Ansatz erforderlich

Merkel verwies noch einmal auf einen gesamteuropäischen Ansatz bei der Frage, die Flüchtlingszahlen zu reduzieren. Dies sei erforderlich, weil gerade Deutschland von der Reisefreiheit in Europa profitiere. Nur mit einer gesamteuropäischen Lösung könne man verhindern, dass mit einer Schließung der Binnengrenzen die Fluchtrouten verlagert würden.

Von neuen komplizierteren und gefährlicheren Routen würden nur die kriminellen Schlepper profitieren. "Den höchsten Preis bezahlten die Flüchtlinge dann häufig mit ihrem Leben. Aber auch wir Deutschen und Europäer zahlten einen hohen Preis, weil ja offenkündig würde, dass bisherige Maßnahmen nur Scheinlösungen gewesen wären, die lediglich an den Symptomen der Krise ansetzen, nicht aber an den Ursachen In der Folge wäre die Enttäuschung der Bürger noch um ein Vielfaches größer als manche Sorge heute."

Wichtig sei es auch, keinen Mitgliedstaat allein zu lassen, das gelte besonders für Griechenland.

Hilfe für Flüchtlinge an griechisch-mazedonischer Grenze

Mit Blick auf die Flüchtlingssituation in Idomeni hob die Bundeskanzlerin die Unterstützung der Bundesregierung für Griechenland hervor. Auch Griechenland selbst habe erste Erfolge zu verzeichnen. So seien Hotspots in Betrieb gegangen und damit eine umfassende Registrierung aller ankommenden Flüchtlinge. "Wir haben erhebliche Fortschritte bei der Registrierung und Aufnahme in die EURODAC-Datenbank zu verzeichnen. Das gilt auch für die Bereitstellung von Flüchtlingsunterkünften, nachdem es zuvor viel zu viele Verzögerungen gegeben hatte." Griechenland wolle gemeinsam mit den anderen 27 Mitgliedsstaaten und dem UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR die Krise humanitär vertretbar lösen, so Merkel.

Illegale Einwanderung über die Türkei stoppen

Die Bundeskanzlerin verteidigte die geplante enge Zusammenarbeit mit der Türkei. Das Land hatte sich dazu bereit erklärt, alle illegal in Griechenland ankommenden Flüchtlinge zurückzunehmen. Im Gegenzug soll die EU für jeden zurückgenommenen syrischen Flüchtling einen Syrer legal aufnehmen. Das könnte dazu führen, den Schleppern die Geschäftsgrundlage zu entziehen, so Merkel weiter.

Die Rückführung aller neuen irregulären Migranten und Asylbewerber müsse in vollem Einklang mit dem Europa- und Völkerrecht erfolgen. So seien auch die Bestimmungen über den Schutz von Flüchtlingen und ihre Rechte einzuhalten. Als Grundlage für die weiteren Verhandlungen mit der Türkei in der Flüchtlingskrise habe die Europäische Kommission heute sechs Grundsätze veröffentlicht, darauf wies die Bundeskanzlerin hin.

Faire Lastenteilung mit der Türkei

Die Zusammenarbeit mit der Türkei habe erste Ergebnisse zu verzeichnen. Die Kanzlerin hob den Nato-Einsatz in der Ägäis hervor, der nun Schritt für Schritt in Gang komme. Auch die Türkei selbst habe ein Interesse an einer nachhaltigen Lösung. Wie die Bundeskanzlerin herausstellte, müsse es zu "einer fairen Teilung der Lasten kommen". Sie halte den türkischen Wunsch nach mehr finanzieller Hilfe für völlig nachvollziehbar.

"Das, was die Türkei für weit über 2 Millionen Flüchtlingen, genau gesagt etwa 2,7 Millionen Flüchtlinge, in ihrem Land seit Jahren leistet, kann gar nicht hoch genug gewürdigt werden. Es gereicht Europa nicht zur Ehre sich als Union von 28 Mitgliedssaaten mit 500 Millionen Bürgern bislang so schwer getan zu haben die Lasten zu teilen."

Die bereits bewilligten drei Milliarden Euro für Flüchtlingsprojekte seien nur ein erster Schritt gewesen. "Erste 95 Millionen Euro wurden bereits ausgezahlt. Sie helfen 100.000 Flüchtlingskindern, den Schulbesuch zu ermöglichen und zwar im arabischen Unterricht und 700.000 Syrern mit Lebensmitteln zu versorgen." Entscheidend sei es nun, dass diese Mittel auch tatsächlich in sinnvolle Projekte fließen, in Unterbringung, in Schulen oder medizinische Versorgung.

Zur vertieften Zusammenarbeit mit der Türkei und ihrem Wunsch nach einem schnellen EU-Beitritt sagte Merkel: Hier werde sich Deutschland weiterhin für ergebnisoffene Beitrittsverhandlungen einsetzen. Ein Beitritt stehe nicht auf der Tagesordnung.

Schengenraum erhalten, Dublin-Verträge reformieren

"Zu einer gesamteuropäischen Lösung gehört außerdem langfristig auch, das Dublin-System zu reformieren." Die Kanzlerin wies darauf hin, dass die EU-Kommission demnächst Vorschläge vorlegen werde. "Denn wir müssen wissen, wie wir das Dublin-System an die veränderten Gegebenheiten anpassen und zukunftsfest machen können. Ich sage ganz klar: Nur mit einer Reform von Dublin werden wir Schengen langfristig aufrechterhalten können. Denn zu einer gesamteuropäischen Lösung gehört nicht zuletzt auch, dass wir schrittweise zu den offenen Binnengrenzen zurückkehren können, von denen wir im Schengenraum so sehr profitieren."

Quelle: Presse- und Informationsamt der Bundesregierung vom 16.03.2016

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