Freiwilliges Engagement

Fachtagung Ehrenamt der KatHO NRW Aachen: Politik muss Ehrenamt höher wertschätzen

Das Ehrenamt hat Hochkonjunktur. Leistungen im wirtschaftlichen Gegenwert von 35 Milliarden Euro erbringen die Ehrenamtlichen in Deutschland und „doch zieht die Politik daraus keine Konsequenzen“, kritisierte Rita Süssmuth, Bundestagspräsidentin a.D. auf der Fachtagung „Ehrenamt - Motor oder Lückenbüßer“, die von der Katholischen Hochschule NRW Aachen, der Bürgerstiftung Lebensraum und dem Freiwilligenzentrum der Caritas gemeinsam veranstaltet wurde.

02.12.2010

 

Ehrenamtliches Engagement sollte, so die CDU-Politikerin, bei den Rentenzahlungen anerkannt und steuerlich geltend gemacht werden. Zudem sei eine durchgehende Aufwandsentschädigung, nicht nur im Sportbereich, und mehr Mitsprache in Gremien und Kommunalpolitik dringend überfällig. Mit der demografischen Entwicklung wird das Engagement der über 65-Jährigen weiter zunehmen. Süssmuth schlug daher ein genossenschaftliches Modell vor, mit dem die gespendete Zeit im Alter als Pflegezeit rückerstattet werden könne.

Für die Freiwilligendienste, die schon jetzt nicht genügend Plätze anbieten können, müsse mit der Auflösung des Zivildienstes ein Sonderetat bereitgestellt werden, forderte die frühere Bundestagspräsidentin. Befürchtungen, dass das Ehrenamt Vollzeitstellen ersetzen würde, wies sie zurück: „Das Ehrenamt kann das Hauptamt nicht ersetzen, wohl aber brauchen die Freiwilligen Unterstützung, Anleitung und Beratung durch die Festangestellten.“

Das freiwillige Engagement könne nicht die Patentlösung für soziale Schieflagen sein, mahnte KatHO-Professorin Marianne Genenger-Stricker: „Ehrenamtliche dürfen nicht als Lückenbüßer missbraucht werden“, sagte sie zu den 180 Ehrenamtlern, die zur Tagung gekommen waren, um gesellschaftliche Chancen und Fallstricke bürgerschaftlichen Engagements zu diskutieren.

Mit den Aspekten von Selbstverwirklichung, Lernchancen und Lebensqualität, ebenso wie Instrumentalisierung, Bezahlung und politischen Forderungen setzten sich die Arbeitsgruppen auseinander.

Die Podiumsdiskussion, moderiert vom Stellvertretenden Chefredakteur der Aachener Zeitungen, Bernd Büttgens, machte dann auch die Spannungsfelder deutlich. Während Bürgermeisterin Margarete Schmeer gern einen Ehrenamtler des Jahres küren würde, wehrte sich KatHO-Dekanin Genenger-Stricker gerade gegen solche Eindimensionalität: „Bürgerschaftliches Engagement muss auch möglich sein, wenn es unbequem ist, sich wehrt und aufbegehrt“, verlangte sie. Im Hinblick auf die größer werdende Schere zwischen Arm und Reich dürfe die Grauzone zum Billiglohnsektor nicht weiter verstärkt werden.

Von der Politik forderten die Ehrenamtlichen mehr Mitspracherechte und mehr Möglichkeiten der Mitgestaltung, zuverlässige Rahmenbedingungen wie die Bereitstellung von Räumen, aber auch eine größere Wertschätzung und Anerkennung des Sach- und Fachwissens von Freiwilligen. Ehrenamtliche Arbeit müsste mehr in der Verfassung verankert sein, lautete ein Reformvorschlag.

Über die große Resonanz und den regen Austausch freute sich Brigitte Erm, die Vorsitzende der Bürgerstiftung Lebensraum, die inzwischen 101 Stifter zählt und mit ihren Geldern junge Menschen und ökologische Projekte unterstützt.

Quelle: Kat HO NRW

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