Flucht und Migration

Grundrechte und Hilfebedarf minderjähriger Flüchtlinge in den Mittelpunkt stellen

Die Deutsche Akademie für Kinder- und Jugendmedizin (DAKJ) und die deutsche Sektion der IPPNW fordern in einer Berliner Erklärung die Einhaltung der körperlichen und psychischen Unversehrtheit und die Wahrung der Menschenwürde junger Flüchtlinge bei allen Maßnahmen zur Alterseinschätzung.

06.07.2015

Als Ergebnis der Konferenz "Best Practice for Young Refugees" haben DAKJ und IPPNW eine Berliner Erklärung veröffentlicht. Sie betonten, dass die biologische Reife im Vergleich zum chronologischen Alter eine hohe Schwankungsbreite aufweise, sodass Altersschätzungen auf ihrer Basis sehr ungenau seien und häufig falsch interpretiert würden.

Die Eckpunkte der Berliner Erklärung auf einen Blick:

  • Die Einwilligung des Flüchtlings in die Untersuchung darf nicht unter Druck zustande kommen.
  • Es soll bundesweit eine einheitliche Jugendvorsorgeuntersuchung für alle unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge eingeführt werden.
  • Die Jugendvorsorgeuntersuchung soll sowohl den Entwicklungsstand als auch den medizinischen und psychologischen Hilfebedarf erfassen und eine ganzheitliche Einschätzung der Reife unterstützen.
  • Die Anwendung ionisierender Strahlen außerhalb einer medizinischen Indikation wird abgelehnt.

"Mit der UN-Konvention für die Rechte des Kindes erkennen alle Unterzeichnerstaaten einen besonderen Schutzbedarf von Minderjährigen an. Bei allen sie betreffenden Maßnahmen ist das Wohl des Kindes vorrangig zu berücksichtigen (Art. 3). Zu den Grundrechten zählen die medizinische Versorgung, die Bildung sowie in besonderem Maße Menschenwürde und körperliche Unversehrtheit", heißt es in der Berliner Erklärung. Die Fürsorgepflicht für Minderjährige gelte unabhängig von der Staatsangehörigkeit der Betroffenen. Minderjährige, die ohne ihre Eltern vor Kriegshandlungen, körperlicher und sexueller Gewalt oder extremer Armut fliehen mussten, hätten einen besonders großen Schutzbedarf aufgrund erlebter Traumatisierung und lebensgefährlicher Flucht.

Hintergründe zur Alterseinschätzung

Oft können minderjährige Flüchtlinge ihr Alter nicht durch Dokumente beweisen. Dann müssen sie sich einer Alterseinschätzung unterziehen, die in den EU-Staaten, aber auch in den deutschen Bundesländern unterschiedlich gestaltet wird. Die Verfahren reichen von Interviews und psychosozialem Clearing bis hin zu aufwändigen medizinischen Altersgutachten. Dazu werden eine körperliche Untersuchung einschließlich der äußeren Geschlechtsorgane, Röntgenuntersuchungen der Hand und des Gebisses sowie eine Computertomographie der Schlüsselbeine eingesetzt. Durch diese medizinischen Untersuchungen kann lediglich die biologische Reife eingeschätzt werden, nicht jedoch das chronologische Alter. Die Angaben sind mit einer hohen Ungenauigkeit behaftet, die selten offengelegt wird. Somit werden viele Jugendliche für volljährig erklärt, was für ihr weiteres Leben und ihre Zukunft erhebliche Nachteile mit sich bringt.

Die Berliner Erklärung - mit der Möglichkeit diese durch eine Unterschrift zu unterstützen - findet sich unter <link http: www.kurzlink.de young-refugees _blank external-link-new-window erklärung zur alterseinschätzung bei jungen>www.kurzlink.de/young-refugees.

Quelle: Deutsche Akademie für Kinderheilkunde und Jugendmedizin e.V. (DAKJ), Dachverband der pädiatrischen Gesellschaften Deutschlands vom 01.07.2015.

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