Flucht und Migration

Hessen stellt Konzept zur Sprachförderung von jungen Flüchtlingen vor

Der Hessische Kultusminister Lorz und Sozial- und Integrationsminister Grüttner stellen das Konzept "Integration und Abschluss (InteA)" zur Sprachförderung für junge Flüchtlinge, Spätaussiedler und Zuwanderer (Seiteneinsteiger) in beruflichen Schulen vor.

20.05.2015

Kultusminister Prof. Dr. R. Alexander Lorz und Sozial- und Integrationsminister Stefan Grüttner haben am 20. Mai in Wiesbaden das Konzept der Landesregierung zur Sprachförderung und allgemeinen und beruflichen Bildung für junge Flüchtlinge, Spätaussiedler und Zuwanderer (Seiteneinsteiger) in beruflichen Schulen vorgestellt. Unter dem Titel "Integration und Abschluss (InteA)" ist die Ausdehnung des hessischen Sprachförderkonzepts auf den Bereich der beruflichen Schulen zusammengefasst.

"Die Hessische Landesregierung sieht sich in der Verantwortung, für die in Hessen ankommenden begleiteten und insbesondere unbegleiteten Flüchtlingskinder und Jugendlichen möglichst gute Aufnahmebedingungen und Bildungsmöglichkeiten zu schaffen, d. h. einen Beitrag zur gesellschaftlichen Integration zu leisten" betonten Lorz und Grüttner. "Das Beherrschen der deutschen Sprache ist dabei der Schlüssel zum Schulerfolg und zur Teilhabe an der Gesellschaft." Das Konzept wurde gemeinsam vom Kultusministerium (HKM) und dem Ministerium für Soziales und Integration (HMSI) als Förderkonzept für die künftige Beschulung von Seiteneinsteigern ohne Deutschkenntnisse erarbeitet.

Einrichtung von Intensivklassen für 16 – 18-Jährige

"Die Gruppe der jugendlichen Seiteneinsteiger im Alter von 16 bis 18 Jahren rückt immer mehr in den Fokus", erklärte Kultusminister Lorz. Daher werde nach dem Vorbild der etablierten und erfolgreichen Intensivsprachfördermaßnahmen im allgemeinbildenden Bereich die flächendeckende Einrichtung von Intensivklassen auch an beruflichen Schulen zum Schuljahr 2015/16 erfolgen. "Mit der Einrichtung von InteA ermöglichen wir ein schulisches Angebot für die Gruppe der Seiteneinsteiger ohne Deutschkenntnisse in allen Altersgruppen, das mit den Vorlaufkursen im Vorschulbereich beginnt, über die Intensivmaßnahmen in den allgemeinbildenden Schulen reicht, und nun auch in den beruflichen Schulen fest verankert wird." Damit bestehe in Hessen ab dem Schuljahr 2015/16 ein schulisches Gesamtsprachförderkonzept, das auf die verschiedenen individuellen Bedürfnisse der Betroffenen eingehe, so der Kultusminister.

Ein möglichst hessenweites und flächendeckendes Angebot

"Wir setzen dabei auf ein möglichst hessenweites und flächendeckendes Angebot und haben bewusst auf die Einrichtung einer möglichen ‚Flüchtlingsschule‘ verzichtet, um auch eine zeitnahe und regionale Integration in unsere Gesellschaft zu ermöglichen und die Flüchtlinge nicht von Anfang an zu separieren", sagte Lorz. Zahlreiche Bundesländer haben in den vergangenen Monaten sogenannte Sprachförderklassen eingerichtet. Das Land Hessen verfügt jedoch durch sein Sprachförderkonzept mit den Intensivmaßnahmen über ein bereits seit 2003 erfolgreich funktionierendes System an den allgemeinbildenden Schulen.

