Europa

Österreich: Kritik an Kompetenzverschiebung in der Kinder- und Jugendhilfe

Die österreichische Bundesjugendvertretung (BJV) äußert sich kritisch zu Plänen der Regierung, die Kinder- und Jugendhilfe in die alleinige Kompetenz der Bundesländer zu übertragen. Die BJV sieht Auswirkungen auf hochsensible Lebensbereiche von Kindern und Jugendlichen und fürchtet eine „Nivellierung nach unten“. Die Bundesregierung hatte einen entsprechenden Vorschlag ins Parlament eingebracht. Hierzu hatten sich zahlreiche Stimmen der Zivilgesellschaft kritisch geäußert.

03.08.2018

Die Bundesjugendvertretung (BJV) sieht den Gesetzesentwurf, mit dem die Kompetenzen zwischen Bund und Ländern neu verteilt werden sollen, kritisch. „Wir warnen davor, dass die Kinder- und Jugendhilfe in alleinige Kompetenz der Bundesländer übertragen werden soll, so die Reaktion von BJV-Vorsitzender Caroline Pavitsits. Die Vorsitzende zeigt die möglichen Folgen auf:

BJV fürchtet eine Nivellierung nach unten 

„Die im Gesetzesentwurf vorgesehene Kompetenzverschiebung hat Auswirkungen auf hochsensible Lebensbereiche von Kindern und Jugendlichen, wie Erziehungshilfen, Gewaltschutz, Gefährdungsabklärung oder Fremdunterbringung. Bereits jetzt gibt es unterschiedliche Standards in den Bundesländern. Eine vollständige Übertragung der Kinder- und Jugendhilfe auf Länderebene würde zu noch weiter divergierenden Verhältnissen für Kinder und Jugendliche in Österreich führen.“

Die BJV fürchtet zudem eine Nivellierung nach unten. Anstatt des Kindeswohles könnten beispielsweise budgetäre Überlegungen an oberste Stelle für die Festlegung von bestimmten Standards und Leistungen stehen. „Es ist daher für junge Menschen zentral, dass die sensiblen Bereiche der Kinder- und Jugendhilfe in der Zuständigkeit des Bundes bleiben. Der Staat muss hier seiner Verantwortung nachkommen und darf das Wohl von Kindern und Jugendlichen nicht dem Zufall ihres Wohn-Bundeslandes überlassen“, betont Pavitsits.

Verantwortung des Bundes notwendig

Aus Sicht der BJV braucht es die Verantwortung des Bundes in mehreren Punkten: „Einerseits muss  die Festlegung und Überprüfung von Standards sichergestellt werden. Außerdem ist ein Wissens- und Informationstransfer zwischen den Bundesländern gerade in diesen für den Kinderschutz höchst sensiblen Bereichen erforderlich, da es sonst zu erheblichen Nachteilen oder Gefährdungen für Kinder kommen kann. Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Gesetzesentwurf nicht gegeben, was erhebliche Risiken für das Kindeswohl mit sich bringt“, so Pavitsits.

Die BJV appelliert daher an die Regierungsparteien, die Stimmen von ExpertInnen ernst zu nehmen und von einer Kompetenzverschiebung im Bereich der Kinder- und Jugendhilfe abzusehen. Auch aus Sicht der UN-Kinderrechtskonvention, zu der sich Österreich 1992 verpflichtet hat, ist dieser Schritt abzulehnen, wie die BJV in ihrer Stellungnahme aufzeigt.

„Im Bereich Jugendschutz hat man vor kurzem die weitgehende Harmonisierung gefeiert, dass die Politik nun im Bereich Kinder- und Jugendhilfe genau die entgegengesetzte Richtung einschlägt, ist nicht nachvollziehbar und mit massiven Auswirkungen für Kinder und Jugendliche verbunden“, kritisiert Pavitsits abschließend.

Hintergrund

Die österreichische Bundesregierung plant umfangreiche Änderungen in der verfassungsrechtlichen Kompetenzverteilung zwischen Bund und Bundesländern. Hierzu wurde ein entsprechender Gesetzentwurf (Ministerialentwurf) im Parlament eingebracht. In Bezug auf die geplanten Änderungen im Bereich der Kinder- und Jugendhilfe wurden verschiedene Stellungnahmen veröffentlicht. So weist das Ludwig Boltzmann Institut für Menschenrechte (BIM) darauf hin, dass die geplanten Änderungen nicht mit kinderrechtlichen und verfahrensrechtlichen Standards vereinbar seien. Das Netzwerk Kinderrechte Österreich (National Coalition) kritisiert die Absicht, neun unterschiedliche Kinder- und Jugendhilfesysteme zu schaffen und hält die Vorschläge ebenfalls für kinderrechtswidrig. Weiterhin fürchtet man massive Verschlechterungen im Kinderschutz.

Auch die Österreichsichen Kinderschutzzentren, die  Kinder- und Jugendanwaltschaften,  der Dachverband Österreichischer Kinder- und Jugendhilfeeinrichtungen (DÖJ) und das Bundesweite Netzwerk offene Jugendarbeit (bOJA) äußern sich kritisch zu den Vorschlägen. Sämliche eingebrachten Stellungnahmen wurden auf den Parlamentsseiten veröffentlicht. Die Stellungnahme der Bundesjugendvertretung (PDf, 73 KB) steht außerdem auf der BJV-Webseite zum Download zur Vefügung. 

Quelle: Österreichische Bundesjugendvertretung vom 11.07.2018

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