Drogenbericht

Vom „Night Life“ zum „Home Life“ – Corona digitalisiert Drogenhandel

Die Europäische Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht EMCDDA hat den Europäischen Drogenbericht 2021 veröffentlicht. Dieser enthält neben aktuellen Daten zur Situation illegaler Drogen in der Europäischen Union auch Daten aus Norwegen und der Türkei. Der Bericht gibt einen Überblick über die neuesten Zahlen zu Drogenkonsum und Trends, Angebot und Märkten sowie Prävention, Schadensminimierung, Behandlung und Strafverfolgung.

17.06.2021

28,9 % Prozent der europäischen Bevölkerung beziehungsweise 83 Millionen Menschen haben schon einmal illegale Drogen konsumiert. Die häufigste Droge bleibt dabei Cannabis. Hier gehen die Zahlen in den Ländern jedoch stark auseinander. Während in Malta 4 % der Bevölkerung schon einmal Cannabis ausprobiert haben, sind es in Frankreich 45 %. Die zweithäufigste illegale Droge ist Kokain.

Während der Pandemie hat sich auch der Drogenmarkt verändert: Weniger Straßenverkäufe, dafür mehr Onlinehandel und eine verbreitetere Nutzung privater Messengerdienste. Im Bereich der organisierten Drogenkriminalität erfolgte ein Umschwung von den Handelswegen per Land auf Seewege mithilfe von Containerschiffen.

Dazu die Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Daniela Ludwig:

„Die Pandemie hat auf fast alle Bereiche unserer Gesellschaft massive Einwirkungen. Nicht nur in Deutschland, überall. Der vorliegende Bericht zeigt erstmalig, wie sich der Konsum illegaler Drogen in Europa verändert hat. Diejenigen, die bereits vor Corona konsumiert haben, haben eher mehr konsumiert. Bei den Gelegenheitskonsumenten beobachten wir jedoch einen Rückgang. Ebenso – hervorgerufen durch diverse Lockdowns – auch einen massiven Rückgang beim Konsum in Party- und Nachtleben.“

Das „Early Warning System“ der EU und das neu gestartete „NEWS“-Projekt in Deutschland sind wichtige Instrumente, um rasch neue Drogentrends oder Drogenzusammenstellungen auf dem Markt zu erkennen. Um den neuen Herausforderungen gerecht zu werden setzt die neue EU-Drogenstrategie neben starken sicherheitspolitischen Maßnahmen zur Verringerung des Drogenangebots verstärkt auf gesundheitspolitische Maßnahmen zur Prävention, Behandlung und Schadensminimierung sowie übergreifende Themen wie Internationale Zusammenarbeit, Forschung und Koordinierung.

Detailliertere Daten zum Konsum bei Jugendlichen fehlen

Die Leiterin der Deutschen Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht, Esther Neumeier:

„Wir haben mit dem Europäischen Drogenbericht einen ersten Einblick bezüglich der Auswirkungen der Coronapandemie auf den Drogenkonsum und die Drogenmärkte. Dennoch fehlen uns detailliertere Daten, beispielsweise zur Situation Wohnungsloser, Menschen mit finanziellen Problemen oder zum Konsum der Jugendlichen. Wir brauchen für die Zukunft belastbare Daten, um Entwicklungen, die während der Pandemie stattgefunden haben und vielleicht auch weiterhin stattfinden abzubilden, damit in der Praxis entsprechende Hilfen gestellt werden können. Der Umgang mit den „Corona-Folgen“ wird uns noch einige Jahre beschäftigen.“