Integrationsminister Stefan Grüttner nannte InteA einen "wichtigen Baustein unter weiteren Maßnahmen", die die Hessische Landesregierung im September 2014 im Rahmen des Maßnahmenpaketes Asyl zugesagt hatte. "Die weiter steigende Zahl der Menschen, die Schutz vor Krieg und den Krisenherden der Welt suchen, stellt Bund, Länder und Kommunen vor eine gemeinsame große Herausforderung. Wir haben hier in Hessen die Weichen bislang immer gut stellen können. Mit dem Maßnahmenpaket Asyl konnten bereits neue Erstaufnahmeeinrichtungen geschaffen werden. Wir unterstützen die Kommunen, indem wir zum 1. Januar dieses Jahres die Pauschalen für die Unterbringung der Flüchtlinge erhöht haben", nannte Grüttner Beispiele. "Mit InteA setzen wir bei Spracherwerb und Bildung an, denn beides sind Schlüssel zu persönlichem und beruflichem Erfolg und damit zu echter Integration. Deshalb freue ich mich, dass wir uns gemeinsam mit dem Kultusministerium für die Schul- und Berufsbildung junger Flüchtlinge und Zuwanderer einsetzen. Mit InteA erfüllen wir damit zuverlässig eine weitere Zusage, die ich im Zuge des Maßnahmenpaketes Asyl gemacht habe." Der Sozialminister betonte, dass die Hessische Landesregierung insgesamt über 380 Millionen Euro in den Bereich der Flüchtlinge gebe. "Das ist eine große Anstrengung in einer angespannten Haushaltslage und in Zeiten der Schuldenbremse, aber sie ist alternativlos."

InteA: auf bewährte Strukturen zurückgreifen

Das Förderkonzept InteA wird bereits seit dem laufenden Schuljahr 2014/15 an drei ausgewählten Pilotstandorten (Wilhelm-Merton-Schule Frankfurt, Friedrich-Feld-Schule Gießen, Willy-Brandt-Schule Kassel) erprobt. Das neue Konzept greift einerseits bewährte Strukturen bisheriger Programme auf, z.B. von EIBE (Eingliederung in die Berufs- und Arbeitswelt) hinsichtlich der sozialpädagogischen Betreuung, stellt aber andererseits im Wesentlichen eine Neukonzeptionierung dar, denn es zielt speziell auf die sehr unterschiedlichen Lebenslagen der Seiteneinsteigerinnen und Seiteneinsteiger ab.

"InteA stellt ganz deutlich den Erwerb der Bildungssprache Deutsch in enger Verbindung mit dem handlungsorientierten Fachsprachenerwerb in den Fokus", erklärte Lorz. Die hoch motivierten Flüchtlinge und Zuwanderer sollten möglichst schnell nach ihrer Einreise mit einem bedarfsgerechten Bildungsangebot versorgt werden, um ihnen schulische Abschlüsse und rasche Übergänge in weiterführende Schulen, in die unterschiedlichen Bildungsgänge der beruflichen Schulen oder in eine duale Ausbildung und damit die Integration in das Beschäftigungssystem zu ermöglichen.

Hauptzielgruppe von InteA sind diejenigen Seiteneinsteiger, die zum Zeitpunkt der Einreise 16 Jahre und älter sind und somit nicht mehr der Vollzeitschulpflicht unterliegen, die beim Einstieg in das Programm ihr 18. Lebensjahr in der Regel aber noch nicht vollendet haben. "So ermöglichen wir für diese Jugendlichen eine zweijährige Beschulung", erklärte der Kultusminister weiter. Da das Erreichen der Volljährigkeit nur für die Aufnahme in das schulische Angebot entscheidend ist, kann ein knapp volljähriger Schüler bei entsprechendem Sprachförderbedarf bis kurz vor seinem 20. Geburtstag eine Intensivklasse im Rahmen von InteA besuchen. Bei der landesweiten Einführung von InteA im kommenden Schuljahr 2015/16 wird es eine Übergangsregelung für die über 18-Jährigen geben, die aktuell im ersten Jahr die Schule besuchen und aufgrund ihrer noch geringen Sprachkenntnisse den Bedarf für ein weiteres Jahr der Förderung haben, da sie ansonsten nicht in den Arbeitsmarkt integriert werden können. Damit würde auch dieser Gruppe eine zweijährige Sprachförderung ermöglicht.

Finanzierung von Sozialpädagogikstellen

"Diese Jugendlichen brauchen unsere besondere Hilfe, da das Zeitfenster für eine Überleitung in eine qualifizierte Schul- oder auch Berufsbildung ausgesprochen klein ist", ergänzte der Sozialminister. "Die Fördermaßnahmen für diese Zielgruppe müssen deshalb ganz gezielt an der Kompensation des Hauptdefizits der fehlenden Deutschkenntnisse in Kombination mit einer sozialpädagogisch orientierten Netzwerkarbeit ansetzen, damit der Übergang Schule und Beruf optimiert werden kann." Das Sozial- und Integrationsministerium stelle für die Finanzierung von Migrations- bzw. Sozialpädagogikstellen bereits in diesem Jahr 645.000 Euro zur Verfügung. Insgesamt werden rund 26 Stellen finanziert", so Grüttner.

