Gesundheit

Niedersachsen: Maßnahmen gegen Übergewicht bei Kindern und Jugendlichen

Das Niedersächsische Kultusministerium hat sich ausführlich zu einer mündlichen Anfrage von FDP-Abgeordneten zu den geplanten Maßnahmen der Landesregierung gegen Übergewicht bei Kindern und Jugendlichen geäußert.

23.05.2018

Die mündliche Anfrage "Welche Maßnahmen plant die Landesregierung gegen Übergewicht bei Kindern und Jugendlichen?" wurde gestellt von den Abgeordneten Horst Kortlang, Björn Försterling, Susanne Victoria Schütz, Sylvia Bruns und Hermann Grupe (FDP).

Vorbemerkung der Abgeordneten

Laut einer Studie des Robert-Koch-Instituts sind 15,4% der Kinder und Jugendlichen in Deutschland übergewichtig oder adipös. Sowohl die Bundes- als auch die Landesregierung haben angesichts dieser Zahlen angekündigt, Maßnahmen gegen Übergewicht bei Kindern und Jugendlichen zu ergreifen. Gemäß einem Artikel in der HAZ vom 7. Mai 2018 spricht die niedersächsische Landwirtschaftsministerin Barbara Otte-Kinast davon, Ernährung als Schulfach einzuführen. Kultusminister Grant Hendrik Tonne hingegen spricht sich gegen diese Idee aus (HAZ, 8. Mai 2018).

Vorbemerkung der Landesregierung

Dem Land Niedersachsen liegen durch die seit 2007 landesweite Zusammenführung und Auswertung der Daten der Schuleingangsuntersuchungen der kommunalen Gesundheitsdienste Zahlen zu Übergewicht und Adipositas von Kindern im Einschulungsalter (ab 4,5 bis ca. 6,5 Jahre) vor. Danach ist die Häufigkeit von Übergewicht und Adipositas über den Zeitraum 2007 bis 2017 nahezu konstant (Übergewicht: 2007 - 5,5 Prozent und 2017 - 5,7 Prozent; Adipositas: 2007 - 4,1 Prozent und 2017 - 4,3 Prozent).

Übergewicht nehme im Verlauf der Grundschulzeit und Adoleszenz bei Kindern zu

Trotz der weitgehend konstanten Prävalenzzahlen für Übergewicht und Adipositas für Kinder im Einschulungsalter nimmt die Landesregierung das Problem weiterhin ernst; insbesondere da sich Gruppen mit deutlich erhöhtem Risiko für Übergewicht und Adipositas ausmachen lassen. Zudem zeigt sich durch Daten einzelner Kommunen, die die Kinder auch im Verlauf der Grundschulzeit untersuchen, wie auch durch bundesweite Begutachtungen (Surveys, z. B. die Studie zur Gesundheit von Kindern und Jugendlichen in Deutschland (KIGGS) des Robert-Koch-Instituts (RKI)), das Übergewicht und Adipositas im Verlauf der Grundschulzeit und Adoleszenz bei den Kindern zunehmen.

Welche Aussage gibt die Meinung der Landesregierung wieder, die der Landwirtschaftsministerin oder die des Kultusministers?

Es besteht Einigkeit in der Landesregierung, die Einführung eines eigenen Schulfaches „Ernährung" abzulehnen. Nicht jede gesellschaftliche Fehlentwicklung lässt sich in Schule und durch neue Schulfächer auffangen. Bei der Frage der Ernährung sind die Erziehungsberechtigten in der Pflicht. Zusätzlich können Kindertageseinrichtungen und Schulen das Thema mit einer Vielzahl an Unterrichtseinheiten in unterschiedlichen Fächern, Themenwochen und Projekten flankieren. Dies ist auch bereits der Fall. Ernährungsbildung ist schon jetzt ausdrücklich Teil des schulischen Curriculums und gehört somit zum Unterrichtsstoff, wobei die Vermittlung je nach Jahrgangstufe und Schulform sowohl theoretisch als auch praktisch erfolgt.
In diesem Sinne warb Frau Ministerin Otte-Kinast in dem Interview der HAZ nicht primär für ein Schulfach Ernährung, sondern für eine Stärkung von Alltagskompetenzen (inkl. Ernährung) von Kindern und Jugendlichen.

