Gesundheit

Familienprobleme können Kinder dick machen

Starkes Übergewicht bei Kindern und Jugendlichen geht nur auf den ersten Blick auf zu wenig Bewegung und falsche Ernährung zurück.

28.01.2010

Die gesellschaftliche Entwicklung trägt viel dazu bei, kommen Sozialwissenschaftlicher der Universität Stuttgart (<link http: www.uni-stuttgart.de soz tu _blank external-link-new-window external link in new>www.uni-stuttgart.de/soz/tu) zum Schluss. In einer großen qualitativen Befragung versuchten sie, Ursachen des frühen Übergewichts zu erheben. Als einer der Schlüsselfaktor zeigte sich dabei die Situation des familiären Umfeldes. 

“Nach dem überstandenen Krieg gab es praktisch kein Übergewicht. Das war keine Folge von mehr Beherrschtheit der Menschen, sondern des Mangels“, erklärt Studienautor Michael Zwick im pressetext-Interview. In der heutigen Überflussgesellschaft sei energiereiche Nahrung immer verfügbar und die Technisierung des Alltags und der Freizeit erlaube ein Leben ohne große Kraftanstrengung. „Um diese Lebensbedingungen zu bewältigen, braucht man ein Maß Selbstdisziplin, also die Fähigkeit, kompetente Entscheidungen zum Wohle der eigenen Gesundheit zu treffen“, so Zwick.

Keiner will erziehen

Die Vermittlung dieser Kompetenzen ist eigentlich Aufgabe der Familie, die diese Funktion jedoch oft nur unzureichend erfüllen kann. „Die Familie schafft es nicht, da sie selbst immer mehr abbröckelt. In den Großstädten wird heute fast jede zweite Ehe geschieden und immer mehr Kinder wachsen mit nur einem Elternteil auf. Doch auch in vollständigen Familien sind die Eltern berufsbedingt häufig abwesend.“ Die gemeinsame Zeit von Eltern und Kindern schrumpfe unentwegt und somit auch die Chance der Eltern, die Entwicklung des Kindes anzuleiten und zu kontrollieren. „Kinder sind sich, wenn es um Ernährung und Freizeitgestaltung geht, oft selbst überlassen und sie erfahren nicht, wie man gesund lebt und entsprechende Regeln anwendet.“

Dieser Funktionsverlust stehe im Zusammenhang mit der Bildung der Eltern. „Weniger Gebildete erlauben den Kindern am ehesten uneingeschränkten Zugang zu Spielkonsole oder Fernsehen, während die Kinder hoch gebildeter Eltern erheblich geringeren Medienkonsum aufweisen und mehr auf gesundheitsverträgliche Einkäufe achten“, erklärt Zwick. Gefährdete Familien seien sich kaum der Problematik, zudem würden sie Kampagnen nicht erreichen. Als Alternative würde sich zwar die Schule anbieten, doch hätten Interviews mit Lehrern im Rahmen der Studie gezeigt, dass diese es ablehnen, neben dem Bildungs- auch den Erziehungsauftrag zu übernehmen. 

Schlankwerden braucht Hilfe des Umfeldes

Mediziner resignieren immer wieder angesichts des Booms übergewichtiger Kinder - in Deutschland sind heute etwa vier Prozent dieser Altersgruppe fettleibig und weitere acht Prozent übergewichtig (pressetext berichtete: <link http: pressetext.com news _blank external-link-new-window external link in new>pressetext.com/news/091130013/ ). In den Interviews mit wieder schlank gewordenen Jugendlichen zeigten sich allerdings bestimmte Erfolgschancen der Selbsthilfegruppen. „Betroffene können dabei wichtige Kompetenzen erlernen und sich gegenseitig motivieren, wenn es um gute Ernährung oder sportliche Aktivitäten geht.“ Was in aller Regel fehlt, ist die Ausrichtung spezieller Gruppen für Kinder und Jugendliche sowie die Kostenübernahme durch Krankenkassen.

Entscheidend für dauerhaftes Abnehmen sei die soziale Unterstützung durch Änderungen im Lebensstil in der Familie, das dieser hohes Problembewusstsein abfordere. „Kommt man nach einer erfolgreichen Hungerkur nach Hause und sitzt am Tisch Eltern gegenüber, die weiterhin Schweinshaxen essen und Bier trinken, ist der Jojo-Effekt vorprogrammiert“, so Zwick. Der Spielraum für neues Essverhalten sei allerdings gering, weil tief sitzende Gewohnheiten oft nur schwer korrigiert werden können. Die betroffenen Kinder sind zudem erheblichem sozialen Stress ausgesetzt. „Dicke Jugendliche erleben zumeist massiven Leidensdruck. Zum einen deshalb, weil sie wegen ihrer Ästhetik vergleichsweise geringe Chancen beim anderen Geschlecht haben, zum anderen, weil sie ständigen Spott erleben.“

Politik kann am meisten verändern

Als optimalen Weg für eine Besserung bezeichnet der Stuttgarter Soziologe Änderungen der Rahmenbedingungen. „Würde man die Steuerbegünstigung für Zucker, Öle und Fette aufheben, die Bewerbung besonders energiehaltiger Nahrung verbieten oder deren Ampel-Kennzeichnung durchsetzen, würde das vor allem die Produzenten zum Umdenken bewegen.“ Da der Staat Hausrecht in Schulen habe, sei es kein Problem, mehr auf gesündere Ernährung im Pausenverkauf zu achten. „Doch auch die Stadtplanung sollte sich darauf konzentrieren, die Wohngebiete auf Bewegung, Sport und Fitness einzurichten. Seit Jahrzehnten orientiert man sich vorwiegend an der Verkehrs- und Autofreundlichkeit“, so der Studienleiter. 

Mehr Informationen unter: http://www.pressetext.de/news/100126020/familienprobleme-koennen-kinder-dick-machen/ 

Quelle: pressetext.austria

 

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