Gemeinsame Migrationspolitik

EU-Kommission legt Asyl- und Migrationspaket vor

Ein verpflichtender Solidaritätsmechanismus in Krisenzeiten, effizientere Grenzverfahren und Rückführungen, verstärkte Zusammenarbeit mit Drittstaaten, mehr legale Zugangswege und ein entschlossenes Vorgehen gegen Schleuser: das sind die Kernelemente des neuen Migrations- und Asylpakets, das die EU-Kommission vorgelegt hat.

28.09.2020

„Wir schlagen heute eine europäische Lösung vor, mit der das Vertrauen zwischen den Mitgliedstaaten und das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in unsere Fähigkeit, Migration als Union bewältigen zu können, wiederhergestellt werden sollen“, sagte Präsidentin Ursula von der Leyen. Das derzeitige System funktioniert nicht mehr. In den letzten fünf Jahren hat die EU es nicht geschafft, eine gemeinsame Lösung zu finden. Die EU muss den derzeitigen Stillstand überwinden und sich dieser Aufgabe stellen.

„Wir haben einen komplexen Binnenmarkt, eine gemeinsame Währung und ein beispielloses Konjunkturprogramm für den Wiederaufbau unserer Volkswirtschaften geschaffen. Jetzt gilt es, sich der Herausforderung zu stellen, die Migration gemeinsam zu bewältigen und dabei das richtige Gleichgewicht zwischen Solidarität und Verantwortung zu finden“, sagte von der Leyen.

Gemeinsame europäische Lösungen für eine europäische Herausforderung

Migration ist ein komplexes Thema mit vielen Aspekten, die bei Entscheidungen berücksichtigt werden müssen: die Sicherheit der Menschen, die internationalen Schutz oder ein besseres Leben suchen; die Sorgen der Länder an den EU-Außengrenzen, die befürchten, dass der Migrationsdruck ihre Kapazitäten übersteigen wird und die die Solidarität anderer benötigen – oder aber auch die Bedenken der übrigen EU-Mitgliedstaaten, die befürchten, dass bei Nichteinhaltung der Verfahren an den Außengrenzen große Zuströme von Menschen ihre nationalen Asyl-, Integrations- oder Rückführungssysteme unter Druck setzen.

Mit dem neuen Migrations- und Asylpaket schlägt die Kommission gemeinsame europäische Lösungen für eine europäische Herausforderung vor. Die EU muss von Ad-hoc-Lösungen abrücken und ein berechenbares und zuverlässiges Migrationsmanagementsystem einrichten.

Nach umfassenden Konsultationen und einer ehrlichen und ganzheitlichen Bewertung der Lage schlägt die Kommission vor, das System von Grund auf zu verbessern. Dazu gehört die Prüfung von Möglichkeiten zur Verbesserung der Zusammenarbeit mit den Herkunfts- und Transitländern, zur Gewährleistung wirksamer Verfahren, zur erfolgreichen Integration von Geflüchteten und zur Rückführung von Personen ohne Aufenthaltsberechtigung.

Eine einzige Lösung für das Thema Migration, die alle Seiten in allen Aspekten zufriedenstellt, gibt es nicht – aber durch Zusammenarbeit kann die EU eine gemeinsame Lösung finden.

Klare, faire und schnellere Grenzverfahren

„Die Ereignisse von Moria haben uns drastisch vor Augen geführt, dass die Zeit, in der wir in einem halbfertigen Haus leben konnten, endgültig abgelaufen ist. Es ist höchste Zeit für die Einführung einer gemeinsamen europäischen Migrationspolitik“, sagte der für die Förderung unserer europäischen Lebensweise zuständige Vizepräsident Margaritis Schinas. „Das heute vorgestellte Paket enthält alle fehlenden Puzzleteile für ein umfassendes Migrationskonzept. Die Erfahrungen mit der Migration sind von Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat unterschiedlich, und die damit verbundenen unterschiedlichen und teils enormen Herausforderungen müssen ermittelt, anerkannt und entschlossen angegangen werden.“

EU-Innenkommissarin Ylva Johansson sagte: „Migration war immer Teil unserer Gesellschaften, und daran wird sich auch künftig nichts ändern. Mit unseren heutigen Vorschlägen schaffen wir eine langfristige Migrationspolitik, die europäische Werte in die Praxis umsetzen kann. Die Vorschläge werden für klare, faire und schnellere Grenzverfahren sorgen, damit Menschen nicht in einem Zustand der Ungewissheit warten müssen. Dies bedeutet eine verstärkte Zusammenarbeit mit Drittstaaten im Hinblick auf rasche Rückführungen, mehr legale Zugangswege und ein entschlossenes Vorgehen gegen Schleuser. Mit der neuen Migrationspolitik schützen wir grundsätzlich das Recht auf Asyl.“

Stärkung des Vertrauens durch bessere und wirksamere Verfahren

Das erste grundlegende Element des Ansatzes der Kommission zur Vertrauensbildung besteht in effizienteren und schnelleren Verfahren. Insbesondere schlägt die Kommission die Einführung eines integrierten Grenzverfahrens vor, das erstmals ein Screening vor der Einreise umfasst. Dabei werden unter anderem alle Personen identifiziert, die die Außengrenzen der EU ohne Genehmigung überschreiten oder nach einem Such- und Rettungseinsatz ausgeschifft wurden.

Des Weiteren umfasst das Screening eine Gesundheits- und eine Sicherheitsüberprüfung, die Abnahme von Fingerabdrücken und die Registrierung in der Eurodac-Datenbank. Nach dem Screening können die Personen zum richtigen Verfahren weitergeleitet werden, z. B. zum Verfahren an der Grenze für bestimmte Kategorien von Antragstellern oder zum normalen Asylverfahren. Im Rahmen dieses Grenzverfahrens wird schnell über Asyl oder Rückführung entschieden, wodurch Personen, deren Fall rasch geprüft werden kann, schnell Sicherheit erhalten.

