Flucht und Migration

Brücken bauen zwischen Jugendämtern und der Türkisch-Islamischen Union

Das Projekt „Jugendämter: Von Problemzentrierung zur Chancenorientierung“ wird von der Türkisch-Islamischen Union der Anstalt für Religion e.V. (DITIB) bundesweit durchgeführt. Zentrales Ziel ist es, vorhandene Ängste und Vorurteile in den türkischen Gemeinden gegenüber den Jugendämtern abzubauen.

08.04.2014

Eingeladen zum Seminar in Eisenberg waren die Imame und die Religionsbeauftragten der Moscheen sowie die Vorsitzenden von Frauen- und Jugendverbänden in Rheinland-Pfalz und im Saarland. Mehr als 200 Personen waren der Einladung gefolgt. Der Schwerpunkt lag gemäß dem Wunsch des DITIB auf den Themen Inobhutnahme und Pflegekinderwesen. Da die Teilnehmenden nur wenig deutsch sprachen, wurde der gesamte Vortrag übersetzt.

Der Einstieg erfolgte mit den Begrüßungen der Vorsitzenden der beiden DITIB Landesverbände Rheinland-Pfalz und Saarland, Rasim Akkaya und Yilmaz Yildiz. Der Religionsattache Ahat Tasci bezog sich in seiner Begrüßungsrede auf den Koran, wonach Kinder ihren Wurzeln nicht entzogen werden dürfen. Daher würden Kinder immer nach der Religion ihrer Herkunftsfamilie erzogen werden, so auch Kinder christlichen Glaubens, wenn diese in einer muslimischen Pflegefamilie betreut würden.

Nach einem Gebet stellte Ülkü Yildirim, Diplom-Pädagogin und Leiterin des Bundesprojekts, die Inhalte und Ziele vor. In Deutschland gebe es nur sehr wenige muslimische Pflegefamilien. DITIB möchte die Mitglieder der türkischen Gemeinden über die Aufgaben von Pflegefamilien informieren, mit dem Ziel, weitere muslimische Familien als Pflegefamilien gewinnen zu können.
 
Julia Mückusch-Radwer vom Landesjugendamt erläuterte zunächst ganz allgemein die Aufgaben eines Jugendamtes, erklärte die Inobhutnahme als Instrument des Kinderschutzes in akuten Krisen und beschrieb ausführlich die Aufgaben von Pflegefamilien und die Anforderungen, die an sie gestellt werden. Besonders wichtig war darauf hinzuweisen, dass das Beherrschen der deutschen Sprache von enormer Bedeutung für die Kooperation mit dem Jugendamt ist. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer hatten viele Fragen:

  • Bedarf es eines Gerichtsurteils für eine Inobhutnahme?
  • Wie lange dauert eine Inobhutnahme?
  • Wie lange wird eine professionelle Beratung während der Inobhutnahme gewährt?
  • Wie reagieren Eltern, wenn ihr Kind in Obhut genommen wird?
  • Wie neutral ist das Jugendamt?
  • Wie sind die Erfahrungen zu den psychischen Belastungen von Kindern bei Inobhutnahmen?
  • Gibt es eine Altershöchstgrenze?
  • Gibt es Kinder, die aufgrund ihrer Staatsangehörigkeit nicht in Obhut genommen werden dürfen?
  • Welche Kriterien gibt es für die Überprüfung als Pflegefamilie?
  • Was passiert, wenn die Pflegeeltern feststellen, dass das Kind nicht in die Familie passt? Gibt es bei Problemen Unterstützung?

Auch nach Beendigung des Vortrags gab es zahlreiche weitere Fragen von Einzelpersonen an Julia Mückusch-Radwer. Zum Abschluss berichtete ein muslimischer Pflegevater über seine positiven Erfahrungen als Pflegefamilie und in der Zusammenarbeit mit dem Jugendamt. Es wurde noch einmal gemeinsam gebetet, unter anderem dafür, dass es mehr Pflegefamilien geben soll.

Interessant war auch, dass Ülkü Yildirim die während der Veranstaltung gemachten Fotos sofort auf facebook einstellte. Die türkischen Gemeinden sind sehr gut vernetzt. Mit den Informationsveranstaltungen werden weitaus mehr Personen erreicht als nur die anwesenden Teilnehmerinnen und Teilnehmer. Die Imame und die Religionsbeauftragten tragen die Informationen in ihre Moscheen und Familien hinein. Uns wurde mitgeteilt, dass der DITIB Landesverband Rheinland-Pfalz etwa 6.800 Mitglieder zählt, man aber von 28.000 Familienmitgliedern ausgehen kann.

Eine gute Ergänzung zum Vortrag waren die Broschüren „Was Jugendämter leisten“ und „Kinderschutz: Was Jugendämter leisten“, die den Teilnehmenden in türkischer Sprache ausgeteilt wurden.

Es war eine sehr interessante und lehrreiche Veranstaltung. Das Landesjugendamt hat sich offen für die Anliegen des DITIB gezeigt. Dies wurde von Seiten des Vereins auch gewürdigt. Die Organisatoren und die Teilnehmenden zeigten sich gastfreundlich. Gleichzeitig wurde die Möglichkeit geschaffen, eine Zielgruppe zu erreichen, zu der der Zugang im Alltag oft nicht ganz so leicht ist. Die Botschaft, die wir den Jugendämtern mit auf den Weg geben können, ist mit den Ortsverbänden des DITIB zu kooperieren. Die Jugendämter können als Multiplikatoren dienen. Die Zusammenarbeit ist ein Gewinn auf beiden Seiten.

Quelle: Landesjugendamt Rheinland-Pfalz vom 07.04.2014

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