Flucht und Migration

"Medizin hilft Flüchtlingen" – Gesundheit ist ein Menschenrecht

Jeder hat Anspruch auf medizinische Versorgung – auch Menschen, die nach Deutschland geflohen sind. Die Initiative "Medizin hilft Flüchtlingen" entstand vor knapp zwei Jahren, um Asylsuchende unbürokratisch und schnell medizinisch zu versorgen. Mitunter betreute sie mehr als 3.000 Flüchtlinge an fünf Standorten in Berlin.

03.11.2016

Musa kommt heute in die offene Sprechstunde von "Medizin hilft Flüchtlingen". Er hat ein Schreiben dabei, auf dem seine Laborwerte stehen. Ein großes Blutbild war notwendig geworden: Musa litt unter verschiedenen Symptomen, die sich ohne weitere Untersuchungen nicht klar zuordnen ließen. Nun braucht er Hilfe, das Schreiben zu verstehen - und zwar in zweierlei Hinsicht: sprachlich und medizinisch.

Barbara Grube, eine der ehrenamtlich tätigen Ärzte der Initiative, lässt sich die Übersicht mit den Laborwerten geben. Auf Englisch versucht sie zu erklären, was alles in Ordnung ist – und was nicht. Hier reichen die Englischkenntnisse nicht mehr aus. Musa hat leider ein Problem mit seiner Schilddrüse und muss künftig regelmäßig Medikamente nehmen. Eine Sprachmittlerin ist dabei und übersetzt auf Arabisch, was nun zu tun ist.

Große Hilfsbereitschaft in der Nachbarschaft

Angefangen hat alles im Dezember 2014. In einer Turnhalle im Berliner Bezirk Dahlem wurden Flüchtlinge einquartiert. Die Hilfsbereitschaft der Nachbarschaft war groß, Kleiderspenden und Spielzeug wurden zur Flüchtlingsunterkunft gebracht. Gespendet haben auch Ärztinnen und Ärzte. Ihnen war schnell klar: Die Flüchtlinge brauchen dringend auch eine medizinische Versorgung.

"Gesundheit ist ein Menschenrecht. Doch trotz des gut ausgebauten Gesundheitssystems in Deutschland gibt es das Problem, dass für viele der Zugang nicht gewährleistet ist. Einigen bleibt der Anspruch auf Gesundheitsleistungen verwehrt und andere finden trotz rechtlichen Anspruchs nicht den Weg in die Regelversorgung. Dies betraf im vergangenen Jahr vor allem Flüchtlinge. Hier wollen wir helfen, vorhandene Lücken in der Gesundheitsversorgung zu schließen", beschreibt die Ärztin Laura Hatzler von der Initiative ihre Motivation.

Unbürokratisch medizinische Hilfe leisten

Heute bietet der Verein in vier Flüchtlingsheimen ein- bis dreimal pro Woche kostenlose Sprechstunden an. "Vor allem Kinder und Jugendlichen kommen in unsere Sprechstunden. Gerade bei ihnen können kleine Infektionskrankheiten zu gefährlichen Komplikationen führen. Ob eine stationäre Behandlung notwendig ist, kann nur ein Arzt entscheiden", so Hatzler.

Anfangs haben vor allem neu ankommende Flüchtlinge das Angebot genutzt. Mittlerweile ist ein Großteil der Ratsuchenden registriert. Sie haben Anspruch auf medizinische Versorgung von niedergelassenen Ärzten und in den Krankenhäusern. Oft jedoch finden die Flüchtlinge in akuten Fällen keinen Arzt oder keinen Sprachmittler, der sie zum Arzt begleiten.

Lotsen im deutschen Gesundheitssystem

"Viele Flüchtlinge scheitern aufgrund ihres Fremdseins schon bei dem Versuch, einen Termin bei einem niedergelassenen Arzt zu finden." Doch es fehlten nicht nur das Wissen um das deutsche Gesundheitssystem sowie ausreichende Sprachkenntnisse. "Sie werden von Praxen abgewiesen. Warum, ist nicht einfach zu beantworten. Die Gründe reichen von Überforderung über Unwissen bis hin zu Unbehagen", stellt Laura Hatzler fest.