Plant die Landesregierung, flächendeckend in den Schulen ein gesundes Mittagessen kostenfrei einzuführen?

Nein. Für Organisation, Bereitstellung und Ausgabe des Mittagessens ist der Schulträger zuständig. Die Zuständigkeit des Schulträgers und die Kostentragungspflicht ergeben sich aus §§ 112 und 113 NSchG. Schulen und Schulträger werden in allen Fragen der Schulverpflegung von der Vernetzungsstelle Schulverpflegung beraten. Diese wurde zum 01.04.2009 im Rahmen von IN FORM (Deutschlands Initiative für gesunde Ernährung und mehr Bewegung) unter der Federführung des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz Vernetzungsstellen zur Schulverpflegung (VerSch) in Niedersachsen und anderen Ländern eingerichtet. Die Finanzierung wurde von Bund und Land bis 2016 gemeinsam aufgebracht. Seit 2017 finanziert die Landesregierung die Vernetzungsstelle Schulverpflegung aus dem Haushalt des Niedersächsischen Ministeriums für Ernährung Landwirtschaft und Verbraucherschutz (ML) ohne Beteiligung des Bundes. Die Trägerschaft liegt bei der Deutschen Gesellschaft für Ernährung. Um eine möglichst gute Verknüpfung mit dem Beratungs- und Unterstützungssystem der Niedersächsischen Landesschulbehörde (NLSchB) zu gewährleisten, erfolgte eine räumliche Anbindung der VerSch an die NLSchB. Die vier Beratungskräfte sind landesweit verteilt: jeweils eine Beratungskraft an den Standorten der Regionalabteilungen der NLSchB in Lüneburg, Osnabrück und Braunschweig. Die fachlich-inhaltliche Zuständigkeit und Finanzierung werden vom ML wahrgenommen.

Plant die Landesregierung, den Sportunterricht und die Sportangebote auszuweiten?

Bewegung, Spiel und Sport sind unverzichtbarer Bestandteil ganzheitlicher Bildungsförderung. Regelmäßige Bewegungs-, Spiel- und Sportangebote beeinflussen die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen nachhaltig positiv. Sie stärken das physische und psychische Wohlbefinden und die Integration der Menschen in ihren Lebenswelten, unabhängig von ihrem Geschlecht und ihrer kulturellen und sozialen Herkunft. Es ist das Bestreben der Landesregierung, in enger Abstimmung mit dem LandesSportBund Niedersachsen e.V. (LSB) eine vielfältige und ansprechende Palette von Bewegungs-, Sport- und Spielangeboten anzubieten.

Das Land Niedersachsen unterstützt den organisierten Sport seit Inkrafttreten des Niedersächsischen Sportfördergesetzes (NSportFG) am 01.01.2013 mit einer jährlichen Finanzhilfe von mindestens 31,5 Mio. Euro. Gemäß § 4 Abs. 3 S. 1 Nr. 9 NSportFG sind bewegungs-, spiel- und gesundheitsfördernde Maßnahmen förderungswürdige Aufgaben. In § 3 Abs. 1 Nr. 4 der Niedersächsischen Sportförderverordnung (NSportFVO) ist festgelegt, dass der LSB von der Finanzhilfe jährlich mindestens 400.000 Euro für bewegungs-, spiel- und gesundheitsfördernde Maßnahmen in Kindertagesstätten und im außerunterrichtlichen Schulsport zu verwenden hat.

In sehr vielen Grundschulen sind zusätzliche Sportangebote im Rahmen der „bewegten Pause" etabliert. Zudem pflegen viele Grundschulen die Kooperationen mit örtlichen Sportvereinen und nehmen auch an übergreifenden sportlichen Veranstaltungen auf kommunaler Ebene teil (z. B. Nachtlauf, ATP-Turnier). Im Rahmen der „Bewegten Schule" erhalten Grundschulen und weiterführende Schulen bei Teilnahme am Aktionstag „Bewegte Kinder - schlaue Köpfe" individuell abgestimmte Anregungen zur Bewegungsförderung für ihre Schule.

