Gender

Die Lebenssituation von Lesben, Schwulen und Bisexuellen: Bevölkerungsrepräsentative Befunde zur Vielfalt in Deutschland

Homo- und Bisexuelle in Deutschland unterscheiden sich bei ausgeübten Berufen von Heterosexuellen, homosexuelle Männer verdienen weniger. Auch bei sozialen Beziehungen, den politischen Präferenzen und hinsichtlich der Lebenszufriedenheit gibt es Unterschiede, bei der Persönlichkeit dagegen kaum. Zu diesen Ergebnissen kommt das DIW Berlin aus Basis einer Auswertung des SOEP.

07.09.2017

Die Lebenslagen von Homo- und Bisexuellen (Lesbians, Gays und Bisexuals, zusammenfassend als LGBs bezeichnet) hat erstmalig das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) auf Basis des Sozio-oekonomischen Panels (SOEP) ausgewertet, das als eine der wenigen repräsentativen Befragungen in Deutschland die sexuelle Orientierung der Befragten erhebt.

Homo- und Bisexuelle in Deutschland unterscheiden sich demnach von Heterosexuellen hinsichtlich ihres Bildungsgrades und ihres Berufes. Sie haben seltener eine mittlere Reife/Hauptschule mit Berufsausbildung und dafür häufiger ein Abitur (auch Fachabitur) als Heterosexuelle, sind seltener als Arbeiterinnen und Arbeiter und häufiger als Angestellte beschäftigt.

Sexuality Pay Gap legt Benachteiligung nahe

Homo- und bisexuelle Männer verdienen auffällig weniger – brutto etwa zwei Euro pro Stunde – als heterosexuelle Männer. Dies legt nahe, dass es, ähnlich dem Gender Pay Gap, einen „Sexuality Pay Gap“ gibt. Basierend auf den Bruttostundenlohn liegt dieser bei zwölf Prozent – andere Lohngrößen ergeben einen Gap in einer Spannbreite von fünf bis 15 Prozent. „Die Differenz beim Stundenlohn lässt sich weder durch Qualifikation noch durch Berufserfahrung erklären“, so Studienautor Martin Kroh. „Ein solcher Sexuality Pay Gap, der in ähnlichem Umfang schon in anderen Ländern ermittelt wurde, legt eine Benachteiligung Homo- und Bisexueller nahe.“

Homo- und Bisexuelle leben deutlich häufiger in Städten und seltener auf dem Land. In Berlin, Köln und Frankfurt am Main wurden von allen Lebenspartnerschaften und Eheschließungen fünf Prozent oder mehr von gleichgeschlechtlichen LebenspartnerInnen geschlossen.

Unterschiede bei politischen Präferenzen, sozialen Beziehungen und Lebenszufriedenheit

Homo- und Bisexuelle sind politisch interessierter als Heterosexuelle und unterstützen deutlich häufiger Bündnis 90/Die Grünen (27 Prozent) und Die Linke (13 Prozent) und seltener die CDU/CSU (21 Prozent) als Heterosexuelle gleichen Alters (respektive 16, sieben und 35 Prozent). Verglichen wurden hier Befragte mit langfristiger Bindung an eine Partei.

Zu den weiteren Befunden der Studie gehört, dass LGBs seltener als Heterosexuelle ihre Familienmitglieder als Vertrauenspersonen nennen. Dafür finden sich unter den Personen, denen sie vertrauen und die sie um Hilfe bitten würden, häufiger Freund/-innen und Bekannte.

Homo- und Bisexuelle geben eine etwas geringere Lebenszufriedenheit als gleichaltrige Heterosexuelle an. Außerdem berichten Lesben, Schwule und Bisexuelle über eine etwas höhere psychische Belastung und sie sind häufiger von einer depressiven Erkrankung betroffen als Heterosexuelle. Eine Erklärung für diese Unterschiede könnte sein, dass LGBs aufgrund ihrer sexuellen Orientierung stigmatisiert und diskriminiert und dadurch chronischem Stress ausgesetzt sind.

Die Persönlichkeitsstruktur von LGBs, gemessen an fünf Dimensionen, über die die SOEP-Befragten Selbstauskunft geben („Big Five“), unterscheidet sich hingegen kaum von der Persönlichkeitsstruktur Heterosexueller. „Entgegen mancher Stereotype sind Lesben, Schwule und Bisexuelle nicht generell offener oder geselliger als Heterosexuelle“, so der Psychologe und Mit-Autor David Richter. „Hier kann die Datenanalyse einen wichtigen Beitrag zum Abbau von Stereotypen liefern.“

Sexuelle Orientierung und Geschlechtsidentität als Gegenstand der Sozialberichterstattung

„Auf Basis der SOEP-Daten schätzen wir, dass sich etwa zwei Prozent der erwachsenen Personen in Deutschland als homo- oder bisexuell identifizieren“, so Autor Simon Kühne. „Betrachten wir lediglich zusammenlebende Paare, so gehen wir von einem Anteil von 0,9 Prozent gleichgeschlechtlicher Paare aus.“ Dies ist mehr, als die amtliche Statistik ausweist: Laut Zahlen des Mikrozensus 2016 des Statistischen Bundesamtes liegt dieser Anteil gleichgeschlechtlicher Paare in Deutschland bei nur 0,46 Prozent. Die im Vergleich höhere Quote in den SOEP-Daten ist vergleichbar mit dem Anteil an gleichgeschlechtlichen Paaren in anderen Industrieländern, die diese Daten statistisch ermitteln – zum Beispiel den USA und Kanada.

„Die sexuelle Orientierung und auch die Geschlechtsidentität sollten systematisch in die Sozialberichterstattung integriert werden, wie das zum Beispiel in den USA schon der Fall ist“, so Martin Kroh. „Dadurch könnten Differenzen in Lebenslagen besser dokumentiert und Handlungsbedarf, zum Beispiel bei der Bekämpfung von Diskriminierung, die auch erhoben werden sollte, besser identifiziert werden.“

Weitere <link https: www.diw.de de diw_01.c.100319.de presse pressemitteilungen external-link-new-window informationen zur>Informationen zur Studie und zum SOEP stehen auf der Webseite des DIW Berlin zur Verfügung. 

Quelle: Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung Berlin vom 31.08.2017

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