Daher hat die Initiative ein Netzwerk von Arztpraxen aufgebaut. Die kooperierenden Praxen nehmen kranke Flüchtlinge an. "Medizin hilft Flüchtlingen" stellt Wegbeschreibung in verschiedenen Sprachen zur Verfügung und ist bei der Suche nach Sprachmittlern behilflich.

Auch bei psychischen Erkrankungen will die Initiative helfen. "So organisieren wir beispielsweise den Ablauf der ehrenamtlichen psychiatrischen Sprechstunden von "Charité hilft" am Ostpreußendamm. Eine weitere Kooperation besteht mit einem Zentrum für traumatisierte Flüchtlinge und Überlebende von Folter", erklärt Hatzler.

Wissen verbreiten durch neue Medien nutzen

Damit Asylsuchende sich ins deutsche Gesundheitssystem integrieren können, braucht es ausreichende Informationen. Solche benötigen nicht nur Flüchtlinge, sondern auch Arztpraxen und Krankenhäuser.

Auf der Internetseite der <link http: www.medizin-hilft-fluechtlingen.de external-link-new-window der>Initiative "Medizin hilft Flüchtlingen" findet sich in verschiedenen Sprachen ein reichhaltiges Angebot zum Download: von Informationen zum "grünen" Schein für Asylbewerber über Hinweise zur Medikamenteneinnahme bis hin zu Impfempfehlungen.

"Die Internetseite wird intensiv genutzt mit über 60.000 Klicks, davon 30.000 im Download-Bereich für Informationen und Dokumente. Zahlreiche Institutionen, darunter die Landesärztekammern und die Bundesärztekammer, verweisen darauf. Deshalb haben wir uns entschieden, das Angebot auf einer neuen Internetpräsenz auszubauen. Die Seite <link http: www.medizin-hilft.org external-link-new-window von medizin hilft e.>www.medizin-hilft.org ging am 1. Oktober 2016 online. Darüber hinaus möchten wir die Informationen auch aufsuchend durch Veranstaltungen in Flüchtlingsunterkünften vermitteln", so Hatzler.

Offene Sprechstunde für alle – in eigenen Räumen

Das Angebot der Initiative steht nicht nur Flüchtlingen offen. Alle können zu den Sprechstunden kommen - auch Menschen ohne Papiere oder Menschen ohne Krankenversicherung. Aber die Hemmschwelle, eine Sprechstunde in einer Flüchtlingsunterkunft aufzusuchen, ist oft groß.

Daher hat der Verein als ersten eigenen festen Standort ein neues Ambulanzzentrum eröffnet, verkehrsgünstig gelegen am S-Bahnhof Zehlendorf. Die Initiative "Medizin hilft Flüchtlingen" hat sich weiterentwickelt. Sie ist mittlerweile Teil des neu gegründeten Vereins "Medizin hilft". Der veränderte Vereinsname signalisiert: Alle, die medizinische Hilfe brauchen und keinen Zugang zum regulären Gesundheitssystem finden, sind willkommen. Das sind weiterhin Flüchtlinge, aber eben nicht ausschließlich.

Seit Oktober bietet "Medizin hilft" in Zehlendorf medizinische Sprechstunden und psycho-soziale Beratung an. Die Initiative stellt notwendige Medikamente und Hilfsmittel zur Verfügung.

Möglich ist diese Anlaufstelle durch eine Kooperation mit Ärzte der Welt und durch einige große Spenden privater Geldgeber wie Rotary International. Ärzte der Welt ist die deutsche Sektion der international tätigen medizinischen Hilfsorganisation "Médecins du Monde".

Etwa 120 ehrenamtliche Ärzte, Pfleger, Sprachmittler und nichtmedizinische Helfer arbeiten bei "Medizin hilft" zusammen. Der Verein übernimmt auch die Kosten für dringend benötigte Medikamente und die Ausstattung der Behandlungsräume. Wer die Arbeit unterstützen möchte, wendet sich bitte an <link mail>info@medizin-hilft.org.

Quelle: Presse- und Informationsamt der Bundesregierung vom 03.11.2016

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