Der Sportunterricht in Schulen sieht neben den zahlenmäßig ausgewiesenen Pflichtstunden ausdrücklich zusätzliche Sport- und Bewegungsangebote vor. Im Primarbereich sind je Jahrgang zwei Wochenstunden Sportunterricht vorgesehen. Eine zusätzliche Sportstunde ist durch tägliche, in den Fachunterricht zu integrierende Bewegungszeiten zu gewährleisten. In den Schulformen des Sekundarbereichs I - einschließlich der Schulform Förderschule - sind nach den schulformspezifischen Grundsatzerlassen je Jahrgang zwei Wochenstunden vorgesehen. Die dritte Sportstunde wird im Rahmen der Arbeitsgemeinschaften bereitgestellt.

Nahezu überall werden neben dem regulären Sportunterricht zusätzliche schulinterne Wettbewerbe wie „Jugend trainiert für Olympia" und „Jugend trainiert für Paralympics", Bundesjugendspiele und sonstige Sportfeste durchgeführt. Außerhalb des Ganztagsbereichs und der Betreuungszeiten werden zudem Kooperationen zwischen Schulen und Sportvereinen durch den LSB gefördert. Die entsprechenden Fördermittel werden durch das Niedersächsische Ministerium für Inneres und Sport über das Niedersächsische Sportfördergesetz bereitgestellt.

Rahmenvereinbarung im Rahmen öffentlicher Ganztagsschulen

Das Kultusministerium und der LSB haben das gemeinsame pädagogische Interesse, junge Menschen zu motivieren, lebenslang Sport zu treiben. Bereits im Jahr 2004 wurde eine „Rahmenvereinbarung im Rahmen öffentlicher Ganztagsschulen" zur Zusammenarbeit geschlossen, in der die Rahmenvereinbarungspartner übereinstimmend festhalten, dass die den regulären Sportunterricht ergänzenden außerunterrichtlichen Spiel-, Sport- und Bewegungsangebote der örtlichen Sportvereine Bestandteil einer guten Ganztagsschule sind. Im Februar 2016 wurde die bewährte Zusammenarbeit durch Unterzeichnung einer überarbeiteten, an die neue Rechtslage angepassten Rahmenvereinbarung erneut bekräftigt. Der LSB ist daher bestrebt, sich in Ganztagsschulen mit einem umfassenden, qualitätsorientierten Spiel-, Sport- und Bewegungsangebot einzubringen. Hierzu gehören auch Angebote der kompensatorischen Bewegungsförderung.

Die Kooperation von Sportvereinen und Ganztagsschulen stellt für alle Beteiligten eine „Win-Win-Situation" dar: Die Schülerinnen und Schüler lernen u. a. neue „Trendsportarten" kennen und können unabhängig von kultureller und sozialer Herkunft ihren Fähigkeiten und Interessen nachgehen. Durch das Angebot außerunterrichtlicher Sport- und Bewegungsangebote von Sportvereinen wird die Ganztagsschule zu einem Ort der Teilhabe, da alle außerunterrichtlichen Angebote für die Teilnehmerinnen und Teilnehmer kostenfrei sind. Die Ganztagsschulen erweitern den Sportbereich um zusätzliche, attraktive außerunterrichtliche Angebote. Für die außerschulischen Partner besteht gleichzeitig die Möglichkeit, auf verschiedene Sportarten aufmerksam zu machen und unter Umständen neue Mitglieder für den Verein zu gewinnen.

Seit August 2017 besteht zudem eine neue Kooperationsvereinbarung „Leistungssportförderung und Schule", die eine Verständigung zwischen dem LSB und dem Kultusministerium zur besseren Vereinbarkeit von Leistungssport und Schule darstellt. Ziel ist die Steigerung der Anzahl potenziell international erfolgreicher Athletinnen und Athleten durch erhöhte Attraktivität für Kinder und Jugendliche, Leistungssport zu betreiben.

Quelle: Niedersächsisches Kultusministerium vom 18.05.2018

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