Das InteA-Konzept sieht außerdem die Möglichkeit einer begrenzten Aufnahme von 18 bis 21-Jährigen im Rahmen der Flexibilisierungsregelung vor und ermöglicht den beruflichen Schulen damit eine erhöhte Flexibilität bei der Umsetzung. Darüber hinaus erhielten die über 18-Jährigen durch die Aufnahme- und Beratungszentren an den beruflichen Schulen ggf. eine Beratung hinsichtlich anderer außerschulischer Sprachförderung, um die Wege zu (externen) schulischen Abschlüssen und in die duale Ausbildung sowie die Eingliederung in den Arbeitsmarkt zu ebnen und zu ermöglichen, erläuterten Lorz und Grüttner.

Schwerpunkt- und kooperierende Schule

Das Sprachförderangebot InteA soll es an beruflichen Schwerpunktschulen geben. An diesen Schulen sollen mindestens vier Gruppen gebildet werden können. So kann man aufgrund der unterschiedlichen Sprachniveaus der Schülerinnen und Schüler hinsichtlich des Sprachförderangebotes ausreichend differenzieren und eine hohe Flexibilität und Durchlässigkeit ermöglichen. An den kooperierenden Schulen erfolgt die Sprachförderung binnendifferenzierend. Jede Schwerpunktschule erhält außerdem eine Ressource für die Einrichtung eines Aufnahme- und Beratungszentrums als Außenstelle des Staatlichen Schulamtes.

Die Stellenanteile für die vom HMSI finanzierte Migrations-/Sozialpädagogik werden den InteA-Schwerpunktschulen entsprechend der Anzahl dort und an den jeweiligen Kooperationsschulen eingerichteten Intensivklassen (InteA-Gruppen) zugewiesen. "Für die InteA-Schwerpunktschulen können wir so Stellen in der Sozialpädagogik zur Verfügung stellen", erläuterte Grüttner. Für die Kooperationsschulen werden ebenfalls Stellenanteile für Sozialpädagogik kalkuliert und in Abstimmung mit dem Schwerpunktstandort eingeplant.

Sprachförderung und Fortbildung von Lehrkräften

Das Kultusministerium hat die Zahl von ursprünglich 380 Stellen für Lehrkräfte zur sprachlichen Förderung von Zuwandererkindern seit dem Jahr 1999 schrittweise auf 1.070 Stellen im Schuljahr 2014/15 in den allgemeinbildenden Schulen erhöht. Diese Zuweisung wird im nächsten Schuljahr 2015/16 noch einmal um 30 Stellen auf 1.100 Stellen gesteigert. Dazu kommen die für die Umsetzung von InteA veranschlagten ca. 150 Stellen. "Insgesamt stellt das Hessische Kultusministerium umgerechnet rund 72 Mio. Euro für die Deutschförderung der Schülerinnen und Schüler nichtdeutscher Herkunftssprache zur Verfügung", hob Kultusminister Lorz hervor. Im April 2015 startete bereits ein auf sechs Monate angelegtes Qualifizierungsprogramm zum Erwerb einer Deutsch als Zweitsprache (DaZ)/ Deutsch als Fremdsprache (DaF)-Fakultas für 47 Lehrkräfte mit dem Fach Deutsch, die überwiegend im beruflichen Bereich unterrichten. Ein weiterer DaZ-/DaF-Weiterbildungskurs für alle Schulformen ist aufgrund der Bedeutungssteigerung geplant.

"Die Hessische Landesregierung wird ihre erfolgreichen Handlungsstrategien im Bereich der Förderung von Deutsch als Zweitsprache im Rahmen ihres etablierten Gesamtsprachförderkonzeptes konsequent weiterführen und kontinuierlich in seiner Qualität verbessern", betonten Kultus- und Sozialminister zum Abschluss. "Denn an den Integrationsbemühungen unseres Landes ist auch die Fähigkeit und die Bereitschaft zur eigenen Weiterentwicklung zu erkennen. Die Herausforderungen in der Integrationspolitik sind groß, aber wir sind zuversichtlich, dass wir für deren Bewältigung die richtigen Instrumente an der Hand haben."

Quelle: Hessisches Ministerium für Soziales und Integration vom 19.05.2015

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