Gesundheit

Kundgebung: Zugang zu medizinischer Versorgung

Ein Zusammenschluss von mehr als 20 Organisationen demonstriert anlässlich des Kongresses Armut und Gesundheit am 20.03.2018 vor dem Brandenburger Tor in Berlin. Unter dem Motto „Barrieren niederreißen“ wird auf eine Vielzahl von rechtlichen Vorgaben aufmerksam gemacht, welche viele Menschen daran hindern, medizinische Hilfe in Anspruch zu nehmen. Derzeit haben mehrere hundertausend Menschen keinen ausreichenden Zugang zu medizinischer Versorgung.

19.03.2018

Fast ein Dutzend Einsatzbusse medizinischer Hilfsorganisationen fahren am 20. März 2018 um 18.30 begleitet von mehreren Hundert Demonstrierenden am Brandenburger Tor ein. Dort sind bereits rund einhundert Kartons zu einer symbolischen Mauer aufeinandergestapelt. „Verständigungsprobleme“, „Einschränkungen nach Asylbewerberleistungsgesetz“ oder „zu hohe Versicherungsbeiträge“ steht auf den Bausteinen. Ärztinnen und Ärzte auf der einen und Patientinnen und Patienten auf der anderen Seite sind durch die Mauer voneinander getrennt. Doch sie finden sich nicht damit ab, gemeinsam reißen sie die Barriere ein. Der Hintergrund des Protests: Hunderttausende Menschen haben in Deutschland keinen ausreichenden Zugang zu medizinischer Versorgung.

Barrieren niederreißen - Armut macht krank

Dabei hat sich Deutschland in internationalen Abkommen verpflichtet sicherzustellen, dass hierzulande jeder und jede das Menschenrecht auf Gesundheitsversorgung wahrnehmen kann, ohne in eine finanzielle Notlage zu geraten. Aber immer noch schränken rechtliche Vorgaben die Möglichkeit vieler ein, medizinische Hilfe in Anspruch zu nehmen. Hinzu kommen sprachliche Barrieren und Diskriminierungen im Gesundheitssystem. Betroffen sind häufig Menschen, deren Lebensbedingungen ohnehin ihre Gesundheit beeinträchtigen und die Lebenserwartung senken. Armut macht krank. In einem reichen Land wie Deutschland ist das nicht hinzunehmen.

Anlässlich des Kongresses Armut und Gesundheit am 20. und 21. März in Berlin fordert daher ein Zusammenschluss von mehr als 20 Organisationen die Bundesregierung dazu auf, sämtliche diskriminierende Hürden zu beseitigen, die verhindern, dass Menschen notwendige medizinische Leistungen in Anspruch nehmen.

Gesundheit ist ein Menschenrecht

Das Menschenrecht auf Gesundheit könne nur umgesetzt werden, wenn soziale Faktoren mit einbezogen würden, erklärt Prof. Dr. Rolf Rosenbrock, Vorsitzender des Paritätischen Gesamtverbands: „Wir brauchen eine Politik, die das Recht aller Menschen auf gesundheitliche Versorgung achtet, schützt und verwirklicht. Das ist untrennbar mit der Verminderung sozial bedingter Ungleichheit verbunden. Armutsfeste Renten, bezahlbarer und würdiger Wohnraum, inklusiver Arbeitsmarkt – all das ist Gesundheitspolitik.“

„Personen mit Beitragsschulden - zum Beispiel Selbstständige, die sich die Versicherungsbeiträge nicht mehr leisten können - haben oft nur ein Anrecht auf Notfallversorgung. Das kann dazu führen, dass Krankheiten verschleppt oder chronisch werden", sagt Maria Loheide, Vorstand Sozialpolitik der Diakonie Deutschland. „Für Menschen ohne Papiere kann der Gang zum Arzt die Abschiebung bedeuten. Denn das Sozialamt muss sie laut Aufenthaltsgesetz bei der Ausländerbehörde melden, wenn sie einen Krankenschein beantragen. Diese Vorschrift kann Menschenleben kosten und gehört abgeschafft!" fordert Johannes Ulrich vom Medinetz Würzburg.

Dilemma zwischen Hilfe und Kostendruck

Dringend abgeschafft werden muss nach Ansicht der Organisatoren des Protests auch das sogenannte Leistungsausschlussgesetz, das vielen Menschen aus anderen Ländern der europäischen Union den Anspruch auf notwendige Gesundheitsdienste verwehrt. "Das Gesetz schiebt die Verantwortung auf Ärzte und Ärztinnen ab und zwingt sie in ein Dilemma zwischen der Pflicht zu helfen und dem Kostendruck. Für die Patientinnen und Patienten kann dies lebensbedrohliche Folgen haben", kritisiert Prof. Heinz-Jochen Zenker vom Verein Ärzte der Welt.

Auch Geflüchtete erhalten keinen vollen Zugang zum Gesundheitssystem. „Asylsuchende haben in den ersten 15 Monaten keinen ausreichenden Anspruch auf medizinische Versorgung. Wir fordern, ihnen entsprechend der menschenrechtlichen Verpflichtungen von Anfang an unbürokratischen Zugang zu Leistungen im Umfang der gesetzlichen Krankenversicherungen zu ermöglichen“, sagt Tobias Kiwitt, Themenkoordinationsgruppe Wirtschaftliche, Soziale und Kulturelle Menschenrechte bei Amnesty International.

Weitere Informationen zur Kundgebung und den unterstützenden Organisationen stehen online zur Verfügung.

Quelle:  Deutscher Paritätischer Wohlfahrtsverband - Gesamtverband e. V. vom 14.03.2018, Christian Weßling

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