Europa

EU-Migrationspolitik: Krise überwunden – strukturelle Lösung nötig

Die Zahl der Neuankommenden in der EU ist drei Jahre in Folge kontinuierlich zurückgegangen und die derzeitigen Zahlen entsprechen nur 10 Prozent der Spitzenwerte des Jahres 2015. In einer Bilanz stellt die EU-Kommission die Fortschritte der vergangenen vier Jahre vor und legt dar, welche Maßnahmen zur Bewältigung der unmittelbaren und künftigen Herausforderungen der Migration erforderlich sind.

07.03.2019

Die Zahl der irregulären Einreisen in die EU ist auf das niedrigste Niveau seit fünf Jahren gesunken, der EU-Außengrenzschutz wurde verbessert, die Rückkehrquote erhöht. Millionen von Menschen erhielten Schutz und Unterstützung, Menschenleben wurden gerettet und Schleusernetze zerschlagen. Die am 6. März von der EU-Kommission veröffentlichte Bilanz zur Europäischen Migrationspolitik zeigt, dass es der EU in Reaktion auf die schwerste Flüchtlingskrise seit dem Zweiten Weltkrieg gelungen ist, einen entscheidenden Durchbruch in den Bereichen Migrationssteuerung und Grenzschutz zu erzielen. Es bleiben aber noch weitere Anstrengungen erforderlich, um die Migrationspolitik der EU angesichts eines sich ständig wandelnden geopolitischen Umfelds und einer stetigen Zunahme des globalen Migrationsdrucks wirklich zukunftsfähig zu machen.

Fortsetzung der Zusammenarbeit notwendig

Der Erste Vizepräsident der EU-Kommission Frans Timmermans erklärte dazu: „In den vergangenen vier Jahren hat die EU erhebliche Fortschritte und greifbare Ergebnisse bei der Bewältigung der Herausforderungen der Migration erzielt. Unter sehr schwierigen Umständen haben wir gemeinsam gehandelt. Europa ist nicht mehr von einer Migrationskrise betroffen, wie wir sie 2015 erlebt haben, doch bestehen nach wie vor strukturelle Probleme. Die Mitgliedstaaten haben die Pflicht, diejenigen zu schützen und zu versorgen, die bei ihnen Zuflucht gefunden haben. Die Fortsetzung der Zusammenarbeit im Rahmen eines umfassenden Ansatzes, solidarisch und mit einer gerechten Aufteilung der Verantwortlichkeiten, ist der einzige Weg, wenn die EU den Herausforderungen der Migration gerecht werden will.“

Die Hohe Vertreterin/Vizepräsidentin Federica Mogherini erklärte dazu: „Unsere Zusammenarbeit mit der Afrikanischen Union und den Vereinten Nationen hat bereits zu Ergebnissen geführt. Wir helfen Tausenden Menschen, die gestrandet sind, unterstützen viele von ihnen bei einer sicheren Heimkehr und der Aufnahme einer Erwerbstätigkeit, wir retten Menschenleben und gehen gegen Schleuser vor. Die Zahl der Migranten ist zwar zurückgegangen, doch immer noch setzen zu viele von ihnen ihr Leben aufs Spiel, und jedes einzelne Menschenleben, das nicht gerettet wurde, ist ein Verlust zu viel. Daher werden wir mit unseren internationalen Partnern und den betroffenen Ländern auch in Zukunft zusammenarbeiten, um den Bedürftigsten Schutz zu bieten, die Migrationsursachen anzugehen, Schleusernetze zu zerschlagen und Möglichkeiten für eine sichere, geordnete und legale Migration zu schaffen. Migration ist eine globale Herausforderung, die bewältigt werden kann. Die EU hat hierfür den richtigen Weg eingeschlagen: Zusammenarbeit und starke Partnerschaften.“

Gemeinsames Migrationskonzept zeigt Wirkung

Dimitris Avramopoulos, Kommissar für Migration, Inneres und Bürgerschaft, ergänzte: „Die Ergebnisse unseres gemeinsamen europäischen Migrationskonzepts sprechen für sich: Die Zahl der irregulären Einreisen ist jetzt geringer als vor der Krise, die Europäische Grenz- und Küstenwache hat den gemeinsamen EU-Grenzschutz auf ein neues Niveau gebracht und gemeinsam mit unseren Partnern arbeiten wir darauf hin, legale Migrationswege zu schaffen und gleichzeitig die Rückkehrquote zu erhöhen. Für die Zukunft ist es von entscheidender Bedeutung, unser gemeinsames Konzept weiter zu verfolgen, aber auch die laufende Reform des EU-Asylsystems zu vollenden. Priorität sollte auch die Festlegung vorübergehender Regelungen für die Ausschiffung erhalten.“

