Flucht und Migration

Hilfe für traumatisierte Flüchtlinge ist nötig und möglich: Wissenschaftsakademien zeigen Maßnahmen auf

Flüchtlinge erleben häufig vor und während der Flucht ein immenses Ausmaß an Gewalt und lebensbedrohlichen Situationen oder wurden Zeugen von solchen traumatisierenden Ereignissen. Bei vielen Betroffenen führen diese Erfahrungen zu psychischem und körperlichem Leid. Ein Teil der Flüchtlinge ist dadurch nicht in der Lage, den Alltag zu bewältigen, soziale Beziehungen einzugehen oder eine neue Sprache zu erlernen. Niederschwellige Angebote, beispielsweise geschulte begleitende Beraterinnen und Berater, können den Betroffenen effektiv und kosteneffizient helfen.

25.04.2018

Darauf weisen die Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina und die Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften in der gemeinsam veröffentlichten Stellungnahme „Traumatisierte Flüchtlinge – schnelle Hilfe ist jetzt nötig“ hin. In der Stellungnahme empfehlen die Akademien erprobte Maßnahmen, mit denen traumatisierte Flüchtlinge schneller identifiziert und therapeutisch besser versorgt werden können. Damit können eine gelungene Integration in die Gesellschaft und die Prävention von schwerwiegenden Fällen befördert werden.

Screening, um möglichen Behandlungsbedarf erkennen zu können

In der Stellungnahme beschreiben die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler den Zusammenhang zwischen traumatisierender Belastung und den negativen Folgen für die Betroffenen sowie die nachfolgenden Generationen. Effektive psychosoziale Hilfe muss hier rechtzeitig ansetzen, damit Sprachkurse und die Integration in das Bildungssystem und den Arbeitsmarkt gelingen können. Die Expertinnen und Experten empfehlen, allen Flüchtlingen direkt nach der Aufnahme in den Unterkünften der Kommune ein wissenschaftlich validiertes Screening anzubieten, um einen möglichen Behandlungsbedarf erkennen zu können.

Differenziertes Unterstützungs- und Versorgungsmodell

Nicht alle traumatisierten Flüchtlinge benötigen eine vollumfängliche Psychotherapie. In der Stellungnahme wird daher ein differenziertes Unterstützungs- und Versorgungsmodell empfohlen, das niederschwellige Unterstützungsmaßnahmen und professionelle psychotherapeutische Angebote miteinander verbindet. Bei der Umsetzung von niederschwelligen Unterstützungsmaßnahmen spielen sogenannte Peer-Beraterinnen und -Berater eine zentrale Rolle. Dies sind Personen mit Migrationshintergrund oder eigenen Fluchterfahrungen. Sie teilen den kulturellen Hintergrund und die Sprache mit den Betroffenen, sind aber auch mit den Gegebenheiten in Deutschland vertraut. Sie begleiten, vermitteln und dolmetschen. Nach entsprechender Schulung können sie frühzeitig Handlungsbedarf erkennen und niederschwellige Angebote empfehlen.

Zusammenarbeit von Therapeuten und Peer-Beratern

Schwer traumatisierte Flüchtlinge wiederum benötigen eine psychotherapeutische Behandlung durch approbierte Therapeutinnen und Therapeuten. Die Akademien empfehlen, unter Fallverantwortung eines approbierten Therapeuten, Peer-Berater nach einer intensiven Schulung auch in diesem Behandlungskontext unterstützend einzusetzen. Die Wirksamkeit von Trauma-therapeutischer Unterstützung durch geschulte Laien wurde in internationalen Studien nachgewiesen.

Die vorgeschlagenen Maßnahmen können dazu beitragen, dass die psychische Integrität der Betroffenen wiederhergestellt wird und dass negative Folgen für die Kinder der Betroffenen sowie für die Gesellschaft als Ganzes vermindert oder vermieden werden. Um ein solches differenziertes Begleitungs- und Behandlungskonzept umzusetzen, müssen die Akteure, vor allem in den Ländern und Kommunen, auch finanziell in die Lage versetzt werden.

Download der Stellungnahme

Die 40-seitige Stellungnahme „Traumatisierte Flüchtlinge – schnelle Hilfe ist jetzt nötig“ (PDF, 673) ist in Zusammenarbeit der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina mit der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften entstanden und Ergebnis einer Arbeitsgruppe. Die Stellungnahme ist frei zugänglich und steht als Download zur Verfügung.

Quelle: Deutsche Akademie der Naturforscher Leopoldina e.V. und Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften vom 24.04.2018

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