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Österreich: Analyse des Regierungsprogramms aus Jugendsicht

Die österreichische Bundesjugendvertretung (BJV) veröffentlicht ihre ausführliche Analyse des Regierungsprogramms der neuen Bundesregierung. Sie weist dabei sowohl auf positive Aspekte wie auch auf Schwachstellen aus der Sicht von jungen Menschen hin. Die neue Bundesregierung ist seit Januar 2020 im Amt und hatte in der Folge ihr Arbeitsprogramm für die nächsten zwei Jahre veröffentlicht.

06.03.2020

Als gesetzliche Interessenvertretung aller Kinder und Jugendlichen in Österreich hat die Bundesjugendvertretung (BJV) das Regierungsprogramm einer Analyse unterzogen und legte ein umfassendes Papier vor. Die Detailanalyse zeige auf, welche Punkte für junge Menschen besonders relevant sind, welche Vorhaben positiv zu bewerten seien und wo es noch Nachbesserungen brauche.

Die BJV betont ihr sei es besonders wichtig, dass politische Maßnahmen im Leben der jungen Menschen ankommen. Hierfür fordert sie Ambitionen und Weitsicht für langfristige Vorhaben und gleichzeitig Schritte, die auch sofort umgesetzt werden können. Die aus ihrer Sicht dringendsten Handlungsfelder hatte die Bundesjugendvertretung in Form eines eigenen Kinder- und Jugendprogramms vorab an die Parteien und Koalitionsverhandler/-innen geschickt.

Klimamaßnahmen für junge Menschen besonders relevant

„Positiv sticht der Fokus auf Klimamaßnahmen hervor, womit ein für junge Menschen besonders brennendes Thema aufgegriffen wurde“, so BJV-Vorsitzende Isabella Steger. Im Regierungsprogramm finden sich einige Punkte, welche die BJV gefordert hat, wie zum Beispiel eine ökosoziale Steuerreform oder 100% erneuerbare Energien bis 2030. Allerdings ist die Gegenfinanzierung dieser Klimamaßnahmen nicht definiert. „Kostspielige Maßnahmen im Bereich des Klimaschutzes dürfen nicht zu Lasten von anderen Bereichen wie Bildung, Gesundheit oder Soziales gehen“ betont Steger.

Jugendkapitel bleibt hinter Erwartungen zurück

Weniger ambitioniert falle das Jugendkapitel aus: „Es finden sich zwar Jugendmaßnahmen in verschiedenen Bereichen, das Jugendkapitel selbst ist jedoch recht knapp gehalten. Lediglich 3 von 326 Seiten sind dem Jugendbereich gewidmet. Kinder- und Jugendanliegen müssen in der politischen Praxis mehr im Fokus stehen“, hält BJV-Vorsitzender Jakob Ulbrich fest. Dass das Thema Kinderrechte völlig untergeht, ist aus Sicht der BJV enttäuschend, da die Umsetzung der Kinderrechte in Österreich derzeit international im Rahmen der Staatenprüfung durch die Vereinten Nationen besonders im Fokus steht.

Armutsbekämpfung an betroffenen Menschen orientieren

Die BJV betont, dass die Vorhaben aus dem Regierungsprogramm wirklich dort ansetzen müssen, wo akuter Handlungsbedarf besteht. „Jedes 5. Kind in Österreich ist armutsgefährdet, dagegen muss die Regierung vorgehen. Armutsbekämpfung wird von der Regierung als wichtiges Ziel genannt, jedoch legen Maßnahmen wie der Familienbonus einen falschen Schwerpunkt, da davon Besserverdiener/-nnen stärker profitieren. Es braucht hingegen Schritte, die treffsicher bei armutsbetroffenen Familien ankommen“, betont Steger.

Konkrete Schritte zur Stärkung ehrenamtlichen Engagements

Bemerkenswert ist, dass ehrenamtliches Engagement gestärkt werden soll. Die BJV erwartet sich hier konkrete Schritte wie die Sonderfreistellung für Freiwillige und die Wertanpassung der Bundes-Jugendförderung. „Seit 2001 ist durch die fehlende Inflationsanpassung die Förderung für Kinder- und Jugendorganisationen um 40 Prozent gesunken. Die Bundes-Jugendförderung muss dringend valorisiert werden, um weiterhin eine qualitativ hochwertige Arbeit im Jugendbereich zu ermöglichen“, betont Jakob Ulbrich.

Gleichstellungspolitik benötigt verbindliche Maßnahmen

Vom Frauenkapitel zeigt sich die BJV enttäuscht: „Es sind kaum konkrete Pläne vorgesehen. Der Ausbau von Frauenberatungsstellen ist zwar positiv, aber die Ausfinanzierung bleibt fraglich“, erklärt Steger. Die BJV betont, dass die Zeit der Lippenbekenntnisse vorbei sein muss und es verbindliche Maßnahmen braucht, um Gleichstellung endlich vollständig umzusetzen. Auch im Bildungsbereich fehlen grundsätzliche Bestrebungen, die Vererbung von Bildung aufzubrechen.

Integration statt Segregation herstellen

Kritik übt die BJV am Integrationskapitel: „Für uns gehen die Maßnahmen zur Integration in eine falsche Richtung. Der Fokus auf Deutschförderklassen und Kopftuchverbot stellt mehr Segregation als Integration her“, so Ulbrich.

Nach wie vor blieben viele Details im Regierungsprogramm offen und könnten erst nach ihrer konkreten Ausgestaltung bzw. Finanzierung letztgültig bewertet werden. Die BJV wolle die weiteren Schritte genau verfolgen und ihre Expertise in die politischen Diskussionen einbringen.

Die vollständige Analyse des Regierungsprogramms aus Kinder- und Jugendperspektive 2020 - 2024 (PDF, 340 KB) steht bei der Bundesjugendvertretung zur Verfügung.

Quelle: Österreichische Bundesjugendvertretung vom 20.02.2020

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