Gesundheit

Vermehrt psychische Störungen bei Kindern und Jugendlichen diagnostiziert

Die Zahl der unter 18-Jährigen, bei denen Kinder- und Jugendärzte eine psychosoziale Auffälligkeit diagnostiziert haben, ist zwischen 2010 und 2017 deutlich angestiegen: Anpassungsstörungen nahmen um 39 Prozent zu, Entwicklungsstörungen um 37 Prozent und Störungen des Sozialverhaltens um 22 Prozent. Hingegen sind insbesondere Bronchitis-Erkrankungen deutlich seltener festgestellt worden. Ein massiver Rückgang ist auch bei den Antibiotika-Verordnungen zu verzeichnen. Hier ist die Verschreibungshäufigkeit von 64 Prozent im Jahr 2010 auf 46 Prozent für 2016 gesunken.

25.05.2020

Die Zahl der unter 18-Jährigen, bei denen Kinder- und Jugendärzte eine psychosoziale Auffälligkeit diagnostiziert haben, ist zwischen 2010 und 2017 deutlich angestiegen: Anpassungsstörungen nahmen um 39 Prozent zu, Entwicklungsstörungen um 37 Prozent und Störungen des Sozialverhaltens um 22 Prozent. Hingegen sind insbesondere Bronchitis-Erkrankungen deutlich seltener festgestellt worden. Ein massiver Rückgang ist auch bei den Antibiotika-Verordnungen zu verzeichnen. Hier ist die Verschreibungshäufigkeit von 64 Prozent im Jahr 2010 auf 46 Prozent für 2016 gesunken.

Das sind die Kernergebnisse des vom Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung (Zi) und dem Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ) veröffentlichten „Versorgungsmonitors Ambulante Kinder- und Jugendmedizin“. Datengrundlagen für den Bericht sind die vertragsärztlichen Abrechnungsdaten nach § 295 SGB V sowie die Arzneiverordnungsdaten nach § 300 SGB V.

„Unsere Auswertungen zeigen, dass sich die Behandlungsanlässe in der Pädiatrie immer stärker von akuten zu chronischen, von somatischen zu psychischen Erkrankungen verschieben. Außerdem leisten die Kinder- und Jugendärzte einen wichtigen Beitrag zur Weiterbehandlung junger Erwachsener, bei denen die gleiche Entwicklung im Diagnosespektrum offenkundig wird. Die Kinder- und Jugendärzte in Deutschland stellen mit begrenzten Kapazitäten neben der hausärztlichen auch die spezialisierte ambulante Versorgung sicher. Dabei kooperieren sie mit Hausärzten, Fachärzten und Psychotherapeuten“, sagte der Zi-Vorstandsvorsitzende Dr. Dominik von Stillfried.

Offenerer Umgang mit psychischen Erkrankungen

„Die hohen Zahlen von Patienten, die zu uns wegen psychischer Störungen kommen, bedeuten nicht zwingend, dass es unter Kindern und Jugendlichen generell einen Anstieg psychischer Erkrankungen gibt“, so BVKJ-Präsident Dr. Thomas Fischbach. „Die Entwicklung geht sicher auch auf einen offeneren Umgang mit psychischen Erkrankungen zurück. Sie sind erfreulicherweise kein Tabu mehr. Kinder und Jugendliche sowie Eltern reden heute offen beim Arztbesuch über psychische Probleme. Auch weil sie wissen, dass wir ihnen hier weiterhelfen können.“

Die Zahl der Behandlungsfälle ist zwischen 2010 und 2017 bei Kinder- und Jugendärzten von 24,7 Millionen auf 26,7 Millionen angestiegen. Im gleichen Zeitraum hat die Anzahl der vertragsärztlich tätigen Fachärzte für Kinder- und Jugendmedizin von 7.500 auf 8.200 zugenommen. Diese Zahl bezieht sich allerdings nur auf „Köpfe“. Viele Kinder- und Jugendärzte arbeiten in Teilzeit, so dass trotz zunehmender Kinderzahlen das Volumen der tatsächlich geleisteten Stunden nicht in gleichem Maße anstieg wie die Anzahl der Ärzte. So hat die Anzahl der Kinder- und Jugendärzte unter Berücksichtigung von Teilzeitarbeit zwischen 2010 und 2017 von 88,5 auf 79,6 pro 100.000 behandelter Kinder abgenommen.

Kapazitäten reichen kaum aus, um alle Kinder und Jugendlichen bestmöglich medizinisch zu versorgen

Niedergelassene Kinder- und Jugendärzte versorgen ihre Patienten hausärztlich, viele arbeiten aber auch darüber hinaus als Spezialisten für bestimmte Krankheiten. „Der Blick auf die Zahlen zeigt aus Sicht des BVKJ, dass die vorhandenen Kapazitäten kaum ausreichen, alle Kinder und Jugendlichen bestmöglich medizinisch zu versorgen. Die Zeit, die uns pro Patient zur Verfügung steht, nimmt seit Jahren kontinuierlich ab. Dazu tragen viele Ursachen bei, insbesondere mehr Teilzeitarbeit, mehr angestellte Kinder- und Jugendärzte anstatt selbständiger Niederlassung sowie zunehmende Verwaltungsaufgaben, aber eben auch die Betreuung von Kindern mit psychischen Störungen. Sie ist weitaus aufwendiger als etwa die Behandlung eines einfachen Magen-Darm-Infekts“, bekräftigte Fischbach. „Wenn das bisherige Niveau der vertragsärztlichen Versorgung, insbesondere auch in der Kinder- und Jugendmedizin, in Zukunft gesichert werden soll, müssen die Bundesländer die Studienplatzkapazitäten im Fach Humanmedizin deutlich aufstocken“, forderte der Zi-Vorstandsvorsitzende.

„Versorgungsmonitor Ambulante Kinder- und Jugendmedizin“

Weiterhin tragen zur Leistungsverdichtung in erheblichem Maß die durch den Gemeinsamen Bundesausschuss festgelegten Früherkennungsuntersuchungen (U1 bis U9, J1) bei. Der Versorgungsmonitor zeigt: Während 2010 noch 538.000 U3-Untersuchungen abgerechnet wurden, waren es 2017 bereits 631.000. Ähnlich sieht die Entwicklung für die U4, U5, U6, U7 und U7a aus. Auch Hausärzte erbringen die Früherkennungsuntersuchungen bei Kindern und Jugendlichen. Ihr Anteil liegt jedoch bei unter 10 Prozent bei der U1 bis U9 und bei rund 20 Prozent bei der J1 im letzten Beobachtungsjahr.

Die Gesamtanzahl der von Kinder- und Jugendärzten erbrachten Impfleistungen stieg von 8,3 Millionen im Jahr 2010 auf 10,3 Millionen 2017. In dieser Gesamtzahl ist auch eine geringe aber konstante Anzahl von Impfungen (pro Jahr etwa 260.000) an Erwachsenen enthalten. Zugleich sank die Zahl der Impfungen bei unter 18-Jährigen durch Hausärzte von rund 1,3 Millionen Impfungen im Jahr 2010 auf etwas mehr als eine Million in 2017.

Der „Versorgungsmonitor Ambulante Kinder- und Jugendmedizin(PDF, 1,5 MB, 60 Seiten) steht zum Download zur Verfügung.

Quelle: Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland (Zi) und Berufsverband der Kinder-und Jugendärzte (BVKJ) vom 19.05.2020

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