Gleichzeitig werden alle anderen Verfahren verbessert und von den EU-Agenturen stärker überwacht und besser operativ unterstützt. Die digitale Infrastruktur der EU für das Migrationsmanagement wird modernisiert, um diesen Verfahren zu entsprechen und sie zu unterstützen.

Gerecht verteilte Verantwortung und Solidarität

Das zweite grundlegende Element des Pakets ist die gerechte Aufteilung der Verantwortung sowie Solidarität. Die Mitgliedstaaten sind verpflichtet, verantwortungsvoll und solidarisch zu handeln. In Krisenzeiten muss jeder Mitgliedstaat ausnahmslos solidarisch einen Beitrag leisten, um das Gesamtsystem zu stabilisieren, unter Druck stehende Mitgliedstaaten zu unterstützen und sicherzustellen, dass die Union ihren humanitären Verpflichtungen nachkommt.

Angesichts der unterschiedlichen Situationen in den Mitgliedstaaten und des schwankenden Migrationsdrucks schlägt die Kommission ein System flexibler Beiträge der Mitgliedstaaten vor. Diese reichen von der Umverteilung von Asylbewerbern aus dem Land der ersten Einreise bis hin zur Übernahme der Rückführung von Personen ohne Aufenthaltsrecht oder auch verschiedene Formen der operativen Unterstützung.

Das neue, auf Zusammenarbeit und flexiblen Formen der Unterstützung beruhende System soll zunächst auf freiwilliger Basis anlaufen, dann aber, wenn einzelne Mitgliedstaaten unter Druck geraten, auf der Grundlage eines Sicherheitsnetzes die Verpflichtung zu größeren Beiträgen vorsehen.

Der Solidaritätsmechanismus wird für verschiedene Situationen gelten, wie für die Ausschiffung von Personen nach Such- und Rettungsaktionen, Migrationsdruck, Krisensituationen oder andere besondere Umstände.

Ein Paradigmenwechsel bei der Zusammenarbeit mit Drittstaaten

Die EU wird auf gezielte und für beide Seiten vorteilhafte Partnerschaften mit Drittstaaten hinarbeiten. Diese sollen dazu beitragen, gemeinsame Herausforderungen wie die Schleusung von Migranten zu bewältigen, legale Zugangswege zu schaffen und die Rückübernahmeabkommen und -vereinbarungen wirksam umzusetzen. Die EU und ihre Mitgliedstaaten werden geschlossen handeln und ein breites Spektrum von Instrumenten nutzen, um die Zusammenarbeit mit Drittstaaten bei der Rückübernahme zu fördern.

Ein umfassender Ansatz

Mit dem vorgelegten Paket soll auch ein gemeinsames EU-Rückkehrsystem entwickelt werden, um den EU-Migrationsvorschriften mehr Glaubwürdigkeit zu verleihen. Dazu gehören ein wirksamerer Rechtsrahmen, eine wichtigere Rolle der Europäischen Grenz- und Küstenwache und ein neu zu ernennender EU-Rückkehrkoordinator mit einem Netz nationaler Vertreter, die die Kohärenz in der gesamten EU gewährleisten.

Das Paket umfasst außerdem Vorschläge für eine gemeinsame Migrationssteuerung mit einer verbesserten strategischen Planung, um sicherzustellen, dass die Politik der EU und diejenige der Mitgliedstaaten aufeinander abgestimmt sind, und eine verstärkte Überwachung des Migrationsmanagements vor Ort, um gegenseitiges Vertrauen zu schaffen.

Auch das Außengrenzenmanagement soll verbessert werden. Ab dem 1. Januar 2021 soll eine ständige Reserve der Europäischen Grenz- und Küstenwache eingesetzt werden, die im Bedarfsfall zur zusätzlichen Unterstützung mobilisiert werden kann.

Eine glaubwürdige Politik im Hinblick auf legale Migration und Integration bringt unserer Gesellschaft und unserer Wirtschaft Vorteile. Die Kommission wird mit wichtigen Drittstaaten Fachkräftepartnerschaften einrichten, die auf den Arbeitskräfte- und Qualifikationsbedarf in der EU zugeschnitten sind. Die im Paket vorgesehenen Anstrengungen in Bezug auf Neuansiedlungen und die Förderung anderer komplementärer Zugangswege sollen in die Entwicklung eines europäischen Modells für Patenschaftsprogramme münden. Die Kommission wird außerdem einen neuen, umfassenden Aktionsplan zur Integration und Inklusion für den Zeitraum 2021-2024 annehmen

Nächste Schritte

Damit eine tatsächlich gemeinsame EU-Migrations- und Asylpolitik verwirklicht werden kann, müssen sämtliche Rechtsvorschriften des Pakets nun im Europäischen Parlament und im Rat geprüft und verabschiedet werden. Angesichts der vor Ort äußerst dringlichen Situation in mehreren Mitgliedstaaten werden das Parlament und der Rat ersucht, eine politische Einigung über die Kernprinzipien der Verordnung über Asyl- und Migrationsmanagement zu erzielen und die Verordnung über die Asylagentur der Europäischen Union sowie die Eurodac-Verordnung bis Ende des Jahres anzunehmen. Die überarbeitete Fassung der Richtlinie über Aufnahmebedingungen, die Anerkennungsverordnung und die neu gefasste Rückführungsrichtlinie dürften in Anbetracht der seit 2016 erzielten Fortschritte ebenfalls rasch angenommen werden können.

Quelle: Vertretung der Europäischen Kommission in Deutschland vom 23.09.2020

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