Flucht und Migration

Niedersachsen: Medizinische Altersfeststellung unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge

In ihrer Rede im Niedersächsischen Landtag am 25. Januar 2018 gibt Sozialministerin Dr. Carola Reimann einen Überblick über das Verfahren zur Feststellung der Minderjährigkeit nach der geltenden Rechtslage in der Kinder- und Jugendhilfe. Das praktizierte abgestufte Altersfeststellungsverfahren habe sich laut Reimann bewährt und sei einem DNA-Test, der ein viel größerer Eingriff in die allgemeinen Persönlichkeitsrechte ist, vorzuziehen.

30.01.2018

      - Es gilt das gesprochene Wort -

Sozialministerin Dr. Carola Reimann: „Ich möchte zunächst einen allgemeinen Überblick über das Verfahren zur Feststellung der Minderjährigkeit nach der geltenden Rechtslage in der Kinder- und Jugendhilfe geben: Nach unbegleiteter Einreise haben die Jugendämter die jungen Menschen vorläufig in Obhut zu nehmen. Damit sind sie die erstzuständige Institution und nicht das BAMF. Im Rahmen der vorläufigen Inobhutnahme haben sie (nach § 42 f SGB VIII) die Aufgabe der Altersfeststellung. Das ist seit 2015 gesetzlich normiert.

Für die Altersfeststellung ist ein abgestuftes Verfahren vorgesehen: Zunächst hat das Jugendamt (nach § 42 f SGB VIII) die Minderjährigkeit der betroffenen Person durch Einsichtnahme in deren Ausweispapiere oder ähnliche Dokumente festzustellen. Sind aussagekräftige Ausweispapiere nicht vorhanden, bleibt zunächst nur die Selbstauskunft der oder des Betreffenden. Verbleiben danach Zweifel, ist eine Alterseinschätzung in Form einer qualifizierten Inaugenscheinnahme vorzunehmen. Diese wird von zwei Fachleuten durchgeführt und würdigt den Gesamteindruck. Er umfasst neben dem äußeren Erscheinungsbild insbesondere die Bewertung der im Gespräch gewonnenen Informationen zur Herkunft, Fluchtgeschichte und zum körperlichen und geistigen Entwicklungsstand. Das kann auch ein mehrtägiges Verfahren sein. Wenn die qualifizierte Inaugenscheinnahme nicht zu einem hinreichend sicheren Ergebnis führt, hat das Jugendamt auf Antrag der betroffenen Person, ihrer gesetzlichen Vertretung oder von Amts wegen bereits heute eine ärztliche Untersuchung zu veranlassen (§ 42 f Abs. 2 SGB VIII). Bislang werden dazu in Zweifelsfällen Röntgenaufnahmen der Hand oder der Schlüsselbeine sowie eine zahnärztliche Untersuchung veranlasst.

Aktuell tauchen zwei neue Verfahren zur Altersfeststellung in der Diskussion auf: ein DNA-Test sowie ein sogenannter PRISMA-Handscanner. Der Handscanner befindet sich allerdings noch im Entwicklungsstadium, so dass über diesen noch keine belastbaren Aussagen möglich sind. Der DNA-Test bringt keine genaueren Ergebnisse als bisherige Verfahren zur medizinischen Altersfeststellung.

Allen, die nun auf den DNA-Test setzen, möchte ich sagen, dass den nach mir vorliegenden Kenntnissen die Ergebnisse nicht genauer und sicherer sind. Bei dem Test wird nicht die DNA-Sequenz, sondern der Methylierunsgrad der DNA untersucht; dieser hängt mit der Aktivierung der DNA zusammen und wurde für die Untersuchung von Tumoren entwickelt. Dabei hat man herausgefunden, dass man mit dem Methylierungsmuster auch Alterungsprozesse verfolgen kann. In der Medienlandschaft ist bislang nur der Erfinder und Entwickler des DNA-Tests zu Wort gekommen. Eine DNA-Analyse ist ein viel größerer Eingriff in die allgemeinen Persönlichkeitsrechte, denn man kann Verwandtschaftsverhältnisse und ethnische Herkunft ermitteln. Keine der genannten Methoden kann das genaue Geburtsdatum ermitteln, es bleiben immer Ungenauigkeiten von ein bis zwei Jahren.

Ich halte eine routinemäßige medizinische Untersuchung im Rahmen der Altersfeststellung für nicht erforderlich. Denn das praktizierte abgestufte Altersfeststellungsverfahren hat sich bewährt."

Quelle: Niedersächsisches Ministerium für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung vom 25.01.2018

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