Europa

Merkel: "Entscheidung zum Brexit ist gefallen"

Im ZDF-Sommerinterview äußert sich Bundeskanzlerin Merkel zum Brexit und zur Flüchtlingspolitik. Sie gehe fest davon aus, dass Großbritannien den Antrag zum Austritt aus der EU stellen werde und betonte die humanitäre Verantwortung Europas im Umgang mit Flüchtlingen.

11.07.2016

Der Brexit war eines der großen Themen des ZDF-Sommerinterviews mit Bundeskanzlerin Angela Merkel am Sonntagabend. "Wir müssen erst einmal zur Kenntnis nehmen, dass Großbritannien mehrheitlich entschieden hat, aus der EU austreten zu wollen. Und diese Entscheidung ist aus meiner Sicht gefallen", betonte Merkel. Sie befasse sich mit den Realitäten und gehe fest davon aus, dass dieser Antrag gestellt werde. Damit meinte die Kanzlerin einen Antrag Großbritanniens nach Artikel 50 des EU-Vertrages. Dieser Antrag sei Voraussetzung dafür, dass Verhandlungen über einen Austritt beginnen könnten.

Strukturreformen und solides Haushalten notwendig

Merkel äußerte sich in dem Interview deutlich zur Europapolitik. Auf der einen Seite sei eine wachstumsorientierte Politik notwendig. Dazu müsse es in vielen europäischen Ländern Strukturreformen geben. Zudem "brauchen wir natürlich auch solide Haushalte", so Merkel. Ihr sei bewusst, dass der Weg über Strukturreformen ein schwieriger sei. Dass er sich lohne, zeige sich am Beispiel Spanien. Dort sei die Arbeitsmarktlage in diesem Sommer jetzt wieder so wie vor der Krise 2009. Was den weiteren europapolitischen Kurs angeht, verwies die Kanzlerin auf ein informelles Treffen der 27 EU-Staaten (ohne Großbritannien) Mitte September in Bratislava. Dort wolle man an drei Punkten weiterarbeiten: Erstens gehe es um die innere und äußere Sicherheit und den Schutz der Außengrenzen. Zweitens seien die Aspekte Wettbewerbsfähigkeit, Wachstum und Arbeitsplätze wichtig. Drittens sei die Frage zu klären, was getan werden könne, um den vielen jungen arbeitslosen Menschen zu helfen.

Keine Kompromisse bei Grundfreiheiten

Merkel stellte klar, dass aus ihrer Sicht die mehrheitliche Entscheidung Großbritanniens für den Brexit nichts mit hoher Arbeitslosigkeit zu tun habe. Gerade dort gebe es für junge Menschen viele Arbeitsplätze. Vielmehr habe in Großbritannien die Frage der Freizügigkeit eine wichtige Rolle bei dem Referendum gespielt. Sie halte es aber für wichtig, dass Grundfreiheiten in Europa wie die des freien Personenverkehrs, des Austauschs von Gütern und Dienstleistungen sowie der freie Kapitalmarkt bestehen blieben. "Das macht natürlich auch die Stärke Europas aus und deshalb habe ich hier auch keine Kompromisse gemacht", erklärte Merkel.

Flüchtlingspolitik: Europa hat humanitäre Verantwortung

Weiteres Schwerpunkthema des Interviews war die Flüchtlingspolitik. Merkel äußerte sich davon überzeugt, dass Europa eine "Verantwortung hat, Menschen aus humanitären Gründen Schutz zu geben". Jedes andere Verhalten sei, auch was Werte anbelange, "völlig inakzeptabel". Eine Lehre aus der Flüchtlingskrise sei, dass sich alle früher mit den Gründen für Flucht beschäftigen müssten. Die Bekämpfung der Fluchtursachen sei besonders wichtig. Merkel weiter: "Wir müssen natürlich lernen, unsere Außengrenzen zu schützen und die illegale Migration zu unterbinden." Man könne Menschen nicht zumuten, dass sie unter unsäglichen Umständen zu uns kommen, und Hunderte, im Mittelmeer sogar Tausende ihr Leben verlieren. Zudem sei eine faire Verteilung der Flüchtlinge innerhalb Europas wichtig. Hieran mangele es noch. Bei den anderen Punkten gebe es aber deutliche Fortschritte.

EU-Türkei-Abkommen

Merkel verteidigte in dem Gespräch das EU-Türkei-Abkommen. Sie verwies darauf, dass die Türkei drei Millionen Flüchtlinge aufgenommen habe. Sie finde nicht alles richtig, was in der Türkei geschehe, die Aufnahme der Flüchtlinge durch die Türkei sei aber eine "wirkliche humanitäre Tat". Es gebe das gemeinsame Interesse, illegale Migration zu unterbinden. Und deshalb sei es fair, dass die EU die Türkei unterstütze. In der Diskussion über Reisen von Bundestagsabgeordneten zum Luftwaffenstützpunkt Incirlik in der Türkei sagte Merkel, hier sei die Lösung nach ihrem ersten Gespräch mit Präsident Erdogan beim Nato-Gipfel in Warschau noch nicht da. Hier müsse weitergearbeitet werden. Sie betonte: "Es ist notwendig, dass unsere Abgeordneten nach Incirlik reisen können, dass sie unsere Soldaten besuchen können."

Quelle: Presse- und Informationsamt der Bundesregierung vom 10.07.2016

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