Aktuelle Zahlen sind keine Garantie für die Zukunft

Die Zahl der Neuankömmlinge ist nun drei Jahre in Folge kontinuierlich zurückgegangen, und die derzeitigen Zahlen entsprechen nur 10 Prozent der Spitzenwerte des Jahres 2015. Im Jahr 2018 wurden an den EU-Außengrenzen rund 150.000 irreguläre Grenzübertritte festgestellt. Dass die Zahl der irregulären Einreisen zurückgegangen ist, stellt jedoch vor dem Hintergrund des voraussichtlich anhaltenden Migrationsdrucks keine Garantie für die Zukunft dar. Daher ist es unerlässlich, einen umfassenden Ansatz für Migrationssteuerung und Grenzschutz zu verfolgen.

Nötige Sofortmaßnahmen

Dringender Handlungsbedarf besteht vor allem in folgenden Bereichen:

  • Westliche Mittelmeerroute: Marokko muss noch stärker unterstützt werden, da die Zahl der Einreisen über die westliche Mittelmeerroute erheblich gestiegen ist. Notwendig sind daher die weitere Umsetzung des mit 140 Mio. Euro dotierten Programms zur Unterstützung des Grenzmanagements und die Wiederaufnahme der Verhandlungen mit Marokko über Rückübernahme und Visaerleichterungen.
  • Zentrale Mittelmeerroute: Verbesserung der katastrophalen Bedingungen in Libyen: Im Rahmen der trilateralen Taskforce der EU, der Afrikanischen Union und der Vereinten Nationen müssen weitere Anstrengungen unternommen werden, um die Entlassung von Migranten aus Auffanglagern zu erreichen, die freiwillige Rückkehr zu erleichtern (bislang 37 000 Rückkehrer) und die am stärksten gefährdeten Personen zu evakuieren (fast 2500 Evakuierungen).
  • Östliche Mittelmeerroute: Migrationsmanagement in Griechenland: Die Erklärung EU-Türkei hat zwar weiterhin maßgeblich dazu beigetragen, dass die Zahl der Neuankömmlinge auf den griechischen Inseln stark zurückgegangen ist, doch sind die zentralen Probleme, vor denen Griechenland in Bezug auf Rückführungen, die Bearbeitung von Asylanträgen und eine angemessene Unterbringung steht, nach wie vor nicht gelöst. Zur Verbesserung des Migrationsmanagements sollte Griechenland rasch eine wirksame nationale Strategie mit operativen Arbeitsabläufen festlegen.
  • Vorübergehende Regelungen für die Ausschiffung: Ausgehend von den Erfahrungen, die im Sommer 2018 und im Januar 2019 mit Ad-hoc-Lösungen gewonnen wurden, kann mit vorübergehenden Regelungen ein systematischerer und besser koordinierter EU-Ansatz für die Ausschiffung verwirklicht werden. Solche Regelungen würden bedeuten, dass die Grundsätze der Solidarität und Verantwortung auf EU-Ebene in die Praxis umgesetzt werden und dazu dienen, die Zeitspanne bis zum Abschluss der Reform der Dublin-Verordnung zu überbrücken.

Umfassender Ansatz ist unerlässlich

In Bezug auf die Migration ist ein umfassender Ansatz unerlässlich, der Maßnahmen mit den Partnern außerhalb der EU, an den Außengrenzen und innerhalb der EU einbezieht. Es reicht nicht aus, sich nur mit den dringendsten Fragen zu befassen. Die Situation erfordert vielmehr kontinuierliche und entschlossene Maßnahmen in allen Bereichen des umfassenden Ansatzes, der mit den vier Schwerpunkten der Europäischen Migrationsagenda abgesteckt wurde:

Die Ursachen der irregulären Migration bekämpfen

In den letzten vier Jahren wurde die Migrationsproblematik konsequent in allen Bereichen der EU-Außenbeziehungen berücksichtigt:

