Freiwilliges Engagement

„Engagiert Euch – nicht?“ – Wie das Gemeinnützigkeitsrecht politisches Engagement erschwert

Eine breit angelegte Studie belegt Rechtsunsicherheit beim Gemeinnützigkeitsrecht. Finanzämter bewerten gleiche Satzungen ungleich – dies belegt der empirische Feldversuch der Allianz „Rechtssicherheit für politische Willensbildung“, gefördert von der Otto Brenner Stiftung. Aus diesem Grund fordert der Zusammenschluss aus mehr als 80 Vereinen und Stiftungen eine Ergänzung des Gemeinnützigkeitsrechts.

23.03.2018

Statt zivilgesellschaftliches Engagement großzügig zu fördern und rechtlich abzusichern, führt das Gemeinnützigkeitsrecht zu Rechtsunsicherheit für demokratisches Engagement. Das ist der zentrale Befund einer breit angelegten repräsentativen Studie, mit der alle Finanzämter in Deutschland darauf getestet wurden, ob sie das Gemeinnützigkeitsrecht gleichmäßig anwenden können. Gleiche Satzungen wurden von etwa der Hälfte der Finanzämter als gemeinnützig anerkannt, von der anderen Hälfte nicht. Die Studie „Engagiert Euch – nicht?“ wurde am 22. März 2018 mit einer Pressekonferenz in Berlin vorgestellt.

Widerspruch zwischen Aufruf zum Engagement und den gesetzlichen Regeln der Gemeinnützigkeit

„Wer von Demokratieförderung redet und von Engagement für Grundwerte, der muss dieses Engagement einfach machen“, forderte Stefan Diefenbach-Trommer, Autor der Studie und Vorstand der Allianz „Rechtssicherheit für politische Willensbildung“, einem Zusammenschluss von mehr als 80 Vereinen und Stiftungen. „Doch tatsächlich gibt es einen großen Widerspruch zwischen den offiziellen Aufforderungen, sich politisch für Demokratie und Menschenrechte zu engagieren, und den gesetzlichen Regeln der Gemeinnützigkeit. Diesen Widerspruch muss der Bundestag als Gesetzgeber auflösen und in die Abgabenordnung klar und deutlich schreiben, welches Engagement gefördert werden soll. Es kann doch nicht sein, dass etwa das Engagement für Grund- und Menschenrechte nicht gemeinnützig ist!“

Initiativen bereits bei der Gründung ausgebremst

Mit mehr Klarheit könnten die Finanzämter besser arbeiten und würden Initiativen nicht bereits bei ihrer Gründung ausgebremst. „Selbstloses politisches Engagement findet längst auch außerhalb von Parteien und Parlamenten statt. Es wird Zeit, das Engagement dieser Initiativen anzuerkennen und ihm einen klaren Rechtsrahmen zu geben“, forderte Diefenbach-Trommer. Die neue Bundesregierung solle zügig die geplante Demokratie-Kommission einsetzen und dort auch dieses Form demokratischer Mitgestaltung diskutieren.

Viele gute Ideen nicht als gemeinnützig anerkannt

Dr. Ansgar Klein, Geschäftsführer des Bundesnetzwerk Bürgerschaftliches Engagement (BBE), erklärte zur Studie: „Zivilgesellschaft ist kein verlängerter Arm des Staates. Sie ist eigenständig und eigensinnig. Das bürgerschaftliche Engagement in Deutschland ist vielfältig. Es beschränkt sich nicht auf Sport oder direkte Hilfe, die politische Einmischung gehört dazu. Leider interpretiert die Finanzverwaltung auch den neuen Zweck zur Förderung des bürgerschaftlichen Engagements so einschränkend, dass viele gute Ideen für unsere Gesellschaft nicht als gemeinnützig anerkannt werden.“

Einhaltung der Regeln kann nicht der Finanzverwaltung übertragen werden

„Die offene Gesellschaft zeichnet sich gegenüber autoritären Ordnungen gerade dadurch aus, dass die Zivilgesellschaft ein politisches Mandat hat, das von ihren Akteuren wahrgenommen wird“, bekräftigte Rupert Graf Strachwitz, Direktor des Maecenata Instituts für Philanthropie und Zivilgesellschaft. „Natürlich muss es dafür Regeln geben. Diese müssen aber vom Parlament gesetzt werden, und ihre Einhaltung kann nicht der Finanzverwaltung übertragen werden, deren Aufgabe es ist, Steuern einzutreiben.“

Über die Studie

Für die Studie wurden drei Vereine konstruiert, die sich mit ihrer Arbeit politisch einmischen, um selbstlos die Allgemeinheit zu fördern. Deren Satzungen wurden an je ein Drittel der zuständigen Finanzämter geschickt mit gleichlautenden Briefen und der Bitte, die Anerkennung der Gemeinnützigkeit zu prüfen. 166 Antworten gingen ein, bevor das Bundesfinanzministerium auf die Studie aufmerksam wurde und Anweisung erteilte, nicht zu antworten.

Die Studie ist am 22. März 2018 als Arbeitspapier Nr. 5 des Bundesnetzwerk Bürgerschaftliches Engagement (BBE) erschienen. Die gesamte Studie „Engagiert Euch – nicht? Wie das Gemeinnützigkeitsrecht politisches Engagement erschwert“ (PDF 2,8 MB) steht auf der Webseite des BBE zum Download bereit.

Autor der Studie ist Stefan Diefenbach-Trommer, Vorstand der Allianz „Rechtssicherheit für politische Willensbildung“ e.V. Die Durchführung der Untersuchung und die Veröffentlichung der Studie wurden von der Otto Brenner Stiftung gefördert.

Quelle: Bundesnetzwerk Bürgerschaftliches Engagement, Otto Brenner Stiftung (OBS) und Allianz „Rechtssicherheit für politische Willensbildung“ vom 22. März 2018

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