Gesundheit

Volkskrankheit Depression: Nationaler Aktionsplan dringend notwendig

Der am 19. März 2014 vorgestellte „Faktencheck Gesundheit“ der Bertelsmann Stiftung legt dringenden Handlungsbedarf bei der Versorgung von Menschen mit Depressionen offen. Die Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomtik und Nervenheilkunde (GPPN) fordert die Politik auf die Versorgungssituation für Depressive nachhaltig zu verbessern.

20.03.2014

Besonders alarmierend sind die starken regionalen Unterschiede in der Anzahl der Diagnosen und die Ungenauigkeit in der Diagnostik. Ob eine Depression erkannt wird, scheint sehr stark vom Wohnort des Betroffenen abzuhängen. In Bayern ist die Zahl der spezifizierten Depressionsdiagnosen zum Beispiel fast doppelt so hoch wie in Sachsen-Anhalt. Bundesweit erhalten rund 50 Prozent der Patienten zudem eine unspezifische Diagnose, aus der sich keine angemessene Behandlung ableiten lässt. Die großen festgestellten Unterschiede in der Depressionshäufigkeit in verschiedenen Regionen können nicht auf die bekannten Risikofaktoren zurückgeführt werden. Denn die Erkrankungsrisiken sind nahezu gleich verteilt. Verantwortlich für diese Unterschiede sind vermutlich die Erkennraten und Diagnosegewohnheiten der behandelnden Ärzte zwischen den verschiedenen Regionen. „Die Erkennung von Depressionen und die Genauigkeit in der Diagnostik müssen deshalb dringend verbessert werden. Jeder depressiv erkrankter Mensch, der Kontakt zum Gesundheitssystem hat, muss überall in Deutschland sicher sein können, dass seine Erkrankung vom Behandler erkannt wird – egal ob er einen Hausarzt, einen  Facharzt oder einen psychologischen Psychotherapeuten aufsucht. Nur so lässt sich sicherstellen, dass die Betroffenen auch eine angemessene Behandlung erhalten und die Depressionen nicht chronifizieren“, stellt DGPPN-Präsident Wolfgang Maier fest.

Doch auch die Behandlungsqualität bereitet Sorgen. Der „Faktencheck Gesundheit“ zeigt auf, dass zwischen 2010 und 2012 mehr als die Hälfte der schwer Depressiven unzureichend behandelt wurde, 18 Prozent erhielten gar keine Behandlung. Auch hier bestehen große regionale Unterschiede. „Die Behandlung von Depressionen muss sich noch stärker an der Nationalen Leitlinie „Unipolare Depression“ ausrichten, die auf der verfügbaren wissenschaftlichen Evidenz gründet und den gegenwärtigen Stand des medizinischen Fortschritts berücksichtigt. In vielen Fällen ist die Behandlung viel zu einseitig: So erhalten bei chronischen Erkrankungen nur etwa 12 Prozent der Patienten die empfohlene Kombinationstherapie aus Antidepressiva und Psychotherapie. Doch gerade für schwer erkrankte Menschen ist eine alleinige Behandlung nur mit Antidepressiva oder Psychotherapie unzureichend. Ihre Erkrankungen drohen durch Unterlassung von Kombinationsbehandlungen noch stärker zu chronifizieren. Auch die Potenziale psychosozialer Therapien sind nicht ausgeschöpft“, so Professor Maier weiter. Nach Meinung der DGPPN belegen diese Ergebnisse, dass vor allem schwer depressiv Erkrankte am medizinischen Fortschritt nur unzureichend teilhaben.

Die DGPPN fordert deshalb die Politik auf, die Versorgung von Depressionen umgehend und nachhaltig zu verbessern. „Es ist dringend an der Zeit, einen Nationalen Aktionsplan Depression ins Leben zu rufen. Der medizinische Fortschritt darf Menschen mit Depressionen nicht vorenthalten werden. Ihre Versorgung muss zwingend den individuellen Behandlungsbedarf berücksichtigen. Strukturierte und sektorenübergreifende Modelle unter Nutzung der aktuellen Diagnose- und Behandlungsleitlinien müssen in Deutschland in Zukunft überall verfügbar sein“, so Professor Wolfgang Maier. „Darüber hinaus können eine verbesserte Aufklärung und die Entwicklung von evidenzbasierten Patienteninformationen Betroffene darin unterstützen, eine depressive Erkrankung besser und schneller zu erkennen und über eine angemessene Therapie mit ihrem Arzt zu entscheiden, wie es im Rahmen von Modellprojekten derzeit erprobt wird“ schlägt Professor Martin Härter vom Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf vor, einer der Studienautoren des „Faktencheck Gesundheit“  und Koordinator der Nationalen Versorgungsleitlinie Depression. Als wissenschaftliche Fachgesellschaft unterstützt die DGPPN seit vielen Jahren die Verbesserung der Versorgungssituation von Menschen mit Depressionen. Sie ist federführend an der Entwicklung von wissenschaftlich und fachlich konsentierten Diagnose- und Therapieempfehlungen bei psychischen Erkrankungen beteiligt.

Weitere Informationen zur Initiative für gute Gesundheitsversorgung der Bertelsmann Stiftung: <link https: faktencheck-gesundheit.de external-link-new-window external link in new>faktencheck-gesundheit.de 

Quelle: Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomtik und Nervenheilkunde vom 20.03.2014

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