Wichtigste Ergebnisse

  • Der Cannabiskonsum bleibt auf hohem Niveau stabil, doch der erhöhte THC-Gehalt wirft gesundheitliche Bedenken auf. Es wurde ein Anstieg des THC-Gehalts von Cannabisharz beobachtet. Gesundheitswarnungen betreffen Cannabis, das mit hochpotenten synthetischen Cannabinoiden gestreckt wurde.
  • Rekordbeschlagnahmen von Kokain, ein beunruhigendes Zeichen für das Potenzial für erhöhte gesundheitliche Schäden. 2019 wurde eine Rekordmenge von 213 Tonnen Kokain beschlagnahmt (gegenüber 177 Tonnen im Jahr 2018). Die Reinheit des Kokains hat sich erhöht und mehr Menschen begeben sich zum ersten Mal in Behandlung. Vorläufige Daten zu Sicherstellungen im Jahr 2020 legen nahe, dass die Verfügbarkeit während der Pandemie nicht zurückgegangen ist.
  • Die stabile Amphetamin-Nachfrage macht die inländische Produktion in Verbrauchernähe profitabel. Neben dem Ausheben von Produktionsanlagen im Jahr 2019 wurden in der EU auch chemische Stoffe zur Herstellung von Amphetamin sichergestellt, darunter 14.500 Liter BMK und 31 Tonnen MAPA (gegenüber 7 Tonnen im Jahr 2018).
  • Die Herstellung und der Handel mit Methamphetamin weisen auf das Potenzial für einen vermehrten Konsum in Europa hin. Sowohl große als auch kleinere Produktionsstätten wurden in Europa entdeckt und große Mengen der Droge wurden über die EU auf andere Märkte umverteilt.
  • Gesundheitsgefahren durch das Angebot hochpotenter MDMA-Produkte: Neben dem Anstieg des durchschnittlichen MDMA-Gehalts in Tabletten und des Reinheitsgrads von Pulvern wurden auch Produkte mit sehr hohem MDMA-Gehalt festgestellt. Vorläufige Daten aus dem Jahr 2020 deuten darauf hin, dass das Interesse an dieser Droge in Zeiten des Lockdowns zurückgegangen ist.
  • Schädliche potente neue psychoaktive Substanzen treten nach wie vor auf. Darunter sind auch neue synthetische Cannabinoide und neue synthetische Opioide. Im Jahr 2020 wurden in Europa insgesamt 46 neue psychoaktive Substanzen (NPS) erstmals gemeldet, womit sich die von der EMCDDA überwachte Gesamtzahl auf 830 erhöhte.
  • Stellen weniger häufig verwendete Drogen zunehmende Herausforderungen für die öffentliche Gesundheit dar? Diese Drogen umfassen Halluzinogene, Ketamin und GHB. Besorgniserregend ist, dass für manche Settings intensive Konsummuster gemeldet werden.
  • Die Sicherstellung großer Heroinmengen deutet auf ein Potenzial für einen vermehrten Konsum und Schädigungen hin. Nach wie vor werden große Mengen Heroin in der EU sichergestellt (7,9 Tonnen im Jahr 2019), was Anlass zur Sorge hinsichtlich der möglichen Auswirkungen auf die Konsumraten gibt.
  • Organisierte kriminelle Gruppen intensivieren die illegale Drogenproduktion in Europa. 2019 wurden insgesamt 370 illegale Labore ausgehoben.
  • Drogendelikte nehmen zu, wobei der Besitz und das Angebot von Cannabis überwiegen. 2019 wurden in der EU schätzungsweise 1,5 Millionen Drogendelikte gemeldet; 82 Prozent davon standen im Zusammenhang mit dem Konsum oder Besitz für den Eigengebrauch.
  • Konsumierende, die zum ersten Mal Heroin konsumiert haben, injizieren nach wie vor weniger. Obwohl der injizierende Drogenkonsum in den letzten zehn Jahren in Europa zurückgegangen ist, ist er nach wie vor eine der Hauptursachen für drogenbedingte Schädigungen.
  • Eine Verbesserung der Behandlung und Prävention ist erforderlich, um die nachhaltigen Entwicklungsziele der UN für HIV und HCV zu erreichen. Ein verbesserter Zugang zu integrierten Test- und Behandlungsmaßnahmen ist ein wichtiger Faktor für das Erreichen der Ziele.
  • Durch Opioide und andere Drogen bedingte Todesfälle durch Überdosierung machen deutlich, dass Maßnahmen gegen Drogentodesfälle entwickelt bzw. umgesetzt werden müssen. Hochriskanter und polyvalenter Drogenkonsum führt in Europa nach wie vor zu drogenbedingte Todesfällen.

Der europäische Drogenbericht steht bei der EMCDDA kostenlos zur Verfügung.

Quellen: Die Drogenbeauftragte der Bundesregierung und die Vertretung der Europäischen Kommission in Deutschland vom 09.06.2021

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