  • Über den Nothilfe-Treuhandfonds der EU für Afrika erhalten derzeit mehr als 5,3 Millionen Schutzbedürftige grundlegende Unterstützung, und mehr als 60.000 Menschen wurde nach der Rückkehr in ihre Heimatländer bei der Wiedereingliederung geholfen.
  • Die Bekämpfung von Schleuser- und Menschenhändlernetzen wurde weiter intensiviert. Im Jahr 2018 spielte das Europäische Zentrum zur Bekämpfung der Migrantenschleusung bei über hundert vorrangigen Fällen von Menschenschmuggel eine Schlüsselrolle, und gemeinsame Ermittlungsgruppen bekämpfen die Schleuserkriminalität in Ländern wie Niger.
  • Um größere Erfolge im Bereich der Rückkehr und Rückübernahme zu erzielen, bemüht sich die EU weiterhin um den Abschluss von Rückübernahmeabkommen und -vereinbarungen mit Partnerländern. Bislang wurden 23 solcher Abkommen bzw. Vereinbarungen geschlossen. Nun müssen die Mitgliedstaaten die bestehenden Abkommen in vollem Umfang nutzen.
  • Darüber hinaus sollten das Europäische Parlament und der Rat den von der Kommission vorgelegten Vorschlag für Rückführungsvorschriften, die einen Missbrauch der Rechtslage und das Untertauchen von zur Rückkehr verpflichteten Personen in der EU verhindern sollen, rasch annehmen.

Stärkung des Grenzmanagements

Die 2016 eingerichtete Europäische Agentur für die Grenz- und Küstenwache ist heute Dreh- und Angelpunkt der Arbeiten der EU zur Unterstützung der Mitgliedstaaten beim Schutz der Außengrenzen. Im September 2018 schlug die Kommission vor, die Europäische Grenz- und Küstenwache weiter auszubauen und die Agentur mit einer ständigen Reserve von 10.000 Grenzschutzbeamten auszustatten. Damit soll sichergestellt werden, dass die Mitgliedstaaten jederzeit die volle operative Unterstützung der EU in Anspruch nehmen können. Die Kommission fordert das Europäische Parlament und die Mitgliedstaaten auf, die Reform vor den Wahlen zum Europäischen Parlament zu verabschieden. Um Defizite zu vermeiden, müssen die Mitgliedstaaten auch dafür sorgen, dass die Agentur über eine ausreichende Zahl von Experten und über angemessene Ausrüstung verfügt.

Schutz und Asyl

Die EU wird weiterhin Hilfe für Flüchtlinge und Vertriebene in Drittstaaten leisten, auch im Nahen Osten und in Afrika, und Menschen, die internationalen Schutz benötigen, Zuflucht bieten. Seit 2015 wurden mehr als 50.000 Personen im Rahmen von EU-Regelungen neu angesiedelt. Eine wichtige Lehre aus der Migrationskrise lautet, dass die EU-Asylvorschriften überarbeitet werden müssen und ein gerechtes und zweckmäßiges System geschaffen werden muss, das jeden künftigen Anstieg des Migrationsdrucks bewältigen kann. Die Kommission hat alle notwendigen Vorschläge auf den Tisch gelegt und unterstützt nachdrücklich einen schrittweisen Ansatz, um die einzelnen Vorschläge voranzubringen. Die Vorschläge, die kurz vor der Fertigstellung stehen, sollten vor den Wahlen zum Europäischen Parlament angenommen werden. Die Kommission wird weiterhin sowohl mit dem Europäischen Parlament als auch mit dem Rat zusammenarbeiten, um den Abschluss dieser Vereinbarungen voranzubringen.

Legale Migration und Integration

Legale Migrationswege halten davon ab, irreguläre Ausreisemöglichkeiten zu nutzen, und sind ein wichtiger Faktor, wenn es darum geht, die Ansiedlung in der EU in erster Linie über eine geordnete und bedarfsorientierte Migration zu ermöglichen. Die Kommission wird in Kürze eine umfassende Bewertung des EU-Rechtsrahmens für die Migration vorlegen. Parallel dazu sollten die Mitgliedstaaten freiwillige Pilotprojekte zur legalen Migration ausweiten. Die erfolgreiche Integration von Personen, die ein Aufenthaltsrecht haben, ist für die positive Wirkung von Migration von entscheidender Bedeutung. Aus dem EU-Haushalt wurden daher in den Jahren 2015 bis 2017 mehr als 140 Mio. Euro in Integrationsmaßnahmen investiert.

Hintergrundinformationen und Factsheets finden sich in der Pressemitteilung der EU-Kommission.

Quelle: Vertetung der Europäischen Kommission in Deutschland vom 06.03.2019

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